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Vom „unabänderlichen Dualismus“ der Sprache und vom ‘Gespräch’

In document Budapest 1994 (Pldal 29-33)

ZUR HISTORISCHEN UND LITERARISCHEN DIMENSION DER GESPRÄCHFORSCHUNG

1. Vom „unabänderlichen Dualismus“ der Sprache und vom ‘Gespräch’

In seiner Abhandlung „Uber den Ursprung der Sprache“ von 1771 be­

schreibt Johann Gottfried Herder, wie der M ensch zum Sprachzeichen

findet, indem er, mittels „Besonnenheit“, also Reflexion, z. B. den „Schall des Blöckens“ als „Kennzeichen des Schaafs“ wahrnimmt. Der Schall wird zum Erinnerungszeichen, Schall und Sch af finden zu einer Einheit, das Wort - das „Blockende“ - ist geboren. Das W ort ist „Merkwort“ u n d

„Mitteilungswort zugleich:

Ich kann [...] nicht das Erste besonnene Urtheil reihen, ohne daß ich in meiner Seele dialogire [ ...] ; der erste M enschliche Gedanke bereitet also seinem W esen nach, mit ändern dialogiren zu können!

D as erste Merkmal, was ich erfaße, ist Merkwort für mich, und Mittheilungswort für A n d ere!1

Im Rahmen seiner Spekulation über den Ursprung der Sprache legt Herder das dialogische Fundam ent seiner Sprachtheorie.

Eine Sprachtheorie als Ursprungstheorie der Sprache verwirft nun - einige Jahrzehnte später - W ilhelm v. Humboldt, nicht aber deren „dialo­

gische“ Komponente. Die W ende, die Humboldt in der Sprachursprungs- theorie herbeiführt, formuliert Heymann Steinthal 1851 in seinem Buch

„Der Ursprung der Sprache im Zusammenhang mit den letzten Fragen allen W issens“ so: „Er (Humboldt) hat also den Ursprung mit dem W esen identifiziert und das W oher in das W as verwandelt.“2 W as ist darunter zu verstehen? In seiner ersten Akadem ieabhandlung von 1820 formuliert Humboldt: „Es kann auch die Sprache nicht anders, als auf einmal ent­

stehen, oder um es genauer auszudrücken, sie muss in jedem Augenblick ihres Daseyns das jenige besitzen, was sie zu einem Ganzen m acht“.3 Einer­

seits führt also jedes Sprechen das Wunder des Sprachursprungs vor Augen;

andererseits ist dieses W under, als zeitliches, deshalb nicht einzuholen, weil es nicht ‘historisch’ und das heißt bei Humboldt: ‘empirisch’ verfügbar ist. „Jenseits der Gränzlinie“4 gibt es kein vergleichendes Sprachstudium als wissenschaftliches, weil es keine sprachlichen Q uellen gibt. „D as ‘his­

torische’ oder Erfahrungsstudium der Sprachen kann sich nur auf das 28

beziehen, was Humboldt die ‘Ausbildungsperiode’ der Sprachen nennt“,5 die eben diesseits der „Gränzlinie“ liegt. Über die „prähistorische ‘Organi- sationsmethode“’6, also diejenige, die jenseits der „Gränzlinie“ liegt, sind wissenschaftliche Aussagen unmöglich. Die Frage nach dem Ursprung

„jenseits der Gränzlinie“ wird also aus guten G ründen umformuliert in eine Frage nach dem W e s e n der Sprache:

Besonders entscheidend für die Sprache ist, dass die Zweiheit in ihr eine wichtigere Stelle, als irgendwo sonst, einnimmt. Alles Sprechen ruht auf der Wechselrede, in der, auch unter Mehreren, der Redende die Angeredeten immer sich als Einheit gegenüberstellt. Der Mensch spricht, sogar in Gedanken, nur mit einem Anderen, oder mit sich, wie mit einem Anderen [ ...] 7

Hier ist noch der Einfluß Herders spürbar, der ja davon gesprochen hatte, daß der erste menschliche Gedanke notwendig schon ein „Dialogiren“

sei.

Doch die bisherige Darstellung der „Zweiheit“ sei eine „äusserlich er­

scheinende“ und könne „in innigerer Durchdringung“ aufgefaßt werden dergestalt, daß der Geschlechtsunterschied die allgemeine Einseitigkeit

„durch alle Beziehungen des menschlichen Denkens und Empfindens“

zeige, die nur durch „gegenseitige Ergänzung“ zu heilen sei.8 Tiefer kann man das Fundament des Dialogischen nicht legen. Die dialogische Struktur der Sprache resultiert aus der Ergänzungsbedürftigkeit des M enschen, die sich auch und gerade in seiner Geschlechtlichkeit zeigt. Und Humboldt fährt fort: „Es liegt aber in dem ursprünglichen W esen der Sprache ein unabänderlicher Dualismus, und die Möglichkeit des Sprechens selbst wird durch Anrede und Erwiederung bedingt.“9 M it anderen W orten, „die Sprache (muss) Erweiterung in einem Hörenden und Erwiedernden ge- winnen“ 10: Die Kategorie des Hörers und des zum Sprecher werdenden Hörers ist also in der Sprachtheorie Humboldts präsent. Diesen

dialogi-sehen Charakter als „Urtypus aller Sprachen“ findet Hum boldt in den Pronomina ausgedrückt. Es gebe ein Ich und ein Nicht-ich. Letzteres teile sich in Du und Er. Das Du sei dem Ich „gegenübergestellt“, Du und Ich lägen in der „Einwirkung gemeinsamen H andelns“. D as Er sei aber ein Nicht'icht und ein Nicht-du zugleich, Er (bzw. Sie, Es) seien dem Ich und Du z u g l e i c h entgegengesetzt, ln dem Du liege „Spontaneität der W ahl“, Er hingegen liege „in der Sphäre aller W esen“ .11 M an kann es auch so fassen: Ich und Du sind die sprachliche Konkretisierung von

„Anrede und Erwiederung“, sie sind grammatisch-lexikalisch geronnene Einheiten der Sprache. Ich un Du reden miteinander, indem sie über Ihn (Sie, Es) reden, sie bereden bzw. besprechen etwas, miteinander redend.

Somit deckt das System der Personalpronomina das dialogische W esen der Sprache auf. D en Ursprung der Sprache verstehen, heißt u. a., das dialogische W esen der Sprache darzustellen.12

Im Begriff des Gesprächs zeigt sich das Dialogische im engeren Sinne.

Die Kollektivbildung Gespräch zeigt in der W ortbildung das dialogische Moment, also das, was die Partner verbindet. D as Dialogische ist das gemeinsame Sprechen im W echsel. G espräch ist som it von Vortrag, Predigt, Gebet, lautem Denken, überdies als sprechsprachliches Ereignis vom Briefwechsel unterschieden; zudem ist G espräch eine thematisch zentrierte Aktion, wodurch es z. B. vom Austausch bloßer Grußformeln geschieden ist. Daß die Kategorie ‘G espräch’ auch ‘em phatisch’ besetzt sein kann, folglich ein Gespräch einem bedeutenden T hem a gewidmet oder symmetrisch und „partnerschaftlich“ ausgerichtet ist, sind zusätzliche Bestim m ungsstücke, welche die konstitutiven D efinientia ergänzen, vielleicht bereichern.13

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2. aus diesen Maschienen wieder Menschen zu

In document Budapest 1994 (Pldal 29-33)