• Nem Talált Eredményt

Acontius und Sommer über die „Stratagemata Satanae"

(1565, 1570)*

In der Rezeptionsgeschichte von Acontius' berühmtem Buch De stratagematis Satanae1 stellt die Bearbeitung, die der Klausenburger Professor Johannes Som-mer im Jahre 1570 hergestellt hat, ein interessantes Kapitel dar. Das in London konzipierte Werk, das in Basel 1564 gedruckt wurde und innerhalb von einem Jahr eine zweite, sehr vermehrte und korrigierte Ausgabe nebst einer Übersetzung ins Französische erlebte, ist nach einigen Jahren auch Sommer in die Hände gekom-men.2 Er hatte sich vor kurzem den Antitrinitariem Siebenbürgens angeschlossen und meinte nun, daß durch eine Verkürzung bzw. Umarbeitung der Einfluß dieser Schrift auf die derzeit heftige theologische Diskussion vergrößert werden könne.

Die Sommersehe Version ist aber nie gedruckt worden. Die Handschrift, die in der Unitarischen Bibliothek von Klausenburg aufgehoben wurde,3 geriet in völlige Vergessenheit. Erst in unserer Zeit hat Antal Pimat, der in seinem Werk über die Ideologie der Siebenbürger Antitrinitarier, das 1961 erschien und in dem die Rolle Sommers im radikalisierenden Antitrinitarismus der 1570er Jahre ausführlich dargelegt worden ist, als erster wieder dieser Handschrift gebührende Aufmerk-samkeit geschenkt.4 Pimats Buch setze ich als bekannt voraus. Nach Pimat hat

• Ich danke an dieser Stelle Herrn Pfarrer Christoph Huss (Zeist) für die Durchsicht der deutschen Fassung meines Beitrags.

1 Neueste Edition: Giacomo Ac0Nc10, Stratagematum Satanae libri Vll/, a cura di Giorgio RADETil, Firenze 1946 (Edizione nazionale dei classici de! pensiero italiano, 7). Ich benutze in diesem Aufsatz: Jacobi Acontii Satanae Stratagematum libri octo ... Editio critica curavit Gualtherus KOEHLER, Monaci 1927. Man findet die Editionen und die Literatur genannt in:

Bibliotheca Dissidentium, XIV, 55-117. Vgl. auch den Artikel von Erich HASSINGER in:

TRE, hrsg. von Gerhard Krause und Gerhard Müller, 1, 402-407. Über das Leben von Acontius: Charles Donald O'MALLEY, Jacopo Aconcio, trad. di Delio Cantimori, Roma 1955.

2 Es wurde die 2., erweiterte Auflage, wie die 1. Auflage in Basel gedruckt, 1565, in der Edi-tion Koehler angedeutet als A 1• Man vergleiche z. B. die Bibeltexte, die Sommer 879 des in der nächsten Note zitierten Manuskripts anführt und die in der 1. Auflage noch nicht da waren, sondern erst in die 2. Auflage von Acontius hineingefügt worden sind (Hrsg. Koehler, 64f.).

3 Academia III. Nr. 1669 (The Manuscripts, 1669). Kodex des Matthäus Toroczkai, Nr.

XXVI, 851-928. Ich danke Herrn Prof. Dr. Mihaly Balazs für seine Bereitschaft, mir eine Fotokopie dieses Manuskripts zukommen zu Jassen.

4 PIRNAT, Die Ideologie, 21-29.

auch Antonio Rotondo die Handschrift vom Sommersehen Acontius-Traktat ein-gehend studiert. In seinem schon 1969 veröffentlichten Aufsatz über Sommers Entwicklungsgang hat Rotondo die ihm zur Verfügung stehenden Quellen selb-ständig untersucht und kommt auf Grund dieses Studiums an einigen Punkten zu einer detaillierteren Schilderung der Ereignisse.5 Jüngst hat sich Mihaly Balazs in seinem Buch über den siebenbürgischen Antitrinitarismus mit diesem Traktat befaßt.6 Einige von seinen Beobachtungen werde ich in meinem Referat nachher erwähnen.7

Die Frage, die uns hier beschäftigen wird, betrifft die Art und Weise, worauf Sommer die Acontius-Schrift für seine religiösen Interessen nutzbar gemacht hat.

Es gibt nicht nur stilistisch, sondern auch inhaltlich erhebliche Unterschiede zwi-schen den beiden Werken. Sommer hat in einer Vorrede dargelegt, wie er das ziem-lich weitschweifige Buch bearbeitet hat. Er gesteht offen, daß er auch eigene Ge-danken und Beispiele hinzugefügt hat. „Caeterum inventio et methodus Acontii tota est, saepe etiam et phrasis", so betont er jedoch. M. a. W.: Es bleibt Acontius' eigenes Werk. Sie beide, Acontius und Sommer, hätten dasselbe Ziel, nämlich zu Nutz und Frommen der Kirche zu arbeiten („ut ecclesiae prodesset"). Nochmals bekräftigt er: „Acontius ipse in manibus est": „Acontius selbst habt ihr jetzt in euren Händen" (853). Wir werden sehen, inwieweit das stimmt.

Die stilistischen Änderungen und die vielen Hinzufügungen literarischer oder historischer Art, die sich die ganze Sommersehe Paraphrase hindurch finden, möchte ich jetzt beiseite lassen. Ich konzentriere mich auf den Inhalt. Es sei aber gleich bemerkt, daß sich der Inhalt der ursprünglichen Satanae Stratagematum libri octo schwer von der Form trennen läßt. Wer die Schrift von Acontius liest, wird sich wundem, wie zögernd der Gedankengang manchmal vorankommt, wie oft der Autor sich wiederholt, wie vage er sich - trotz der unglaublichen Schärfe seiner psychologischen Beobachtungen - über seine eigene Lage äußert. Das hat alles mit dem Ziel seiner schriftstellerischen Arbeit zu tun, das m. E. ein dop-peltes ist. Langfristig erhofft Acontius von seinem Buch, daß es dazu beiträgt, in der ganzen Christenheit dem Wirken Satans ein Ende zu bereiten, so daß alle, die an Christus glauben, sich gegenseitig als Brüder anerkennen werden. Kurzfristig hat er aber ein ganz konkretes Ziel vor Augen: die Stärkung der geistlichen Lage der Gemeinde, deren Mitglied er war, nämlich der reformierten Gemeinde

nieder-5 Antonio RoTONDÖ, Studi e ricerche di storia ereticale italiana del cinquecento, l, Torino 1974 (Pubblicazioni dell' Istituto di scienze politiche dell' Universita' di Torino, vol. XXXI), 172-180.

6 Mihäly BALAzs, Early Transylvanian Antitrinitarianism ( 1566-1571 ). From Servet to Palaeo-logus, Baden-Baden & Bouxwiller 1996 (Bibliotheca Dissidentium, Scripta et Studia, nr. 7), 196-204.

7 Man kann sich nur wundem über die oberflächliche Art, in der Alexander UNGHVA.RY das Anliegen von Acontius und Sommer beschreibt in seinem The Hungarian Protestant Reformation in the Si:<teenth Century under the Ottoman Impact. Essays and Profiles, Lewiston (etc.) (o. J.) (Texts and Studies in Religion, 48). Ich werde in diesem Aufsatz dieses Buch daher außer Betracht lassen.

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ländischer Flüchtlinge in London. Er war ein Mitglied unter anderen Mitgliedern, aber in großen Schwierigkeiten, weil sie ihn exkommuniziert haben. Ohne theolo-gisch ausgebildet zu sein, gibt er sich große Mühe, dem Sinn des Bibelwortes nachzuforschen, so daß es sich in einer bestimmten Situation nicht autoritär, son-dern mit der Kraft des Geistes durchsetze. Und eben dazu braucht er viele Worte.

Acontius hatte auch kein kirchliches Amt inne und seine sehr kritische Analyse der kirchlichen Vorgänge, die er in den reformierten Gemeinden Londons wahrnahm, kann er nur vorsichtig vorbringen. Auch dazu sind viele Worte, Redewendungen usw. nötig. Um Acontius' Argumentation richtig einordnen zu können, kann ich nicht umhin, die Entstehungsgeschichte dieser „VIII Bücher"

kurz zu beschreiben.

Es ist die sog. „causa Hamstedii", die Acontius dazu veranlaßt hat, die „Stra-tagemata Satanae" zu untersuchen und zu beschreiben; Auke Jelsma hat das schon 1960 in überzeugender Weise dargelegt.8 Adriaan Cornelius van Haem-stede, der Pfarrer der niederländischen reformierten Gemeinde in London, wohin seit der Verschärfung der spanischen Inquisitionspolitik viele Protestanten aus den aufständischen Niederlanden geflohen waren, wurde von einem Teil seiner Gemeinde und des Kirchenrats der Häresie verdächtigt, weil er anabaptistischen Flüchtlingen die Hand gereicht hat. Es entstand eine mühsame Debatte über die Frage, inwieweit die anabaptistische Inkarnationslehre, wodurch die menschliche Natur des Erlösers nicht ausreichend gesichert zu sein schien, für Reformierte noch akzeptabel sein konnte. Als Haemstede sich weigerte, eine Schuld seiner-seits anzuerkennen, wurde er exkommuniziert und „dem Satan ausgeliefert" wie auch sein Freund Acontius. Sie beide haben nachher noch einige Male versucht, mit den kirchlichen Behörden über die strittigen Punkte ins Gespräch zu kommen, aber vergebens: die niederländischen Kalvinisten zeigten Härte, der Edmund Grindal, der Bischof von London, der als Superintendent der Flüchtlingsge-meinden die kirchliche Zensur autorisieren mußte, schließlich nur nachgeben konnte. Haemstede mußte aufs neue emigrieren. Von seinem Lebensende (1562?) sind keine Berichte vorhanden. Acontius, der eine von Königin Elisabeth 1. ge-schützte Position als Ingenieur bekleidete, schloß sich der spanischen Flüchtlings-gemeinde in London an, die ihm und anderen Dissidenten eine wohltuende Toleranz bot.9 Jetzt fing Acontius an, die aufregenden Ereignisse innerhalb der reformierten Flüchtlingsgemeinden unter dem Aspekt der „Stratagemata Satanae"

zu betrachten und darüber ein Traktat zu konzipieren. Das Buch kam unter großem Zeitdruck zustande; auf die 1. Auflage, die noch 1564 gedruckt wurde

8 A. J. JELSMA, Adriaan van Haemstede en zijn martelaarsboek, Gravenhage 1960, bes. Kap.

5: „De nasleep van de ,Causa Hamstedii' in het werk van Acontius", 206--228. Vgl. auch:

A. J. JELSMA, Waarom de reformatie mislukte, (o. 0.) 1993 (Kamper oraties, 2). S. weiter:

O'MALLEY, a. a. 0., 56--65: „La controversia fra Adriaan van Haemstede e la chiesa olan-dese dei rifugiati."

9 A. G. KINDER, Casiodoro de Reina, London 1975, 23; Owe BoERSMA, Vluchtig voorbeeld.

De Nederlandse, Franse en /taliaanse vluchtelingenkerken in Londen, 1568-1585, (o. 0.) 1994, 31, 33.

(die Titelseite erwähnt das Jahr 1565), folgte schon kurz danach eine stark ver-mehrte 2. Auflage. Vieles aus der Entstehungsgeschichte dieses Werkes bleibt aber unsicher. Auch Acontius' Todesjahr ist unbekannt; O'Malley nimmt an, daß er 1566/1567 gestorben ist.10

Die Acta der Verhandlungen, die zwischen dem niederländisch-reformierten Kirchenrat und Haemstede geführt worden sind, geben uns einen guten Eindruck der gegenseitigen Argumentation und ermöglichen uns, die unterschiedlichen Phasen der „causa Hamstedii" genau und manchmal wortwörtlich zu verfolgen.11

Erst wenn man diese Geschichte zur Kenntnis nimmt, sprechen Acontius' Ausführungen und Anschuldigungen eine deutliche Sprache. Besonders wird es jetzt deutlich, daß Acontius in der Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Zensur-maßnahme oder nach der konfessionellen Basis der kirchlichen Gemeinschaft nicht irgendwelche Theorien ausprobiert, sondern daraufhin arbeitet, den Riß in der Londoner Gemeinde zu heilen und seinen Mitbrüdern die Augen für die sa-tanischen Versuchungen, die hinter diesem ganzen Vorgang stecken, zu öffnen.12 Wie geschickt nun auch die Reduzierung von den acht „Büchern" des ur-sprünglichen Werkes bis auf fünf gemacht ist - durch Sommers Bearbeitung-, ist Acontius' Werk ein Stück theoretischer Literatur geworden, dessen Sprache nicht mehr die lebensnahe Expressivität des Originals besitzt. Die Paraphrase ist als ein selbständiges Werk Sommers zu würdigen. Hinzu kommt, daß - wenn auch der Substanz und der Zielsetzung nach das Original erhalten geblieben ist - bei näherer Betrachtung sehr eigentümliche Änderungen auffallen, wodurch der Blick statt London auf Siebenbürgen gerichtet wird. Soweit allerdings Acontius die „Stratagemata Satanae" im Herzen der Christen beschreibt, schließt sich Sommer dem gern an, die Analyse des Benehmens der Theologen und der Kirchenführer inklusive. In Acontius' Analyse des Klerikalismus haben viele in ganz Europa sich finden können.

An vier Beispielen der Sommersehen Version möchte ich hier das Verhältnis zwischen Sommer und Acontius deutlich machen, nämlich bezüglich der Tauf-praxis, der Trinitätslehre, der „Prophezei" und des Symbols.

An einigen Stellen lesen wir bei Sommer ausführlich über Lehre und Praxis der Taufe (856, 870, 875f., 89lf.), während Acontius gerade nicht davon gesprochen hat. Dieses läßt sich aus den unterschiedlichen Umständen, die Acontius und Sommer zu berücksichtigen hatten, erklären. Welcher der konkrete Anlaß für Sommer gewesen ist, im Kapitel über die Veränderungen in der christlichen Lehre eine längere Abhandlung über das Entstehen der Kindertaufe hin-einzuschieben, vermag ich nicht zu sagen. Daß sich Acontius aber in seinen

10 O'MALLEY, a. a. 0„ 50f.

11 Kerkeraads-protocollen der Nederduitsche vluchtelingen-kerk te Londen 1560-1566, uitge-geven door A. A. van SCHELVEN, Amsterdam 1921 (Werken uitgeuitge-geven door het Historisch Genootschap te Utrecht, IIl/46), 445-466.

12 In der „Epistola apologetica" an Bischof Grindal (1564), worin Acontius bittet, wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen zu werden, tauchen dieselben Fragen auf; s. den Text hinter Satanae Stratagemata, Hrsg. KOEHLER, 235-242.

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Ausführungen fast nirgends auf die Taufe bezieht, geschweige denn, wie Som-mer, die Praxis der Kindertaufe zu kritisieren wagt, nimmt nicht Wunder, wenn man in Betracht zieht, dass das Verhältnis zu den Anabaptisten gerade der Ur-sprung der „causa Hamstedii" war. Acontius hatte es vermieden, diesen wunden Punkt zu berühren.

In seiner Skizze der theologischen Entwicklung Sommers weißt Rotondo auf eine sehr merkwürdige Änderung im Acontius-Traktat13 hin. Wenn Acontius die Entartung der christlichen Lehre und Praxis tadelt, führt er davon allerhand Beispiele aus der Liturgie, dem Eherecht usw. auf, 14 die Sommer nicht über-nimmt. Anstelle dessen gibt Sommer einen Kommentar zur Geschichte der Trinitätslehre (856f.). In London waren die diesbezüglichen Loci nicht umstrit-ten. Ob Acontius antitrinitarische Gedanken gehegt hat, wird noch immer disku-tiert; in den acht „Stratagemata"-Büchern bleibt dieses Thema unter dem Tisch.

Daß nun Sommer offen seine Kritik an dem trinitarischen Dogma in seine Aconti-us-Paraphrase hineinträgt, ist in seiner damaligen Situation, worin er allmählich zu einer völligen Ablehnung der Trinitätslehre voranschreitet, zwar verständlich, tut aber dem Original m. E. Unrecht.15

Einigermaßen naiv kann man es nennen, daß Acontius, der so scharf die satani-schen Machenschaften in der Schultheologie und in den Aktivitäten kirchlicher Gremien aufzudecken wußte, sich von der „Prophezei" nur Gutes versprach. Wie dem auch sei, auch Sommer, jeder Tyrannei - auch der konfessionellen - abhold, ist es wichtig, das „ius sedentium" und die „libertas sententiarum" (923) beizube-halten. Er überbietet Acontius sogar in seiner Hochschätzung dieser altkirchlichen Institution, die im Reformationszeitalter in einigen Städten wie Zürich und London, erneuert wurde (895-904).16 Balazs, der diesen Teil der Sommersehen Version ausführlich bespricht, möchte daraus auch die Tatsache erklären, daß Sommers Manuskript nie gedruckt worden ist: der Traktat sei in seiner neuen Form für die damaligen Verhältnisse in Siebenbürgen als spiritualistisch und deshalb als zur Verbreitung durch den Druck nicht geeignet betrachtet worden.17

Am klarsten treten die Unterschiede zwischen London und Kolozsvar zutage, wenn man die Stelle, die das Apostolicum in den beiden Werken innehat,

miteinan-l3 ROTONDÖ, a. a. 0., 175f.

14 Satanae Stratagemata, Hrsg. KOEHLER, 8.

lS Hat es einen antitrinitarischen Hintergrund der Schrift von Acontius gegeben, den nun Sommer explizit hat machen können, wie Rotondo behauptet? „Nel compendio degli Strata-gemata Satanae il Sommer esplicitava o piuttosto, a torto o a ragione, deduceva presupposti antitrinitari daJ Iatitudinarismo teologico dell' Aconcio" (RoTONDÖ, a. a. 0„ 190; vgl. auch 180). Ich möchte es bezweifeln, obwohl ich weiß, daß Rotondo der Spur von Cantimori folgt, der geneigt war, die Anschuldigungen der Führer der orthodoxen protestantischen Kirchen gegen Acontius im historischen Sinn durchaus ernstzunehmen (Delio CANTIMORI, Italienische Haeretiker der Spätrenaissance, Deutsch von Werner Kaegi, Basel 1949, 317-320).

16 Über die „Prophezei" und „lex sedentium" s.: George Huntston WILLIAMS, The Radical Re-formation, 3. Aufl., Kirksville (Miss.) 1992, reg. und bes. 521und1254 (Sixteenth Century Essays and Studies, XV).

17 BALAzs, a. a. 0., 202-204.

der vergleicht. Hierüber möchte ich etwas ausführlicher reden. Welche Funktion hat das Apostolicum bei Acontius? Auf der Suche nach einem „Symbol", das wahr-haftig den spezifischen Bedingungen, die er zuvor dargelegt hat, entspricht, er-wähnt Acontius zwar das Apostolicum, fügt aber gleich hinzu, daß es leider nicht mehr möglich ist, mit diesem allzu sehr verblaßten und biegsamen Text die wahren Christen zu einigen. Natürlich kann Acontius nicht umhin zuzugestehen, daß die protestantischen und katholischen Kirchen alle auf diesem Bekenntnis basieren, aber gerade deswegen mag er es nicht als Band der Einheit propagieren. In seinen Augen ist ja die katholische Kirche die falsche. Weiter muß man sich vergegen-wärtigen, daß das vornehmste Stück der christlichen Lehre, die Rechtfertigung, im Apostolicum fehlt.

Sommer hingegen läßt durchblicken, daß s. E. das Apostolicum noch immer seinen Nutzen hat. Es wäre in der siebenbürgischen Situation der 1570er Jahre eine ganz und gar unnötige Belastung der kirchlichen Beziehungen zwischen den katholischen und den drei protestantischen Konfessionen gewesen, das Apos-tolicum beiseite zu schieben, zumal es über die strittige Frage der Trinitätslehre schweigt.18

Dabei ist es nützlich zu bedenken, daß die Schrift von Acontius inmitten einer reformierten Gemeinde entstanden ist, während Sommer ein Wortführer von den Antitrinitariem war. Es gehört zum Wesen des reformierten Kirchenverständ-nisses, daß ein Gottes Wort gemäß aufgestelltes Glaubensbekenntnis die Glieder verbindet. Über die Antitrinitarier hat Balazs kürzlich gesagt, daß sie ihre Glau-bensbekenntnisse betrachteten „merely as didactic surnmaries serving occasional purposes, which could be modified at any time".19 Das sollte man im Auge behal-ten, wenn wir die Unterschiede zwischen Acontius' Buch und der Sommersehen Version bezüglich der Symbolfrage analysieren.

Acontius schrieb seine Abhandlung unter dem Eindruck des gegen Haemstede geführten Ketzerprozesses. Daß seine eigene Kirche auf die inquisitorische Praxis der Papstkirche zurückgriff, hat ihn aufs tiefste schockiert. In der Verurteilung und Vertreibung von Haemstede konnte er nur die „Stratagemata Satanae" am

18 „Satius itaque erat generalem aliquam confessionis formam de necessariis ad salutem doc-trinae capitibus retineri, qualis in symbolo apostolorum expressa est, quam ultro hostes in pemiciem nostram arrnare, et dissentientibus illis de fide locutionibus ad calumniam ipsis viam stemare. Nam si una est fides, quorsum tanta diversitas", (923). „Ostensum est prius, quae ad salutem cognitum sunt necessaria, ex illis facile apparet, quae in eiusmodo symbo-lo comprehendi debeant sie ut nec redundet nec desit quempiam. Et habet sane omnia illud quod Apostolicum vocamus, verum usus iam olim nullus est. Cum nam illo nos profiteamur christianos debebant in fidelibus agnosci, quotquot illud recipiunt, sed hodie nil minus fit.

Nisi quis enim omnes subdistinctiones, et minutissimas monachorum subtilitates se credere confirmet, quantumvis symbolum recipiat reiicitur ac nisi omnibus subscribat, sine excep-tione haereticus habetur", 923. In seiner Refutatio scripti Petri Carolii, lngolstadii 1583, gibt Sommer eine „Summa doctrinae Apostolicae de Deo et unigenito filio suo Jesu Christo", f. 30•-34•. Dieses Kapitel enthält eine große Anzahl schlichter Glaubenssätze nebst biblischen Belegstellen.

19 BALAZS, a. a. 0., 44.

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Werk sehen. Nun erhoffte er von seinem Buch, daß es das Verfahren der Refor-mierten als satanisch entlarven würde und daß in Zukunft die Glaubenseinheit zunächst unter den Reformierten, aber wenn möglich auch mit den anderen Kon-fessionen hergestellt werden konnte. Dazu entwarf er nun ein Bekenntnis, das als

„Symbolum Acontianum" bekannt geworden ist, ein Versuch um des kirchlichen Friedens willen die „necessaria" zusammenzufassen.20 Dabei ging es ihm darum, die Grenzen der Kirche zu definieren und zu wahren. Um etwas ausrichten zu können, sollte dieses Symbol nur die wichtigsten Glaubenssätze enthalten, die somit tatsächlich Geltung haben sollten. Sehr detailliert werden die Bedingungen ausgearbeitet, worunter die Kirchenmitglieder, die gegen das Bekenntnis Beden-ken haben, noch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft geduldet werden könn-ten. Er zieht eine Grenze zwischen einem Häretiker und einem Apostaten; der erstere gehört zur Gemeinde, solange seine abweichenden Thesen nicht zu den

„necessaria" gehören und er sich (ohne für seine Ideen Propaganda zu machen) noch innerhalb der Grenzen des biblischen Wortes befindet. Der Apostat hat sich außerhalb der Gemeinde begeben, indem er sich nicht länger der Autorität der Bibel unterwirft. Trotzdem kann auch er nicht gezwungen werden, seine Über-zeugung aufzugeben. Ein brüderliches Verhalten sei vorherrschend, um die Wahr-heit dürfe aber nicht gefeilscht werden. Ich möchte deshalb die Position von Acontius nicht, wie Rotondo, als Latitudinarismus bezeichnen.21

Wenn in der Ideengeschichte von Acontius als von einem Vorkämpfer der Toleranz die Rede ist - er hat ja energisch die Gewissens- und die Redefreiheit verteidigt und sich gegen jede Gewaltausübung in Glaubensangelegenheiten gewehrt -, darf nicht übersehen werden, daß aus seiner Sicht die Kirche kein Raum für unverbindliche Aussagen sein kann. Sehr scharf hat er die autoritäre Papstkirche verurteilt, nicht aber die „Kirche" als neutestamentliche Gemeinde der Gläubigen abgelehnt. Acontius' Symbolentwurf ist nicht der Ausdruck eines deistisch angehauchten Aufklärungsdenkens. Das Symbol sollte seiner Kraft nicht zugunsten einer allgemeinen Menschheitsreligion beraubt werden.22 Be-zeichnend ist, wie Acontius es im Apostolicum bemängelt, daß darin die

Recht-20 Literatur über die „necessaria": Johan Murk Rients DIERMANSE, De fundamentele en niet-fundamentele geloofsartikelen in de theologische discussie, Franeker 1974; Wilfried JoEST, „Fundamentalartikel", TRE, XI, 727-732.

21 RoTONDÖ, a. a. 0„ 180, 190; vgl. Martin SCHMIDT, "Ecumenical Activity on the Continent of Europein the Seventeenth and Eighteenth Centuries", in: A History of the Ecumenical Movement 1517-1948, ed. by Ruth RousE and Stephen Charles NEILL, London 1954, über Acontius' Stellungnahme: "This Biblical humanism which reduces Christian ethics to the

21 RoTONDÖ, a. a. 0„ 180, 190; vgl. Martin SCHMIDT, "Ecumenical Activity on the Continent of Europein the Seventeenth and Eighteenth Centuries", in: A History of the Ecumenical Movement 1517-1948, ed. by Ruth RousE and Stephen Charles NEILL, London 1954, über Acontius' Stellungnahme: "This Biblical humanism which reduces Christian ethics to the