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AKOS YON PAULER FUR GEDENKSCHRIFT

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Academic year: 2022

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(1)GEDENKSCHRIFT FUR. AKOS Y O N PAULER MIT UNTERSTÜTZUNG DER UNGARISCHEN WISSENSCHAFTLICHEN AKADEMIE UND DER P. PAZMANY-UNIVERSITÄT BUDAPEST HERAUSGEGEBEN YON DER. U N G A R ISC H E N. P H IL O S O P H IS C H E N G E SELLSC H A FT. UNTER MITWIRKUNG VON. JULIUS KORNIS ZUSAMMEN GESTELLT VON. LUDWIG PROHÁSZKA. 1936. Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen’sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.. B erlin u n d Leipzig.

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(3) GEDENKSCHRIFT FÜR. ÁKOS. VON. PAULER. MIT UNTERSTÜTZUNG DER UNGARISCHEN WISSENSCHAFTLICHEN AKADEMIE UND DER P. PÁZMÁNY-UNIVERSITAT BUDAPEST HERAUSGEGEBEN VON DER. U N G A R IS C H E N. P H IL O S O P H IS C H E N G E S E L L S C H A F T. UNTER MITWIRKUNG VON. JULIUS KORNIS ZUSAMMEN GESTELLT VON. LUDWIG PROHÁSZKA. 1936. Walter de Gruyter & Co. vormals G. J. Göschen’sche Verlagshandlung — J. Guttentag, Verlags­ buchhandlung — Georg Reimer — Karl J. Trübner — Veit & Comp.. Berlin und Leipzig.

(4) Г' 1 O •} ff 4. ÿU, ipr A rch iv-N r 640126. Printed in Hungary.

(5) DER BEGINN UND DER AUSGANG GEDÄCHTNISREDE IN DER UNGARISCHEN PHILOSOPHISCHEN GESELLSCHAFT AM 7. NOV. 1933.. VON JULIUS KORN IS.. I. 55 m riesigen C haos des Lebens, in dem das Ind iv id iu m sich den Sorgen des A lltags hingibt, w irk en Todesfälle fast a u frü tte ln d a u f die Seele. W ir küm m ern uns um winzige, u n ­ b edeutende D inge und vergessen oft neben den kleinen P la ­ gen des Lebens unsere A ufm erksam keit a u f die gew altige­ ren R äder des Schicksals zu lenken, die den tödlichen Schlag herbei holen und uns niederschm ettern. N u r in solchen A ugenblicken k an n die S chw ierigkeit des Lebens w a h rh a ft em p fu n d en w erden: w enn jem an d von unseren Lieben ins u n b ek a n n te L and hinüberzieht, w enn jede Spur, jede kleine Lrinnerung, die er hinterließ, a u f das erschreckende F ra ­ gezeichen, das nach dem Tode steht, h in d eu tet; n u r dann verm ögen w ir uns a u f einen höheren S ta n d p u n k t zu erh e­ ben, und k an n das B ew ußtsein der V ergänglichkeit, das uns die G renze des Reichs der E w igkeit ins B ew ußtsein ru ft, in unser H erz einkehren . . . Homo toties m oritur, quoties am ittit suos: der M ensch stirbt, so oft er jem anden von den Seinigen v erliert.“ Diese Zeilen schrieb der sechzehnjährige kleine Philosoph P auler in sein T agebuch (JO. A ugust 1892), als sein H erz beim Tode eines seiner Lieben blutete. Am heutigen Tage hab en w ir uns in ähnlicher Stim m ung versam m elt, denn die gegenw ärtige ungarische Philosophie tra u e rt gleichsam um ihren Vater u n d die U ngarische Philosophische G esellschaft um ihren h o chverehrten F ü h re r in Ákos v. Pauler. N icht „klein ist die Eirinnerung“ die er hinterließ, sondern ein reiches V erm ächtnis, das ihn a u f allen G ebieten der P h ilo ­ sophie lange Zeiten h indurch a u f S chritt und T ritt in das G edächtnis u ngarischer D enker ru fen w ird..

(6) 4 W ie w ächst das E m bryo des Philosophen in der Seele des zum Jün g lin g h eran reifen d en P a u le r em por? Was fü r G edankenkeim e bestim m en ihn bereits so frü h zum P hilo­ sophen? In w elcher F orm däm m ert zum erstenm al das p rin ­ zipiell ergriffene, einheitliche Bild der W elt vor ihm au f? W ie fä n g t dieser glänzende Geist seinen W anderw eg im Reiche des G eistes an: w as ist sein B e g i n n ? D och stellt sich notgedrungen in die Folge dieser F rag en das an d ere P roblem : w orin fan d diese reiche Seele nach den inneren G äru n g en u n d K äm pfen eines ganzen Lebens ihre endgültige A usgestaltung? W as fü r eine W eltau ffassu n g schließt seinen E n tw icklungsgang: w as ist sein A u s g a n g ? 1. D as K ind lebt den augenblicklichen E indrücken, von T ag zu T ag v erarb e itet es die eben zuström enden Reize: es erh eb t sich n icht ü b er sie, v erbindet sie n ich t in die org an i­ sche E inheit der V ergangenheit, G egenw art u n d Z u k u n ft: es h a t noch kein gegliedertes Zeitbewmßtsein; es k an n sich noch n ich t d a ra u f besinnen, d aß sein Leben ein in der Zeit d a h in ­ schw indendes, in seinen A bschnitten zu r E inheit sich zusam ­ m enschließendes G anzes bildet. D er reifende Jüngling fü h lt aber, vorerst in stinktm äßig, d an n im m er b ew u ß ter, d a ß die Zeit ih ren F lu ß h at, d a ß sein Leben sich in die Z u k u n ft ausw eitet; w as in ihm als M öglichkeit schlum m ert, kom m t in der Folge der Zeit zu r E n tfa ltu n g : e r steht an der P fo rte eines zu k ü n ftig en Lebens, dessen S chicksal auch von ihm a b h ä n g t und, fü r das er v eran tw o rtlich ist. N un lebt er nicht m ehr n u r dem A ugenblick, wie das K ind, sondern er fä n g t an, öfters in seine V ergangenheit zurückzublicken, noch m ehr ab e r in seine Z u k u n ft vorauszuschauen. D u n k e l däm m ert es in ihm, d aß den kontinuierlichen F lu ß seiner L eb e n sla u fb ah n ein in n erer Sinn zusam m enhält: eine B i o d i c ä e . E r fängt an. sich als gew ichtig zu em pfinden: er spinnt L ebenspläne, setzt sich eigene Ziele. D a das B ew ußtsein der B edeutsam keit seines Ichs in ihm erw acht, w ill er die Ereignisse seines Le­ benslaufs, zugleich seine P läne und die U m risse seines Lebens­ ideals festh alten : d aru m ist das T agebuchschreiben ty p isch fü r das R eifealter..

(7) 3 A uch Ákos V . P au ler fän g t als F ü n f zehn jäh rig e r an, ein T agebuch zu führen. A ber auch d an n setzt er es fort, als er die gärende Periode d er P u b ertätszeit schon überschritten h at, bis zu seinem Tode: sein tief m oralisches W esen fü h lt d a rin eine F orm d er täglichen G ew issensprüfung. Sicherlich schw ebte ihm dabei als Vorbild auch das Beispiel seines G ro ß v aters1 vor, dessen T agebuch er als einen F am ilienschatz h ü tete. D ie T ageb uchaufzeichnungen des jugendlichen P a u ­ ler sind Schlüssel, die das Schloß seiner seelischen E n tw ick ­ lung uns aufschließen. Aus einzelnen B em erkungen seines T agebuchs, aus k lei­ nen. zu den T agesereignissen hinzugefügten M editationen erk en n en w ir sofort, d aß ih r jugendlicher V erfasser ein g e b o r e n e r P h i l o s o p h ist. N icht das geistige P ro ­ d u k t d er U m gebung: seine seelische S tru k tu r bestim m t ihn zum Philosophen, d er auch die kleinen, unb ed eu ten d erschei­ n enden M om ente der W elt u n d des Lebens sogleich vom h ö ­ heren. p rinzipiellen S ta n d p u n k t aus b etrach tet, sich spon­ ta n a u f den H öhen allgem einer K ategorien ansiedelt. Seine Seele geht nicht m it den W ellen der dahinsch w indenden E in ­ d rü c k e einher, sondern b leib t in d er F lu t der Zeit stehen, stellt sich den enteilenden b u n ten Im pressionen entgegen und ist b estreb t ins helle L icht des Allgem einen u n d Ew igen zu schauen. D er kleine Philosoph blickt bereits m it der k ü h ­ len G elassenheit des an tik en stoischen W eisen in die W elt. ,.W ahrlich — schreibt er in Ischl als S echzehnjähriger im Schm erze ü b er den Tod seiner G roßtante — der M ensch soll sich über nichts w undern. Stets geschieht das U nerw artetste. O b w ir u nvorbereitet sind, oder ob der F all w irklich u n e r­ w a rtet kom m t, ist eine andere Frage. H ier sitze ich bei m ei­ nem I isch und horche dem eintönigen Pochen der R egen­ tro p fe n u n d dem Totengesang-ähnlichen Jodeln der W irts­ haus-H ocker. Es ist seltsam wie w ir alle u n ser W eltbild u n ­ serer G em ütsstim m ung anpassen. W as sonst zerstreut, e rfü llt einen n u n m it T raurigkeit. Bei solcher G elegenheit sieht m an den großen W ert des a b s o l u t e n S t o i z i s m u s und der A p a t h i e, die einen zu einem so hohen S ta n d p u n k t er­ heben. der vom guten und bösen Schicksal gleicherm aßen en tfe rn t bleibt.“ N ach einigen W ochen (5. Sept. 1892) ent1 Theodor Pauler, namhafter Jurist und ung. Justizministcr..

(8) 6 deck t er den ü b er das D rän g en u n d D ringen der W elt über­ legenen stoischen W eisen noch b ew u ß te r in sich: „Ich habe eine au ß ero rd entliche N eigung zum Stoizism us, d er tatsäc h ­ lich d er echte u n d einzige W eg des G lückes zu sein scheint.“ „Ich lebe ein echtes philosophisches L eben“ (24. Septem ber) — b rich t aus ihm d er w eltverachtende u n d w eltfliehende seelische G ru n d zu g heraus. U nd er zeichnet seine von S tu n ­ de zu S tunde festgestellte T agesordnung auf, in der außer dem S paziergang k au m etw as anderes von den äußeren F reu d en des Lebens P latz findet. D as ist nicht das E insam keit­ suchende ty p isch pessim istische A uflodern des R eifezeitalters, sondern d er grundlegende, P aülers ganzes Leben d u rc h d rin ­ gende Zug seiner seelischen S tru k tu r: bei seiner theoretischen H altu n g m u ß te vor ihm bis an das Ende seines Lebens jede E itelk eit u n d äu ß e re Zierde d er W elt schon von allem A n­ fang a n áöiáqpopovbleiben. Es ist kein Z ufall.daß er bereits als S echzeh n jäh rig er m it großem S chw ung eine A bhandlung ü b er die Askese zu schreiben anfing. D er stoische G edanke, nach dem das G lück n u r ein su b jek tiv er S eelenzustand ist, ü b t a u f ihn in seiner Jugendzeit stets einen Z auber aus: „Ich fühle ganz bestim m t die Ü berspanntheit m eines ganzes N erven­ system s — schreibt er als S eptim aner am A nfang des S ch u l­ jah re s (5. S eptem ber 1892) — w as ich nichts anderem zu ­ schreiben k an n , als d aß ich m ich überanstrengte. Um sonst, das G lück ist doch n u r ein ganz subjektives D in g !“ A ber fü rw a h r w aru m m eldet sich bei ihm von Zeit zu Zeit solch eine nervöse D epression und d üstere G em ütsstim ­ m ung? W ir m üssen staunen ü b er die ernste, u n u n te rb ro ­ chene u n d hochw ertige G edankenarbeit, die d er reifende Jü n g lin g stets leistet. In seinem T agebuch können w ir ihm fa st von T ag zu T ag a u f dem P fa d e seiner L ektüren folgen. Als F ü n fz e h n jä h rig e r v ertie ft er sich schon in Lotzes P sy ­ chologie u n d M etaphysik, in K ants K ritik der reinen Ver­ n u n ft u n d Prolegom ena, in H um es U ntersuchungen und Bacons N ovum O rganum , in S chopenhauers W elt als W ille u n d Vorstellung, in Spinosas E th ik und Aristoteles N ikom achische E th ik (bei letzterem fügt er in seinem T agebuch m it seiner w äh ren d seines ganzen Lebens ihn kennzeichnen­ den Q uellenliebe stolz hinzu: „ungarischer und griechischer T e x t“). Des C artesius O pera bereiten ihm schon je tz t eben.

(9) solche F reu d e als G oethes F aust. Sein T agebuch w ied erh allt fa st von seinen a u fju b e ln d e n R ufen, w enn die Post das W erk eines philosophischen K lassikers bringt. Als ein w ich­ tiges E reignis seines Lebens notiert er im F rü h ja h r 1892: „die zwei Sum m en des Hl. Thom as kam en aus Rom a n “, im H erbst sind ab er aus L eipzig Hegel, S chopenhauer u n d A ris­ toteles an g elan g t („sie riechen ganz u n erträg lich n ach K a r­ bol, d a sie der w ütenden C holera w egen desinfiziert w u r­ d en “). E r ist glücklich als er E piktets E nchiridion u n d das W erk des S extus E m piricus zu H änden bekom m t, die er aus Leipzig bestellt h at. P latons säm tliche W erke erh ält er von sei­ nem V ater als W eihnachtsgeschenk. D ie M etaphysik des Aristoteles, die B ücher D e Anim a, A n aly tica P rio ra und Posteriora, M agna M oralia sind die eindringlich d u rc h stu ­ dierten L ek tü ren des siebzehnjährigen Jünglings. A u f seine Som m erferien nim m t er sich nach B adacsony am P lattensee die Sum m a co n tra G entiles des hl. Thom as mit. Ed. v. H a rt­ m anns G ru n d leg u n g des tran szen d en talen Idealism us, Trendelenburgs Logische U ntersuchungen, Hegels E nzyklopädie liest er ebenso, wie die W erke d er scholastisch gerichteten G u t­ beriet u n d Pesch. Im H erb st 1893 v erm e rk t er m it Z u fried en ­ heit, d aß K ants sämtHche W erke aus Leipzig ankam en. Am A nfang des n ächsten Jahres sind Fichte, H e rb a rt und D io­ genes L aertiu s seine regelm äßige L ektüre. Inzw ischen hegt er stets literarische P läne: er nim m t _ m ehrere philosophische A bhandlungen kürzeren-längeren L m fangs in A ngriff. Sein erster im D ru c k erschienener A u f­ satz w uchs trotzdem nicht im G a rten der Philosophie, son­ d ern in dem der B elletristik. Als F ü n fz e h n jä h rig e r schrieb er in ein literarisches B latt (Fővárosi lapok 7. Ju li 1891) ein F euilleton ü b er H elgoland. D er sp äter viel reisende und au ß ero rd en tlich geistvolle C au seu r P a u le r lä ß t sich bereits in dieser kleinen S chrift restlos erkennen. A ber auch der Philosoph rü h rt sich schon in ihm, als er den F riedhof d er kleinen Insel beschreibt, m it dem die m elancholische L nendlichkeit d er See in ergreifender H arm onie zusam ­ m enklingt. D ie v erw itte rten K reuze im F ried h o f der S ch iff­ brüchigen b etrach tend, bricht aus ihm der auch sp äter so o ft m oralisierende D enker in die W orte aus: „W ieviel U n­ glückliche ru h en doch in diesem kleinen F leck Erde, die zu r See G lück u n d R eichtum zu finden auszogen, und w as.

(10) 8 erhielten sie? E in kleines sandiges G rab m it unbezeichnetem H o lzk reu z/' Von seinem fü n fzeh n ten J a h r an zerbricht er sich u n u n ­ terbrochen den K opf m it neuen und neuen P roblem en und ist b estre b t seine G edanken in A bhandlungen system atisch au szu arb eiten . A uch das ist ein P rü fstein d a fü r, d aß seine L ek tü re n icht spurlos ü b er seine Seele davonhuschte, son­ d ern G egenstand tiefer u n d w a rm er E rlebnisse w urde. Die P roblem e sind ihm nicht von au ß e n au fg ep ro p ft, sondern quellen aus d er T iefe seiner Seele autonom , selbständig h e r­ vor: schon d er ju n g e P a u le r litt an stän d ig en G ed an k en ­ w ehen. An seinen F rag en g rübelt er m it einer die U n b estän ­ digkeit d er R eifezeit v erläugnenden Z ähigkeit, sein fester Wille k en n t keine S chranken, der W i l l e z u r W a h r h e i t sp an n t sich m it beispielloser K ra ft in ihm . N icht vergebens w äh lt er sich am ersten T age des Jahres 1893. als W ahlspruch seines T agebuchs den Satz des Hl. Thom as: P e r v o l u n t a t e m u tim u r om nibus, quae in nobis sunt. D er G egenstand seiner ersten phüosophischen A b h an d ­ lung ist die F reih eit des W illens: „Einige W orte zur F rage des D eterm inism us“ (3. O kt. 1892.). Bald stellt er U n tersu ­ chungen ü b er „D ie W eltan sch au u n g der ,T ragödie des M en­ schen' [von M ad ách]“ an. Es ist überraschend, d a ß d er sech­ zeh n jäh rig e Jü ngling eine längere A b h andlung ü b er „D ie E inheit d er P hilosophie“ in A n g riff nim m t. „D ie Im m ateria­ litä t der Seele“, „D ie Idee d er U nendlichkeit bezüglich der m etaphysischen F orschungen“, „D ie W irk lich k eit des W e­ sens“, „D as ethische G ru n d p rin zip des Theism us“, „D ie er­ ken n tn isth eo retischen G ottesbew eise“ „D er C h a ra k te r des er­ ken n tn isth eo retischen P roblem s“ sind diejenigen F ragen, über w elche er seine G edanken in A bhandlungen zu fassen b e­ streb t ist. Inzw ischen g lau b t der siebzehnjährige Jüngling schon, d a ß er seine T eiluntersuchungen in einem u m fassen ­ d eren syn th etischen W eltbild darzulegen im stande sei; im Som m er 1893 beendigt er in Ischl sein „Philosophie ' betiteltes W e rk ; in diesem sind „die G ru n d p rin zip ie n m einer jetzigen W eltan sch au u n g niedergelegt“. W enn er im G ym nasium ö f­ fentlich a u ftre te n soll, w ä h lt er sich philosophische Them en. Als d er S ep tim aner den A u ftrag erhielt, gelegentlich des Ju b iläu m s des P apstes Leo X III. eine F estrede zu halten,.

(11) 9 b eh andelte er die F rage: „Leo X III. u n d der m oderne Zeit­ geist“ ; d er Jüngling лvürdigt d a rin die B estrebungen des großen P apstes zu r U m gestaltung d er W eltanschauung sei­ n er Zeit. D ab ei fü h lt er die U n abhängigkeit seines Geistes, sein bis ans Ende seines Lebens höchst bezeichnendes seeli­ sches M erkm al, g ek rän k t: seine A rbeit w ird vorher nicht n u r d u rc h seinen L ehrer, sondern auch d u rch den D irek to r zensu­ riert. E r v erm u tet d arin die H and der F reim au rer, die be­ fürch ten , „daß sich das L eo -Ju b iläu m zu einer u ltra m o n ta ­ nen F eier g estalte“ im G ym nasium , das schließlich doch ein katholisches In stitu t ist. „D ie B ezugnahm e a u f den S taat als F ein d der K irche will ich w eglassen“ — b rich t d er heftige Jün g lin g aus, — „ab er ü b er die P ro testan ten sag ich, was m ir gefällt.“ Selbstzufrieden schreibt er sp äter in sein T age­ b u ch: ..D er R eligionslehrer P okorny ta t dem der L ehrstunde beiw ohnenden A bt W isinger E rw äh n u n g von m einem A u f­ satz ü b er Leo X III. und von m einem Interesse fü r die k ath o li­ sche P hilosophie“ (14. M ärz 1893.). Als sein R eligionslehrer ihn gelegentlich erm u n tert: „Sie m üssten sich der Philosophie w id m en “, fügt er im sicheren B ew ußtsein seines schon seit Jah ren in ihm erw ach ten B erufenseins stolz hinzu: „ein etw as zu sp ät gekom m ener R at.“. 2. Von w elcher A rt ist die W eltau ffassu n g des reifenden D enkers? Bis zu seinem siebzehnten Ja h r las er schon fa st alle Kl assiker der Philosophie und verarb eitete m it u n g la u b ­ licher D enkenergie die entgegengesetztesten A uffassungen. Er w ar im stande seine L ektüren zu beherrschen: sein b e­ stim m ter S tan d p u n k t ist die a u f A ristoteles fuß en d e Scho­ lastik. D er beru fen e kleine Philosoph ist in erster R eihe Metap h y sik er. Als er die im Jah re 1892 beginnende philosophi­ sche Z eitschrift der A kadem ie, das „A thenaeum “ in die H ände bekom m t, b rich t er heftig gegen ihren positivistischen G eist aus. „Fs w ill m ir ihre R ichtung — schrieb er in seinem T a ­ gebuch (12. O k to b er 1892) — garnicht gefallen. Sie ist V er­ kli nderin des niedrigsten M aterialism us. D aß m an doch das I n fru c h tb a re der Psychophysiologie nicht einsehen w ill!“ Seine erste größere und reifere A rbeit übersendet er d a ­.

(12) 10 ru m d er scholastisch eingestellten „Philosophischen Zeit­ sc h rift4' (23. Ju n i 1893.) u n te r dem T itel: „K ant-S tudien.“ Als d er S chriftleiter, Johannes Kiss, ihm d a rü b e r berichtet, d a ß er den A ufsatz veröffentlichen werde, schreibt er be­ g lü ck t in sein T agebuch: „D ies w ird also m ein erstes A u ftre­ ten a u f dem G ebiet der w issenschaftlichen L ite ra tu r sein. G ott gebe, d aß ich diese T ätigkeit je länger fortsetzen möge.“ Noch g rö ß er ist seine F reude, als die A bhandlung tatsächlich au ch erschienen ist. Mit dreim al so großen B uchstaben als er es gew öhnlich tat, schreibt er: „H eute früh erschien die .Philo­ sophische Zeitschrift" und d arin gleich an erster Stelle die ,K an t-S tu d ien ', m ein erster literarisch er V ersuch.“ (22. M ärz 1894.) D ie herrschende philosophische S tröm ung seiner Zeit ist der K ritizism us: an dessen sch arfer K ritik versucht d er ju n ­ ge Philosoph seine k ühne K raft. Jene in V erzw eiflung b rin ­ gende L ehre des K ritizism us, d a ß die D inge an sich gänzlich u n e rk en n b ar sind, „hat das D en k en in eine Sackgasse g e fü h rt.“ D er K ritizism us konnte sich in deT von K ant bezeichneten R ichtung g arn ich t entw ickeln. Schon diese U nfähigkeit zu r W eiterentw icklung k a n n V erdacht gegenüber der W ahrheit seiner G ru n d leh ren erw ecken. D ie von K ant bestim m ten K ri­ terien d er apriorischen U rteile bezeichnet er als einen Irrtu m , d en n d arau s, d aß ein U rteil allgem ein und notw endig ist, folgt nicht seine A priorität, folglich gibt es keine ap rio ri­ schen U rteile. K ant, aber auch vorher schon P lato n irrten d a ­ rin. d aß sie die M öglichkeit d er V erallgem einerung eines LTrteils von q u an titativ en , nicht ab er von q u alitativ en F aktoren bestim m t g laubten. M as ab er das K riteriu m der N otw endig­ k eit b etrifft, so geht in der em pirischen O rd n u n g die F rk enntnis d er N otw endigkeit der der A llgem einheit voran, da eben diese E rkenntnis die V erallgem einerung vollzieht. Die apodiktische N otw endigkeit ist näm lich w esentlich nichts anderes, als die in eine im perative Form gefaßte K ausalität. D er jugen d liche D en k er verw echselt hier aber augenscheinlich die r a t i o mi t der c a u s a . H eftig b ek ä m p ft er w eiterhin den G ru n d p feiler des tran sz en d en tale n Idealism us: die L ehre von den sy n th e­ tischen U rteilen apriori. W ie k an n die V ernunft die E rfah ­ ru n g erm öglichen, wie k an n die V ernunft der G ru n d un>erer.

(13) Il W elt sein, d a sich doch die Sache eben um gekehrt v e r h ä lt? W enn die apriorische F orm von solcher B eschaffenheit ist, d aß w ir sie nicht verm eiden können, d an n ist die B ehaup­ tu n g ganz u n h altb ar, d aß in unser B ew ußtsein diese F orm doch n u r d an n ein tritt, w enn die G egenstände uns bereits gegeben sind. Mit an deren W orten: die apriorischen Form en sind en tw ed er ap rio ri und d an n angeboren, und somit sind w ir bei dem D escartes-L eibniz’schen P räform ationalism us angelangt, d er d u rch K ant, der die A b su rd ität jed w ed er Form der angeborenen Ideen einsah, ganz entschieden abge­ leh n t w urde. — oder aber sind sie aposteriori, und d an n fällt d er ganze tran szen d entale Idealism us zusam m en. E inen M it­ telw eg g ibt es nicht. Am originellsten u n d w ertvollsten ist der den tran sz en ­ d en talen Schem atism us kritisieren d e Teil dieser K a n t-S tu ­ dien, in dem die T hom as-S tudien des jungen D enkers w irk ­ sam zur G eltung kom m en. K ant selbst bezeichnet den dies­ bezüglichen Teil seines H au p tw erk es als trocken und lang­ w eilig; P au ler fin d et ihn höchst interessant, w eil in diesem Problem das ganze M ysterium des S u b je k t-O b jek t-V e rh ält­ nisses in b eg riffen ist: wie geht die V ern u n ft in die E rfa h ­ ru n g ü b er? wie die Theorie in das Sein? D as verm ittelnde Glied m uß ebenso v ern u n ftg em äß als sinnlich sein. Ein sol­ ches Schem a ist nach K ant die Zeitbestim m ung, denn n u r die Zeit u m faß t jegliches Sein, sei es v e rn u n fta rtig oder sinn­ lich. K ant löst ab er dam it keinesw egs das Problem , sondern um geht es nur. D enn w enn das Schem a den Ü bergang bil­ det, so lau tet das Problem : wie gelangt die E rfa h ru n g u n ter dieses Schem a? W eit richtiger h ält der ju n g e D enker das V er­ fa h ren der S cholastiker „die eine w irkliche, spezielle F u n k ­ tion { i n t e l l e c t u s a g e n s ) annahm en, die das in der S innlichkeit (E rfahrung) gegebene Sein v ern u n ftg em äß um gestaltet.1' D er jugendliche, scholastisch gerichtete D e n k er stellt triu m p h ieren d fest, d aß „die so oft verspöttelte L ehre der älteren Philosophie ü b er den intellectus agens, die auch h eu tzutage nicht selten m iß v erstan d en w ird, zu r Lösung des Problem s der E rk en n tn is notw endig ist. U nd w enn die Scho­ lastik er den intellectus agens als die u n m ittelb are Folge des n ich t-geschaffenen (göttlichen) Lichtes betrachteten, so w oll­ ten sie d am it zum A usdruck bringen, d aß d ad u rch das ge-.

(14) 12 g en w ärtige V erhältnis zw ischen S u b je k t u n d O b jek t, also unsere W elt, die die W iederspiegelung der in der göttlichen Л ern u n ft ex istierenden Ideen ist, m öglich ist.“ Ü berraschend scharfsinnig zergliedert P a u le r auch die L ehre K ants ü b er die N a tu r der m athem atischen E rkenntnis. D as, w as K an t apriorische A nschauung nannte, — m eint er — ist recht eigentlich eine aposteriorische Intuition, doch au ch von d a aus ist die A bstraktion m öglich, d a die V erall­ gem einerung, w ie d er hl. Thom as lehrt, nichts anderes ist, als die H erau sh eb u n g der F orm ü b er die Einzelerscheinung a u f G ru n d v ern ü n ftig e r Zwecke, d. h. der Evidenz. Die R aum - u n d Z eitanschauung m uß also nicht ap rio ri sein, denn das form ale U rteil ist auch im Einzelnen allgem ein. D as m a­ them atische W issen ist ein R esultat d er A bstraktion von aposterio ri A nschauungen. D. h. die M athem atik fordert noch n ich t die A uslegung d er W elt aus dem S ubjekt. D ie Q uelle d e r m athem atischen E rk en n tn is k an n auch im O b jek t blei­ ben. In diesen K an t-S tu d ien ist die ganze philosophische See­ le n stru k tu r unseres großen D enkers, jed er g ru n d b estim ­ m ende form elle Zug seiner theoretischen H altu n g in bereits en tw ick elter W eise a u fzu fin d en : die k ristallrein e Logik, die sch arfe u n d subtile dialektische N eigung, das A nfassen der P roblem e von allen Seiten, die überlegen a u fb a u e n d e sp ek u ­ lativ e K ra ft der V ernunft, die a u f den G egenstand bezügli­ che u m fangreiche und gTÜndliche K enntnis. E r ist schon zu dieser Zeit a u f dem G ebiete des D enkens ein Jü n g er des P lein airism u s: seine bezeichnendste E igenschaft ist die K la r­ heit. E r d en k t nicht in geistigen A rabesken, sondern stets in d er logischen Folge d er System atik. Seine G elehrsam keit ist b ereits v erb lü ffen d : sein K opf ist eine ganze B ibliothek, in de­ re n F äch ern sachlich genau geordnet jedes Buch seinen P latz h at. D ie h eftig angTeifende A rt u n d der geistvoll ätzende S arkasm us ist bei ihm n ich t d er A usbruch der die R eifezeit k ennzeichnenden h y p erk ritisc h en Neigung, sondern ein aus seinem W esen auch sp äter stets h ervorragender G rundzug, d er aus der restlosen H ingabe seines D enkens, aus der sch w ärm en d en Liebe zu seinem G egenstände u n d aus der fast dogm atischen K ra ft seiner Ü berzeugung hervorsproß. D en von ihm sp äter so sehr v erehrten und m it ihm in m an-.

(15) í> cher H insicht w a h lv erw an d ten Hegel nennt er diesm al noch oberflächlich, da er „sich von dem D ru c k des K ritizism us befreien wollte, d er trotz seinen Irru n g en w enigstens eine ehrliche Philosophie w ar, nicht ab er eine Menge solcher, die V ern u n ft ins G esicht schlagender A bsurditäten, wie z. B. d aß das Sein aequale dem N icht-Sein. Seltsam , d aß ihn m an ­ che noch bis zum heutigen Tag als den s u m m u s p h i l o ­ s o p h u s b etrach ten .“ A ber fü r seinen entschiedensten F eind h ä lt der ju g e n d ­ liche A dept der Philosophie den P o s i t i v i s m u s , d er z u r W iderlegung des D ogm atism us selbst einen D ogm atism us betreibt. „So ü b t der Positivisimus u n serer Tage w ahrlich eine schw ache erk en ntnistheoretische K ritik aus, seine V e rk ü n d er w enden sich, w enn sie die G renzen der E rkenntnis bestim m en, einfach einem T y rannism us hin, dennoch scheuen sie sich nicht, sich zu den höchsten m etaphysischen P roblem en k a ­ tegorisch zu äu ß ern , und ihre V erw egenheit ist um so u n b e­ grenzter, je m ehr sie ,der G renzen u nserer E rk e n n tn is4 w egen den B escheidenen spielen.“ D er ju n g e M etaphysiker erb lick t im P ositivisten seinen persönlichen Feind. Als dem S eptim aner der Philosophie-L ehrer des G ym nasium s, der Positivist L adislaus Lechner, das M anuskript der K antS tudien zu rückgibt, schreibt ih r V erfasser d a rü b e r folgende W orte in sein T agebuch: „L echner lobt sie sehr, b eh a u p te t aber, d aß i c h n o c h d i e R i c h t u n g d e s P o s i t i ­ v i s m u s n e h m e n w e r d e . W o ich doch eben das E n t­ gegengesetzte beabsichtigte. Jetzt, d a ich m it K an t ab rech ­ nete, s t e h t m i r d e r W e g z u r M e t a p h y s i k o f ­ fen, d i e zu p f l e g e n u n d d e r e n R e c h t e zu v e r t e i d i g e n d a s Z i e l m e i n e s L e b e n s i s t.“ (23. Ju n i 1893.) Sein L eh rer h a tte R echt behalten: er w u rd e einer u n ­ serer h eftigsten Positivisten. A ber auch unser Philosoph hielt sein V ersprechen d er Jugendzeit: die letzten zwei D ezennien seines Lebens w idm ete er hau p tsäch lich d er V erteidigung der R echte der M etaphysik u n d ih rer R echtfertigung: er e r­ rich tete einen d er m ächtigen D om e d er M etaphysik. So schließen sich der B e g i n n u n d der A u s g a n g zu einer inneren H arm onie zusam m en..

(16) 14 3. K aum d a ß P aniers K ant-S tudien erschienen, nim m t sein stets bew eglicher G eist schon eine neue A rbeit in A ngriff: er beg in n t m it d er N iederschrift einer A bhandlung „Ü ber die M ethode der M etaphysik.” Am nächsten T ag ist sein ac h t­ zeh n ter G eb u rtstag (9. A pril 1894.) N ach einem M onat beeilt er sich bereits sie zu beendigen, da seine P rü fu n g e n in der Л III. Klasse des G ym nasium s begonnen haben. Die A b h a n d ­ lung läß t er E m erich P au er zukom m en. „Ich übergab heute m eine A b h an d lu n g dem .A thenaeum 4. O ffe n gestanden h o ffe ich nicht, d aß sie v erö ffen tlich t w ird, da die Z eitschrift eine ganz entgegengesetzte R ichtung v ertritt. N un, w ir w er­ den ja sehen. Ich sandte sie eben darum hin, w eil sie dort von ganz an d eren K reisen gelesen w ird, als in d er P h ilo ­ sophischen Z eitschrift'. U nd diesen ist ein antipositivisti­ scher B eitrag eben sehr heilsam . Ich w ill aber desw egen auch m it der P h ilo so p h isch en Z eitschrift' nicht brechen.“ Bald d a ra u f m erkt er m it F reu d e an. d aß sein V ater von P a u e r die Z usicherung erhielt, d aß d er A ufsatz im nächsten Jahre erscheinen w erde. Doch seine erste V erm utung täuschte ihn nicht: dieses äu ß e rst w ertvolle D okum ent seiner geisti­ g en E ntw icklung, das die Keime der am Ende seines Lebens v erfaß ten M etaphysik bereits enthält, fand ich vor einigen Jah ren im N ach laß Em erich P auers. D er ju g endliche M etaphysiker k an n du rch die K antsche E rk enntnistheorie, die in der S phäre d er E m pirie die G renzen des W issens genau abetecken will, keinesw egs b e­ fried ig t w erden. E r greift sogleich zu r W urzelfrage: da der Positivism us die M öglichkeit d er M etaphysik vom G esichts­ p u n k t der M ethode aus bek äm p ft, stellt er also U n tersu ­ chungen ü b er die M ethode d er M etaphysik an. „ \\ enn die M etaphysik die A ngriffe des so strengen K ritizism us ü b e r­ leben konnte, so w ird sie sicherlich auch diejenigen Irru n ­ gen. die die positivistischen aposteriori E inw endungen e n t­ halten, au fzu d eck en im stande sein." Als negativen A usgangspunkt unterlegt er seiner K ritik die positivistische F assung d er W ahrheit, nach der das W esen der W ah rh eit d arin besteht, d aß die O rd n u n g der V orstellungen d er O rd n u n g d er E rscheinungen entspricht,.

(17) 15 d a ß die B ew egung des D enkens derjenigen d er D inge folgt. D as Ziel der W issenschaft k an n nach dem Positivism us nie­ m als die E rk en n tn is des W esens der Dinge, sondern bloß ih rer em pirischen R elation sein. D ie M etaphysik w ill ab e r das erstere, also etw as Unm ögliches erreichen. P au ler ist b e­ streb t darzulegen, d a ß die W ahrheits-D efinition der Positivisten. sta tt zu bew eisen, d aß w ir bloß R elationen, nicht aber W esenheiten erk en n en können, das letztere eher schon vor­ aussetzt. Die A lten haben R echt: w a h r ist d er Satz, d er sei­ nem G egenstände entspricht. E in solches E rk en n en k a n n aber nicht bloß a u f die G egenstände der positiven W issen­ sch aften bezogen w erden. Es gibt auch eine A rt der E rk e n n t­ nis. ..die das u n m ittelb a r Gegebene notw endigerw eise ü b e r­ schreitet u n d a u f der G ru n d lag e der E rfah ru n g , nicht aber ganz a u s i h r , das System der M etaphysik a u fb a u t.“ W enn w ir d a ra n zw eifeln, d aß der B egriff seinem G egen­ stände e n t s p r e c h e n k a n n , obgleich beide w esentlich auch verschieden sind (der eine ist G edankeninhalt, der a n ­ dere sinnliche W irklichkeit), d an n ziehen w ir d am it auch die o b jek tiv e G eltung der E rkenntnis in Zweifel. D a n n ist ab er auch „das E n tsprechen der G edankenbew egung ihrem G egenstände“ unm öglich, denn auch die positivistische W a h r­ heits-D efinition „e n tsp ric h t“, n u r ist statt der W e s e n h e i t des G egenstandes dessen B e w e g u n g (seine R elationen) a n ­ genommen. A uch die B ewegung des G egenstandes u n te r­ scheidet sich w esentlich von der begrifflichen B ew egung des S ubjektes. Die E rk enntnis k an n also nicht ausschließlich a u f die em pirischen R elationen der G egenstände b eschränkt w er­ den. \ ollzicht sich ab er das Ü berschreiten der E rfah ru n g , d. h. die m etaphysische E rkenntnis nicht wohl nach rein su b ­ jek tiv er M ethode? D er V erfasser w ill bew eisen, d aß auch die M etaphysik m it o b jek tiv er M ethode arbeitet, folglich w issenschaftliche B erechtigung besitzt. W orin besteht der Beweis der m etaphysischen Sätze? D arin, „daß die m e ta p h y ­ sischen F olgerungen vom B egriff des G e g e b e n e n au s­ gehen“ und etw as postulieren, o h n e d a s d e r G e ­ genstand undenkbar i s t . „Je n e m etaphysischen Postulate, die a u f diese W eise gew onnen w erden, sind eben­ so gew iß, wie der sinnlich zugängliche G egenstand, die E r­.

(18) 16 fa h ru n g selbst. D en n in diesem F alle ist ohne das b e tre ffe n ­ de m etaphysische P rin zip auch das S e i n des em pirischen G egenstandes u n d e n k b a r; ebenso u n d e n k b a r ist ohne dieses P rin zip ab er auch das B ew ußtw erden des G egenstandes, die S innesw ahrnehm ung. W enn w ir z. B. finden, d a ß d er Be­ g riff d er N a tu r ohne gewisse ontologische P rizip ien u n ­ d en k b a r ist, d an n ist es nich t m ehr möglich, d aß ich die N a­ tu r ohne ihre m etaphysischen P ostulate denke. U nd in diesem F alle sind diese P o stu late schon eo ipso bew iesen, denn ich h ab e m ich davon überzeugt, d a ß d er B egriff des G e­ gebenen das b etreffen d e ontologische P rin zip tatsächlich postuliert. U nd n u n ist das ontologische P rin zip n ich t bloß V oraussetzung, sondern W a h r h e i t . W enn die M etaphy­ sik einen Satz soweit bew eisen kan n , d an n ist sie nicht m ehr fern von der m athem atischen Evidenz. Es ist bek an n t, d aß die N otw endigkeit der letzteren d arin besteht, d aß sie so­ gleich a u f die A nschauung, aus d er sie entstand, zu rü ck g e­ fü h rt w erden k ann. W enn es also von einem m etaphysischen G egenstände (Postulate) gelungen ist nachzuw eisen, d aß er durch das Gegebene postuliert ist und g l e i c h s a m i n d i e s e m s t e c k t , d an n b ringen w ir d a ­ d u rch die u n an schauliche M etaphysik m it der A nschauung in V erbindung u n d die E xistenz der letzteren m acht auch die E xistenz d er ersteren notw endig. Freilich gibt es hier doch eine gewisse V erschiedenheit, denn die M athem atik bleibt im m er anschaulich und folglich ist die R e d u k t i o n hier nicht die V erbindung zw eier D inge heterogenen C h a ra k ­ ters, wie bei der m etaphysischen R e d u k t i o n , w o d e r B e w e i s in d e r B e g r ü n d u n g d e r noi w e n d i ­ gen V e rb in d u n g des U n a n s c h a u l i c h e n mit dem A n sc h a u lic h e n besteht.“ W as ist das, w enn nich t die G e b u rtsstä tte d er philoso­ phischen M ethode, d er R eduktion, des späteren P au ler? ,.D as V erfah ren d er philosophischen Forschung — sagt er ein V ier­ te lja h rh u n d e rt später, als d er G edankenkeim des Ju g e n d ­ zeitalters sich vollständig en tfa lte te — besteht in jedem Falle d arin, d aß w ir aus gew issen em pirischen G egebenheiten a u f jen en Satz, bezw. jene P rin zip ien zurückschliessen, deren G ültig k eit diese G egebenbeiten voraussetzen.“ (Eml. §. 15.) „So gelangen w ir m it A ristoteles zu d er p a rad o x en F eststei-.

(19) 17 hing, d aß von säm tlichen w issenschaftlichen Sätzen die p h i­ losophischen Sätze die höchste E videnz haben, falls es näm ­ lich gelingt, sie en tsprechend zu form ulieren.“ (§. 16.) Die m ethodische P honetik d er Stim m e des M annes P auler ist ganz dieselbe, wie die des reifenden P au lers: n u r der term i­ nologisch 2 K lang des letzteren ist noch nicht rein. E r spricht zw ar schon von R eduktion, ab er s ta tt vom autonom en Satz noch vom P ostulat. \\ ie stark w ird beim jugendlichen M etaphysiker die G e­ w ißheit d er die E rfa h ru n g überschreitenden E rk en n tn is um ­ w allt! F ast zu Berge h ä u ft er die Beweise pro-und-contra. Ja, er b etra ch tet es beinahe als E hrenbeleidigung, w enn der Po­ sitivist so verw egen ist, von einem m etaphysischen Satz zu b eh au p ten , d aß er n u r H ypothese sei! „D ie n atu rw isse n ­ schaftliche H ypothese ist n u r provisorisch — heißt es — der m etaphysische Satz nie. D er Philosoph soll den m etap h y si­ schen Satz im B ew ußtsein aussprechen, d aß er nicht bloße H ypothese, sondern die K e n n t n i s ist, die w ir uns von dem g e g e b e n e n G egenstände erw arben. Die H ypothese w ird eben d ad u rch ungew iß, d aß es auch andere Sätze als die b e­ treffen d e H ypothese geben k an n . .. Beim m etaphysischen Satz hingegen v erschw indet jen er F aktor, d er die U ngew ißheit des P ostulats v erursachte, d aß es näm lich du rch ein anderes ersetzb ar ist, denn w enn d er G egenstand einm al au fg e­ fa ß t w urde, d an n k a n n nach dem eisernen Gesetz d er Logik n u r jen er eine Satz darau s folgen und w enn auch tausend Jah re vergingen und die E rfah ru n g sw issen sch aft noch so große F o rtsch ritte m achte, das P ostulat k an n n u r das eine sein, und kein a n d e re s . .. N ach ob jek tiv er M ethode w ird die Re­ du k tio n des m etaphysischen Satzes vollzogen, w enn n ach ­ gew iesen w ird, d aß der B egriff des gegebenen G egenstandes den m etaphysischen B egriff tatsächlich postuliert, d. h. d aß der letztere im ersteren als dessen M erkm al inbegriffen ist.“ Die jugendliche idealistische Seele, die nach einem ein­ heitlichen Bild der W elt dürstet, h ält jenen negativen S ta n d ­ p u n k t des Positivisten, der sich n ich t über die rohe E rfa h ­ rung erheben k an n und die M öglichkeit und B erechtigung d er M etaphysik ablehnt, fü r w üst und trostlos. „D er A gnosti­ zism us — stellt d er jugendliche Philosoph m it innerer T rau rig k eit fest, — em pfindet wohl den großen Verlust, der Gedenkschrift für Ákos von Pauler. 2.

(20) 18 d u rch die ’S erach tu n g des m etaphysischen W issens sowohl unser intellektuelles als m oralisches Leben traf, da es in b ei­ den die H arm onie, — oder w as noch von größerem Übel ist — d ie H o f f n u n g a u f d i e M ö g l i c h k e i t d e r Ha r n i o n i e ersch ü tterte . . . O hne M etaphysik bleibt das W issen ein H au s ohne D ach, in dem m an viel Schönheit vorfinden kann, ab er d a rin zu w ohnen verm ag niem and." D as G ebäude der M etaphysik ist kein L uftschloß, das n u r die P hantasie, nach H erzenslust gestaltet. Es ist ein ebenso solider Bau. wie jener, den die N a tu rw isse n sc h a fta u f der G ru n d lag e der sinnlichen E rfa h ru n g errichtet. Beide h a ­ ben ihren eigenartigen B austil, ihre besonderen berechtigten M ethoden. „G leichw ie der Beweis eines n atu rw isse n sch aft­ lichen Satzes, w enn w ir ihn d u rch eine Reihe sinnlicher E r­ fa h ru n g en dem onstrieren, kein Beweis i d e m p e r i d e m ist, ebenso w ird auch die m etaphysische D em onstration kein i d e m p e r i d e m , w enn w ir sie a u f der ihr entsprechen­ den logischen W eise führen, d. h. du rch R eduktion, w odurch d er Satz m it einem hom ogenen Elem ent bew iesen w ird. M an d a rf also von der M etaphysik anderes als einen solchen lo­ gischen Beweis nicht w ünschen, ebenso w ie es auch unm ög­ lich ist von einem natu rw issen sch aftlich en Satz einen Beweis zu fordern, d er nicht a u f sinnlicher G rundlage b e r u h t . . . Beim m etaphysischen Schluß treten w ir aus der S phäre der Zeit, der davonhuschenden sinnlichen E indrücke herau s und erheben uns in Regionen, deren G egenstand ew ig u n d u n b e ­ w eglich ist, da sie ihren G ru n d in der W asheit, in der W esen­ heit der Geigenstände der W elt haben. H ier k a n n d er rich ­ tig ab g efaß te S chluß nicht trügen, w eil sein G ru n d in e t­ w as K onstantem , in der W asheit der gegebenen W elt liegt, die sich nicht ändert, die nicht in der Zeit ist u n d somit eine sichere G ru n d lage zu jenem re d u k tiv en Beweis, der e r­ b ra ch t w erden soll, b ildet.“4 4. Als P a u le r seine A bhandlung über die M ethode der Me­ ta p h y sik im Mai 1894 beendigt, steht er vor seinem A b itu ­ rientenexam en. D ie A u fsch rift seines Tagebuches im Monat Ju n i lau tet: „M onat der M atura." Sonst w ählt er seine W ahl-.

(21) 19 Sprüche h au p tsäch lich von den Stoikern, von Seneca und E p ik tet: jetzt, in sch erzh after A nspielung a u f den b lin ­ den Z ufall des E xam ens, neigt er zum W ahlspruch Z rinyi’s: Sors bona, nihil aliud. Zugleich fü h lt er ab er auch, d aß die sonnige W elt des Kindes- und Ju gendalters vorbei ist, denn seinen an d eren W ah lspruch zitiert er aus H eine: Vorbei sind die Kinderspiele Und alles rollt vorbei: Das Geld, die Welt, die Zeiten Und Glaube und Liebe und Treu.. Seine philosophische N eigung kom m t auch bei der W ahl des schriftlichen A ufsatzes aus der ungarischen S prache zum V orschein: von den drei gegebenen Them en b earb eitet er fias Folgende: „F estrede zu r 100. Jah rfeier des G eburtstages des R om andichters B aron Jósika.4' D ie in seinem T agebuch aufgezeichnete Skizze des A ufsatzes v e rrä t den Philoso­ phen: „D ie B erechtigung des m oralischen Tendenzrom ans. Die Elem ente der W eltanschauung Jósika s. D ie m oralischen Ideen des 19. Jah rh u n d erts. Die persönlichen D ispositionen Jósika ’s." In den freien Tagen zw ischen den schriftlichen E x am en beginnt er die Ü bersetzung des A ristotelischen Buches Über die Seele aus dem G riechischen ins ETngarische. A uch ü b er sein m ündliches E xam en berichtet er sehr au s­ führlich. D er E rfolg: p raem atu ru s. Seine F reu d e d au e rt aber n ich t lange. Im Som m er verliert er seine M utter: sein Schm erz ist grenzenlos. „ Ih r sollt nicht sagen — schreibt er — d aß n u r die Bösen den Ihrigen Schm erz verursachen. D er gute M ensch, w enn er stirbt, v eru rsach t seinen Lieben tau sen d ­ mal größeren Schm erz, als d er Böse w äh ren d seines ganzen Lebens verm ag.“ Und in d er N achfolge d er von ihm zum Id eal erw äh lten Stoiker, sucht er die c o n s o l a t i o a n i ­ m a e aus den Q uellen der Philosophie zu schöpfen: „Ich su­ che Trost in der Philosophie, die gleich der Religion, uns aus dem irdischen D asein erhebend der E w igkeit n äh e rb rin g t.“ Die U niversität, an deren philosophischer F a k u ltä t er die V orlesungen ü b er Philosophie und klassische Philologie b e­ sucht, k an n ihn nicht befriedigen. Er arb eitet über ein P reis­ ausschreiben der U ngarischen A kadem ie der W issenschaften: ..K ritische G eschichte der E rkenntnistheorie bis a u f unsere Zeit.4' Im d ritten Sem ester seines U n iversitätsstudium s b e­.

(22) 20 endet er die A rbeit .D en Preis verlieh ihm die A kadem ie nicht, sie w ü rd ig te sie jedoch m it „unbedingtem Lob.“ „A uf der U n iv ersität — schreibt d arü b er der B ew erber in sein Tagebuch (7. Mai 1897.) — erhob sich P rof. Em erich P a u e r am S chluß seiner Vorlesung m it den W orten, d aß er die A u fm erk ­ sam keit d er H ö rersch aft a u f jen e A uszeichnung lenken m öchte, die einen ih rer Genossen traf. Eine philosophische A rbeit Ákos v. P aulers h a t die A kadem ie ihres Lobes g ew ü r­ digt, usw. H o chrufe.“ E r liest die K ritik ßerh. A lexanders und K arl Böhms. „Es findet sich viel lehrreiches d a rin — bem erkt er, — ab er an m anchen Stellen h aben sie m einen S ta n d p u n k t m iß v erstan d en .“ In seiner Seele ging im m er m ehr eine innere V erschie­ bung, eine m olekulare Ä nderung vor. D a n n än d erte sich seine W eltan schauung vom G rund aus: aus dem eifrigen M etap h y sik er w u rd e ein Positivist: die Stelle des hl. Tho­ m as n ah m in seiner Seele C om te ein; er versucht seine j u ­ gendlich kritisierende S chärfe nicht m ehr am K ritizism us Kants, sondern ist bestrebt den Positivism us d am it in h in ­ klang zu bringen. E r v ertieft sich in das S tudium Com tes und Taines, Spencers und Mills, G u y a u s und W undts. Vom S ch rift­ leiter der p h ilo so p h isch en Z eitschrift1 erh ält er 1895 eine Zu­ sch rift m it der A ufforderung, die ersten zehn Jah rg än g e d ie­ ser Z eitschrift in d er .B udapesti Szem le1 (B udapester R u n d ­ schau) zu besprechen; Johannes Kiss m öchte ihm auch d a ­ durch eine E hre erw eisen, d aß er ihn zum ordentlichen M itglied der Hl. T hom as-G esellschaft w ählen lassen will. D ie A nt­ w ort P au lers d eu tet schon die neue W endung seiner W eltan ­ sch au u n g an: „Ich schrieb ihm, d aß ich kein A nhänger d er thom istica philosophia b in u n d so die doppelte E hrung zu m einem g rößten B edauern nicht annehm en k a n n .“ B ereits im Jah re 1897 ist er ein eifriger M itarbeiter der frü h e r wegen ihres positivistischen Geistes durch ihn v erachteten Z eitschrift ,Athenaeum*. Jetzt b ek ä m p ft er m it dem gleichen E ifer die B erechtigung der M etaphysik, w ie frü h e r die P hilosophie K ants u n d Com tes. „M an b ra u ch t sich nicht — so sch reib t er in seiner A bhandlung ü b er ,Die psychologischen G ru n d ­ lagen der E rk en n tn isth eo rie1 — in die T iefen des K ritizism us zu versenken, um die W ah rh eit einzusehen, d a ß von W is­ sen sch aft n u r in n erh alb d er G renzen der E rfah ru n g R ede.

(23) 21 sein kann. W enn w ir näm lich die psychologische E ntstehung und die Elem ente je n e r V orstellungen, die den Kreis der m ög­ lichen E rfa h ru n g angeblich überschreiten und eine überem ­ pirische W irk lich k eit in unser B ew ußtsein bringen sollen, untersuchen, so stellt es sich heraus, d aß sie nichts anderes sind als aus den E rfah ru n g statsac h en k ritik lo s gebildete m y ­ thologische V orstellungen, die n u r in neuer, naiv er Synthese jen e Elem ente, die aus der E rfa h ru n g geschöpft w urden, d a r­ bieten. Solcherw eise denken w ir etw as in die W irklichkeit bloß hinein, em pfangen aber nichts von ihr. Alle V orstel­ lungen, die sich des U berem pirischen anm aßen, und die von d e r dogm atischen S pekulation erzeugt w u rd e n u n d auch im m er w ieder erzeugt w erden, bleiben trotz aller A nstren­ gung der Theologen und M etaphysiker, d u rch A b strak tio ­ nen u n d leere Zergliederungen in sie so etw as hin ein zu ­ bringen. was w a h rh a ft aus dem Kreis d er E rfa h ru n g sta tsa ­ chen h erau srag t, doch n u r in ultim a analysi idealisierte em ­ pirische V orstellungen.“ D rei Jah re vorher erblickte er die M ethode der philoso­ phischen E rk en n tn is in der spekulativen R eduktion: je tz t d eg rad iert er sie auch zum em pirischen V erfahren der posi­ tiven W issenschaften: „N achdem die Philosophie nichts a n ­ deres als der In b e g riff jen er positiven W issenschaften ist, d ie sich a u f die E rk läru n g d e r W irklichkeit a l s s o l c h e r , mit einem W ort a u f die V ereinheitlichung der w issenschaft­ lichen Ergebnisse, m it dem Zwecke d er E rlan g u n g eines ein­ h eitlichen W eltbildes beziehen, so ist es k lar, d a ß den K ern, gleichsam die G ru ndlage d er philosophischen B estrebungen die E r k e n n t n i s t h e o r i e bilden m u ß .. . D ie F o rd e ru n ­ gen des M etaphysikers helfen hier g am icht, d er p arad o x e S atz m u ß a n e rk an n t w erden, d aß die E r k e n n t n i s t h e o ­ rie selbst auch eine em p irisch e Wissen­ s c h a f t sei, da sie die B ew ußtseinsprozesse, die w ir E rk e n n t­ nis nennen, in A n b etrach t jen er allgem einen V oraussetzun­ gen. u n ter denen sie entstehen, a n a ly sie rt.“ Nach dem großen seelischen G estaltw andel ist in den A ugen des ju n g en P a u le r nicht m ehr die M etaphysik die grundlegende philosophische W issenschaft, sondern die E r­ k en n tn isth eo rie und auch diese n u r in ih rer die seelischen Prozesse als T a t s a c h e n u ntersuchenden Form . G ew altig.

(24) 22 sp a n n t sich in seiner Seele d er stolze G lau b e an die erlösen­ de K ra ft d er V ernunft, der W issenschaft: heftig v erfic h t er das R echt u n d die W ürde der autonom en V ernunft, d ie ab e r ih rer G renzen b ew u ß t ist. „W enn w ir die m enschliche V ern u n ft — h eiß t es — d aru m unvollkom m en nennen, w eil sie die m ythologischen A nforderungen des undiszipliniert d en kenden u n d unw issenden M enschen [des M etaphysikers] nicht rech tfertig t, so w ü rd e dem entsprechen, d aß w ir das M asser unvollkom m en nennen, w eil m an d am it kein F e u e r an ziinden kann. Vom .B ankerott der W issenschaft' zu spre­ chen n u r darum , w eil die W issenschaft keine A lchym ie und M ythologie ist, — ist m indestens ein naives V erfahren. W ir m üssen unsere A nsprüche der N a tu r der V ern u n ft a n p a s­ sen, n ich t ab er die V ern u n ft nach unseren dogm atischen A n­ sp rü ch en ab w ägen und schätzen . . . In W irklichkeit h ä tte n w ir n u r d an n ein R echt über die U nvollkom m enheit d e r m enschlichen V ernunft zu klagen, w enn auch die M etap h y ­ sik als ernste W issenschaft b etra ch tet w erden könnte; denn d u rch d i e s e W issenschaft m achte doch unser W issen seit Jah rta u sen d en ü b e rh a u p t keine F ortschritte, ebensow enig als d u rc h die A lchym ie. D ie V e rn u n ft verlor dadurch, d aß sie a u f das m etaphysische ,W issen1 verzichtete, w eder von ih rer W ürde, noch von ih re r M acht“ (A thenaeum , 1897. S. 350., 547.). D er zum P ositivisten um gew andelte ju n g e Philo­ soph d u rch fo rsch t je tz t m it d er frischen S c h w u n g k ra ft des N eophyten das ganze G ebiet der Philosophie, um noch die letzten Ü berreste d er M etaphysik aus ih r auszurotten. G leicherm aßen auch aus d er Ä sthetik. In einem A ufsatz (Die B edeutung des biologischen P rinzips in der Ä sthetik. A the­ n aeum 1898.) sucht er m it sch a rfer D ialek tik nachzuw eisen, d a ß die ästhetischen Phänom ene nichts anderes als w irk lich e Lebensprozesse sind, so wie alle B ew ußtseinsprozesse bloß Lebensprozesse sind: B ew ußtsein u n d Leben können ja n u r als die verschiedenen B ezeichnungen desselben in A\ irklichk eit einheitlichen u n d u n teilb are n E rfah ru n g sin h altes be­ tra c h te t w erden. D as ästhetische E rlebnis ist n u r ein M oment d er allgem einen Ökonom ie des Lebens. D ie b ah n b rechende G röße K ants in d er Ä sth etik besteht n ach P a u le r im positivi­ stischen K ern seiner A u ffassung d. h. in der Lehre von d e r.

(25) S u b je k tiv ität des Schönen: das Schöne ist in ob jek tiv er Weise, in seiner absoluten W esenheit u n a u sd rü c k b a r, w ir erkennen es n u r in seiner su b jek tiv en W irkung, die es a u f uns ausiibt. In der Ä sthetik k an n deshalb bloß der rein psychologische S ta n d p u n k t B erechtigung hab en : eine m etaphysische, tra n s ­ zendente Ä sthetik ist ein gänzlich unsinniges und u n fru c h t­ bare'. B estreben. Ebenso will er aber die M etaphysik auch vom G ebiet der -Naturphilosophie ausschalten in seiner D issertation (Über B eg riff und A ufgaben der N aturphilosophie 1898.) „Solange die Philosophie — m eint er — als M etaphysik dem In h a lt der E rfah ru n g tatsäch lich etw as zusetzen wollte, v erhinderte sie n u r den F o rtsch ritt der echten W issenschaft; die N a tu rw is­ senschaft, ab er auch die m oralischen W issenschaften sind d u rch ihre E m an zipation großgew orden. Sie w u rd e n m äch­ tig, seitdem sie das P rinzip b ew u ß t oder unb ew u ß t, ab e r ta t­ sächlich anw enden, d aß eine T atsache n u r du rch eine ein­ fachere T atsache, ein P hänom on n u r du rch ein anderes P h än o ­ men, n ich t ab er durch a b stra k te E n titä ten e rk lä rt w erden kann. Mit einem W ort: seitdem sie nach E rk en n tn is d er G e ­ s e t z e n ich t al>er n ach E rkenntnis m etaphysischer W e s e n ­ h e i t e n b estreb t i s t . . . N atu rw issen sch aft und Theologie, E rfah ru n g u n d M etaphysik sind im letzten G ru n d e u n v e r­ einbare B egriffe, d a die ersteren m it Gesetzen, die a u f re­ lativen P hänom enen beruhen, die letzteren aber m it E n titä­ ten die E rk läru n g vollziehen.“ ln dieser positivistischen, besonders a u f das biologische P rin zip au fg eb au ten W eltauffassung w urde er d u rch seine an der L eipziger U niversität, d an n ein Ja h r an der P ariser Sorbonne und am Collège de F rance fortgesetzten S tudien n u r noch b estärk t. In Leipzig hörte er besonders W undt (in dessen Psychologischem In stitu t er arbeitete), den P sychiater Flechsig u n d den Physiologen H ering. Seine T ag e b u ch au f­ zeichnungen sind von n u n an physiologischen und psychopaBiologischen K ollegnachschriften ähnlich: sie sind Spiegel­ b ild er der gehörten Vorlesungen. D ie gründliche B eschrei­ bung von zw eiundsechzig psychischen K ran k h eitsb ild ern b e­ w eist die ern sth afte V ertiefung des fleißigen S tudenten in die Psychopathologie. An der Sorbonne h ö rt er zw ar die V orlesun­ gen von F aguet. Buisson, Leroy-B eaulieu, aber am m eisten in ­.

(26) 24 teressieren ihn auch hier die V orlesungen P ierre Jan ets u n d seine D em onstrationen in der Salpétrière. Als er L eipzig verläßt, schreibt er am vorletzten Tage (13. A ugust 1899.) folgendes in sein T agebuch: „W ie rasch dieses J a h r vergangen ist! D och alles vergeht a u f dieser W elt: w elch’ ein facher Satz u n d die m eisten M enschen k ö n ­ nen ihn nicht begreifen: alle diejenigen, die an einen ew igen G lau b en , an U nsterblichkeit, a n ew ige u n d u n v e rä n d e r­ liche F reu n d sc h aft und Liebe g lauben . . . W ir glauben leicht an das, w as w ir lieben, ab er schw er an das, w ovor w ir Angst h aben." D as ist die glaubenslose, m elancholische Stim m e der positivistischen W eltauffassung. D er in tief religiösem G ei­ ste erzogene, fü r die scholastische M etaphysik w arm be­ geisterte Jü n g lin g ist zu einem n u r m ehr die eiserne K ette d er k au salen N otw endigkeit u n d G esetzm äßigkeit tragenden, alles ü b e rn a tü rlic h Ideelle als bloße Illusion betrachtenden, kaltsin n ig en F au st gew orden. 5. „Solange k a n n ich keinen Satz annehm en — schreibt der vor seinem A b itu riu m stehende kleine d o c t o r p r o ­ f u n d u s in seiner bereits erw äh n ten A bhandlung über die M ethode d er M etaphysik — bis ich ihn nicht auch selbsl d u rc h d ach t h ab e und zw ar von seinen G rü n d en aus. In dieser H insicht ist d er S pruch, d a ß ein jeder sich selbst seine M eta­ p h y sik m ache, gerechtfertigt. D er Philosoph m uß, w enn er das gegenw ärtige D en k en verstehen will, alles a u f arbeiten, was bisher gedacht w urde. Jeder m uß am A nfang beginnen und alle S tadien du rch lau fen , die die E n tw icklung der W elt­ an sch au u n g m it sich brachte. D och d er gem einsam e F o rt­ sch ritt w ird d ad u rch nicht a u sg e sc h lo sse n ... D as S treben zur W ah rh eit k a n n sich jed er erleichtern, w enn er die W erke der V orgänger fleißig u n d unbefangen d urchforscht und nicht in seinem tö richten H ochm ut glaubt, d a ß er die W e ltp ro b ­ leme ganz aus eigener K ra ft erkennen w ird. D a d u rch k ö n ­ nen w ir viel überflüssige G rübelei verm eiden und uns v e r­ gew issern, ob unsere G edanken nicht schon einm al w id er­ legt w u rd e n u n d in w iefern sie neu und selbständig sind. F re i­ lich in diesen S tudien w ird die U nbefangenheit d u rch ver-.

(27) schiedene ethische F ak to ren v erh in d ert u n d dies m acht den F o rtsch ritt in der Philosophie so schw ierig. N icht das ist von Übel, d aß jed er m it seinem D enken von vorn an fan g en m uß, sondern d aß dieser S ubjektivism us, der fü r sich noch nicht schädlich ist. m anche F aktoren in die G estaltung der Ü ber­ zeugung h ineinbringt, die ü b erh a u p t nicht logischer N a tu r sind. In den W erken m anches Philosophen zieht sich w ie ein ro ter F aden eine L eidenschaft h in d u rch : H aß, S ym pathie usw. B etrachten w ir n u r das E rhabenste, die Gottesidee, um sogleich zu sehen, wie großen E in flu ß die p raktischen D inge a u f die m etaphysische Ü berzeugung ausüben. Schon Aristoteles m einte ecm y«P П ксша ф&артио] àpxnç (Eth. Nie. VI. 5.): die V erdorbenheit u n te rg rä b t das P rinzip. U nd ta tsä c h ­ lich ist die G ottesidee zugleich auch ein erhabenes Ideal, das ihr B egriff u n b ed in g t erfo rd ert und so ist es kein W under, w enn sich der Sittenlose zu solchem Ideal n ich t erheben kann, denn sein verderbtes H erz b ee in flu ß t seine Ü berzeugung.“ P anier gehörte w ahrlich zu diesem F orschertypus, des­ sen S eelen stru k tu r er in diesen Zeilen in seinem ach tzeh n ­ ten L ebensjahre so treffend ch arakterisierte. D as Philoso­ phieren fing er m ehrm als von vom an. N icht aus äußeren B ew eggründen, sondern aus innerem Zwang, aus selbstloser H ingabe und alles, w as er geistig schuf, en tsp ran g aus die­ ser G egenstandsliebe. E r w a r originell, weil er es nicht such­ te: indem er stets die W erke der großen philosophischen Klassiker durchforschte, p rü fte er seine eigenen G edanken. N icht ein m onotoner Philister, sondern eine herrschende, k ö ­ nigliche Seele m it der reichen P olyphonie des Geistes. Ein w a h rh a ft großer Mensch, w eil m ehrere Menschen in ihm, dem einen, w ohnten: w ährend seines langen E ntw ick lu n g s­ weges w echselten sich n ach schw eren S eelenkäm pfen m eh­ rere Menschen in seiner B rust ab: ein im m er w eitersuchen­ d er geistiger N om ade w a r er, d er die öden und d ü steren G egenden des Positivism us d u rc h w an d erte um d an n w ieder zu der seine Seele befriedigenden Oase der M etaphysik zu gelangen. W illiam J a m e s reih t die M enschen in H in­ sicht d er religiösen E rfa h ru n g in zwei K ategorien: m anche m üssen n u r einm al geboren w erden, um glücklich zu sein; andere dagegen, unglücklich geboren, h arren der W iederge­ b u rt: once born an d tw ice born characters. Ákos v. P a u le r.

(28) 26 teilte das Schicksal des zw eiten Typs: er m ußte w iedergeboren w erden, um die große B erufung seines Lebens zu e r­ füllen. D ie S eelendürre des Positivism us d au e rte n u r ein J a h r­ zehnt bei ihm . U n ter dem E in flu ß d er allein schöpferischen R ich tu n g des N eukantianism us, der R ickert'schen W erttheo­ rie, en tfe rn te e r sich im m er m ehr vom einseitigen P ositivis­ m us, der die E th ik und Ä sthetik a u f die Psychologie. So­ ziologie, oder Biologie, ja schlechtw eg a u f „N atu rw issen ­ s c h a ft” a u fb a u e n wollte. D as eindringende S tudium B ren ta­ nos, Bolzanos und H usserls lenkte d an n seine A u fm erksam ­ k eit im m er m ehr a u f die logische Theorie der von dem Ged achtsein u n ab h än g ig en W ahrheit. U nd von der originellen K onzeption d er logischen G rundaxiom e ausgehend e rb a u t er m it b ew u n d eru n g sw ü rd ig er G eistesschärfe das einheitli­ che System d er reinen Logik. A ber p arallel m it diesem e r­ w achsen in seiner Seele w ährend d er Jah re des W eltkrieges au ch die G ru n d g ed an k en einer neuen M etaphysik, wie die K oralleninseln am M eeresgründe. Am 4. A ugust 1918 bevor er nach B adacsony ging, skizzierte er in einem an m ich ge­ rich teten langen B rief eingehend das G ru n d g eb äu d e seiner Logik u n d M etaphysik. „Ich freue m ich um so m ehr — schrieb er da — der äu ß eren Muße, da die E n tw ick lu n g m ei­ n er W eltanschauung, nachdem sie im G ru n d riß schon ganz fe rtig ist, in ein S tadium kam . wo ich des ruhigen, im m er au fs neue u n d neue ansetzenden D urchdenkens bedarf .. . Meine beiden W erke, die Logik u n d die Theorie des E n t­ stehens u n d Vergehens sind sozusagen ganz fertig, ich a rb ei­ te an den letzten Bogen. F reilich, bei m ir fän g t erst d a n n die eigentliche A rbeit an, w enn ich das W erk schreibe: das F ei­ len, U m arb eiten fo rd ern bei m einer A rbeitsm ethode die m ei­ ste K ra fta n stre n g u n g /' D er zu seinem besten M annesalter gedeihende P a u le r fä n g t an aus fernen T iefen die Stim m en d er G eistesw elt seines Ju g en d alters zu hören: die von w eitem ihm entgegen­ tö n en d en A kkorde seiner frü h e n M etaphysik, gleich einer v ersu n k en en geistigen A tlantis, klingen im m er m ächtiger d u rc h seine Seele. M it dem B e g i n n schm ilzt harm onisch zusam m en d er A u s g a n g . In dem , w ä h ren d der letzten zwei Jah rzeh n te seines Lebens a u f g ebauten grandiosen Sy-.

(29) stem des im gläubigen K ultus des A ristoteles und des Hl. Ih o m as au f gew achsenen D enkers auf erstehen der a ri­ stotelische S u b stan zbegriff, die Idee der P otenz und des A ktus, der M aterie und der Form , die S ehnsucht nach der G ottheit als n ach dem ersten Beweger, die dynam ische A u f­ fassung der A llheit, d er U rdualism us des A bsoluten u n d der W elt, die E w igkeit und U n v erän d erlich k eit des Absoluten, das A bsolute als reine Form , in dem W irklichkeit und Mög­ lichkeit, W esen u n d Sein von E w igkeit an identisch sind und dessen Seinsinhalt überzeitlich ist. ..D er B egriff des A bsolu­ ten — schrieb er vor seinem Tode — fällt m it der religiösen Idee G ottes zusam m en u n d entspricht der L ehre des T heis­ mus, gegenüber dem M onismus oder dem Atheism us. Letz­ tere T heorien sind re d u k tiv e nicht bis zu Ende gedachte S tan d p u n k te. D e r m etaphysische Theism us ist eben solch’ eine V oraussetzung der W irklichkeitserkenntnis, als der Lo­ gism us die*unum gängliche P räsupposition des B egriffes d er W ah rh eit ist." (Fini, in die Phil. 3. ung. Au fl. 1933. S. 167.) U nser Philosoph w a r ein w u n d e rb are r P ro p h et seiner eigenen geistigen E ntw ick lu n g : als A chtzeh n jäh rig er h a tte er es gleichsam vorausgesagt, d aß die K rone seiner W eisheit d er aristotelische T heism us sein w ird. W as sagt er am B e ­ g i n n seiner L a u fb a h n von ihrem A u s g a n g in seiner A b­ h an d lu n g ü b er die M ethode der M etaphysik? ,,In der G e­ schichte der Philosophie können drei S tadien festgestellt w e r­ den. die m an als M omente der W eltanschauungsentw icklung b etra ch ten d arf. D iese drei S tadien sind: d er P antheism us (Monismus), d er Platonism us (Idealism us) und der A ristotelism us (Realistico-Theism us). Ih r periodisches A u ftreten ist in d er G eschichte der Philosophie m it B estim m theit zu er­ kennen. U nd diese drei Stadien d u rc h la u fen d entw ickelt sich jede W eltan sch au u ng notgedrungen zum d ritte n S tadium . D as G riechentum , das fü r uns eben d aru m so lehrreich ist, w eil es die P aradigm en jeder m öglichen W eltan sch au u n g enth ält, erlebte diese drei S tadien und erreichte a u f dem C runde des Idealismus des A ristoteles das erste F u n d am en t d er theistischen W eltanschauung. D ieser Theism us e rsta rk ­ te im M ittelalter durch die Ideen des C hristentum s, das das sittliche Id eal m it dem m etaphysischen O b je k t vereinigte und die r e l i g i ö s e Idee Gottes begründete. D ie übrigen.

(30) 28 Spekulationen, denen w ir nach A ristoteles begegnen, k ö n ­ nen ihrem W esen nach alle in das eine dieser drei S tadien eingereiht w erden . . . D er unru h ig e m enschliche G eist k o n n ­ te sich n icht zu frieden geben. Im Eifer, m it dem er nach der W ah rh eit strebte, w a rf er m it der M ethode auch die ä l­ teren L ehren weg und u n tern a h m es. die Philosophie auf's neue au fzu b au en . U nd diese U ngeduld, diese A ufgeregtheit, m it d er die M enschen die höchsten W ah rh eiten stets a u fz u ­ suchen streb ten u n d in deren Folge sie die V orgänger oft v e r­ k an n ten , w eil sie kleiner F ehler w egen sich ganz von ihnen ab w an d ten , k an n uns nicht befrem den. D enn gibt es denn etw as B edeutenderes fü r das I n d i v i d u u m , als die höch­ sten V ah rh eiten , von denen alles, w as der M ensch besitzt, a b h ä n g t u n d von denen w ir Heil und Seligkeit erw arte n ? Psychologisch ist die K o n tin u ität in einem W issen kaum m öglich dort, wo es noch im Interesse des I n d i v i d u u m s steht, die g a n z e W ah rh eit zu erfahren. D enn in der P hilo­ sophie w ird es auch noch von anderem belebt, als vom re i­ nen Д\ issenschaftsbestreben. D a s L e b e n d e s M e n ­ s c h e n h ä n g t d a v o n a b . . . O bgleich die W ege und die M ethoden [in den heutigen philosophischen R ichtungen] verschieden sind, das Ziel u n d das R esultat sind (ein Zei­ chen davon, d aß w ir es m it der W ahrheit zu tu n haben) doch in ihren w esentlichen Zügen die gleichen: den R ealis­ mus. d u rch Ziehen der letzten K onsequenzen zum T h e i sm u s au szuarbeiten. Alle diese R ichtungen w erden sich v e r­ einigen. da sie nach dem einen Ziel streben: die W eltprobleme nach dem aristotelischen G ru n d g ed an k en zu lösen. D er P ositivism us w ird seine E inseitigkeit einsehen. u n d auch das. d aß er die E rfah ru n g , w enn er sie verstehen will, üb ersch rei­ ten m uß: a b e r auch die V erirrungen des R ealism us w erden ihre Z u flu ch t frü h e r oder sp äter zu der theistischen E rk lä ­ ru n g nehm en. D enn w enn es etw as gibt, das die entgegen­ gesetzten. ab er a u f r i c h t i g e n B estrebungen vereinigt, so ist das sicherlich die W ahrheit. die .groß ist und d u rc h d rin g t. D ie P hilosophie w ird im m er zu A ristoteles zu rü ck k eh ren , d en n bei ihm ist die W a h rh eit.1' A uch P au lers au frich tig nach der W ah rh eit durstende Seele k eh rte nach einer jah rz eh n tlan g en positivistischen A b­ biegung zu A ristoteles zurück, so wie er es u n b ew u ß t in.

(31) den oben an g efü h rten W orten selbst voraussagte. E r w a r ein echter Philosoph, w eil er nach der A rt der G riechen d ac h ­ te. E r h atte die T ugend d er S tark en : die D em ut. Er hielt sich stets fü r unvollkom m en u n d der E rgänzung b e d ü rf­ tig: d aru m konnte er sich w eiterentw ickeln, konnte sich selbst, seinen frü h eren S ta n d p u n k t ü b ertreffen . In seinen letzten Jah ren w a r die Philosophie fü r ihn schon fast eine w eltsinngebende A ision, eine schöpferische A nschauung.. Dem Philosophen ist der Tod ein großer A nreger: nach Sokrates ist die Philosophie auch nichts anderes, als die Be­ sch äftigung m it dem Tode; auch das ist kein b linder Zufall, daß das älteste philosophische W erk Ä gyptens, das P e r e m h e r u den A usgang m it dem Tage bedeutet. A uch der erste Titel der M etaphysik P aulers h eiß t: E n t s t e h e n und \ e r g e h e n. D as M ysterium des letzteren besch äftig t ihn von seinem K indesalter an stets aufs stärkste. In den T age­ bu ch au fzeich n u n g en seiner Jugendzeit löst der M o r s I m ­ p e r a t o r aus seiner zum Stoizism us hinneigenden Seele die schönsten B etrachtungen. „Im riesigen M aschinenw erk des W eltganges — schrieb er in sechzehnjährigem A lter (10. A ugust 1892.) h at auch der kleinste Prozeß oder die kleinste V eränderung ih ren Zweck u n d ihre B estim m ung. D er U nendliche, der es lenkt, b en ü tzt jede kleine T riebfeder zu r en tsprechenden A rbeit u n d zeichnet ihren Weg und ihre Bestim m ung vor. der entsprechend sie ihre B ahn d u rc h ­ lau fe n m uß. U nd w er dieses m it B ew ußtsein faßt, k an n sich ü b er Dinge, die die m enschliche S prache Schicksalsschlag oder U nglück nennt, nicht betrüben. Möglich, d aß m an einen d e ra rt D enkenden und H andelnden nicht selten als herzlos schilt. Es soll ab er nicht vergessen w erden, d aß der B etref­ fende sta tt der Q u al etw as viel W ertvolleres b ietet: die L ehre.“ U nser großer D enker h at uns in seinem Leben und in sei­ nen W erken solch’ eine ew ige Lehre zum V erm ächtnis h in te r­ lassen..

(32) DAS GEISTIGE ANTLITZ ÁKOS v. PAELERS VON BÉLA FREIHERRN VON BRANDENSTEIN. I n einem jeden M enschen regt sich d er W unsch, das W esen seines M enschentum s und seines Lebens, seiner W elt zu erk en n en ; aber n u r in w enigen M enschen w ird dieser W unseh so stark , d a ß er nich t n u r ins B ew ußtsein tritt, son­ d ern auch die G estaltung seines ganzen Lebens bestim m t. N u r in w enigen erhöht er sich zu einer unstillbaren, sich bloß in d er E rfü llu n g b eruhigenden Sehnsucht: zur Sehn­ sucht, in die T iefen des Seins, des Lebens zu blicken u n d sei­ ne U rquellen zu erschauen. E in solcher M ensch ist u n ru h i­ gen Geistes: sich m it dem an allen Seiten fraglich gew ordenen L eben ab q u älen d, sucht er u n d schaut, wo er jen en festen P u n k t finden könnte, a u f den er die ganze W elt in sich erb au t. E r sieht das ihn um w ogende, ström ende Leben u n d doch scheint es, als ob er es nicht bem erken w ürde: er sieht die b lu tv o llen G estalten dieses Lebens gut u n d dennoch scheinen sie vor ihm zu erblassen. G erippen gleich zu w erden. W a­ rum scheint er die einzelnen G estalten u n d Ereignisse nicht zu bem erken, obgleich er recht wohl sehen, hören u n d k la r v erstehen k an n ? W eil er d u rch sie h in d u rch sieht. U nd da beginnt er auch in ihren dunklen T iefen zu sehen. Er sieht die W urzelfäden, die in der T iefe zusam m enlaufend, die reich belau b te, m ächtige K rone des L ebensbaum es an seine U rg rü n d e binden. E r sieht den einfachen und doch so w u n ­ d erb are n Z usam m enhang in der Tiefe, aus dem die g litzern ­ de F a rb e n p ra c h t der W irk lich k eit en tsp rin g t u n d sich e n t­ faltet. M achtvolle Bogen erheben sich vor seinen Augen, die die U nendlichkeit des Alls m it U rgew alt zusam m enschließen: alles b eu g t sich u n te r ihre W ölbung, alles ist in ihren R a h ­ m en eingeschlossen, alles gew innt in ih rer E in h eit W irk lich ­ keit und H alt. Seine Sehsucht h a t ihn ans Ziel g efü h rt, die.

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