• Nem Talált Eredményt

5 Alltag und Feiertage einer Nadascher Bauernfamilie im Spiegel des überlieferten Gebetschatzes

5.5 Requiem-Gebete

Am Sterbebett wurde zuerst der Rosenkranz gebetet.39 Alle Familienmit-glieder, Bekannten und Nachbarn versammelten sich bei der Totenbahre.

Für den Verstorbenen betete man immer einen Rosenkranz: damit die See-le ihren Weg zu Gott findet. Die vieSee-len Gebete halfen auch, damit die mensch-liche Seele im Fegefeuer nicht so viel leiden muss.40 Dies meint jedoch nicht nur kanonisierte Gebete wie die katholischen Hauptgebete: Trauernde be-teten u.a. auch folgende, mirvon Frau Paula Hagen geb. Haber schriftlich mitgeteilten, Gebete, die sie noch von ihrer Mutter erlernte, heute aber kaum mehr betet und auch ihren Kindern nicht mehr beigebracht hat:

Was Einer ist, was Einer war, beim Scheiden wird es offenbar, wir hören nicht, wenn Gottes Weise summt, wir schaudern erst wenn sie verstummt.

Amen.

Meine Schmerzen sind zu Ende und kein Leiden quält mich mehr, gönnt mir doch den süßen Frieden, den ein jeder Christ begehrt. Amen

Diese kurzen Gebete waren natürlich mit katholischen Hauptgebeten um-rundet; es gab aber auch längere Gebete wie das folgende (in dem Ein Vater-herz… auch durch Ein Mutterherz… ersetzt werden konnte):

Ein Vaterherz hat aufgehört zu schlagen / entrissen durch ein tückisches Ge-schick / erlöset jetzt von allen Erdenplagen / trauernd ließ er uns hier zurück / und immer wieder tönt das laute Klagen / wir armen haben keinen Vater mehr / doch gläubig wollen wir es tragen / wenn es fällt auch noch so schwer / dass wenn Gebete uns hier vereinen / dort oben wir uns wiedersehn / Amen

38 Mündliche Mitteilung von Frau Paula Hagen geb. Haber.

39 Mündliche Mitteilung von Frau Elisabeth Szigriszt geb. Fischer.

40 Mündliche Mitteilung von Frau Regina Gungl geb. Exner.

32 | GABRIELLA SÓS

Nach der Aufbahrung wurde der Verstorbene nach der katholischen Tra-dition beigesetzt, darauf wurde Wert gelegt. Je nach Geschlecht des/der Toten wurden am Grab unterschiedliche Gebete gesprochen, meistens nach der Beerdigung vor dem Requiem.

5.6 Mariengebete

Am meisten fühlten bzw. fühlen sich die Nadascher zu der Heiligen Mut-ter Gottes Maria hingezogen („Zu Zeiten meiner GroßmutMut-ter wurde im-mer zu Maria gebetet“),41 aus diesem Grund tragen viele Nadascher Frauen ihren Namen. Viele der Befragten erzählten mir, dass sie von Wall-fahrtsorten viele Marienstatuen als Mitbringsel nach Hause gebracht hat-ten. Am Hausaltar befanden sich in beinahe jedem Haus Marienstatuet-ten. Besonders beliebt waren die Abbildungen ‚Mariahilf‘. Zur Heiligen Maria Mutter Gottes sei deshalb gebetet worden, „weil sie die Mutter von Jesus war und die Frauen nahmen ein Beispiel an ihrem Leben“.42

In der Vorkriegszeit wurden viele Nadascher Mitglied in verschiede-nen Maria-Vereiverschiede-nen (die meistens Mädchenvereine waren). Viele junge Töchter tiefreligiöser Familien wurden Marienmädchen (Mariamaalich; auch Weiße Maalich ‘Weiße Mädchen’ genannt). Sie trugen immer weiße Kopftücher, beteten unter der Leitung von Nonnen jedes Wochenende in der Notre-Dame-Klosterkirche (auf dem Szent-István-Platz in Pécs/Fünf-kirchen) und viele von ihnen traten später auch selbst in das Kloster ein.

Eine mittlerweile verstorbene Nadascherin erzählte, sie sei auch Marien-mädchen geworden, weil ihre Eltern früh abgingen und ihre zwei größe-ren Brüder sich um sie nicht hätten kümmern können, so dass sie bei den Nonnen ihre „zweite Familie“ gefunden habe.43

Es folgt nun ein Mariengebet, welches mir von Frau Katharina Arnold geb. Gungl schriftlich mitgeteilt wurde. Sie hat es von ihrer Großmutter erlernt (Omamátol tanultam, hat sie mir auf ihr Blatt geschrieben) und be-tet es noch heute jeden Tag. Im Gebet sieht man das Motiv der Abwehr, neben dem auch das Bekenntnis der Zugehörigkeit zu Gott erscheint:

41 Mündliche Mitteilung von Frau Maria Frank geb. Gungl.

42 Mündliche Mitteilung von Frau Maria Ruppert geb. Fischer.

43 Mündliche Mitteilung von Frau Elisabeth Hajdu geb. Arnold.

„O MARIA ROZEN ROT / WIE BITTER IST DER TOHT…“ | 33 O Maria rozen rot / wie bitter ist der Toht / Ich will gehn / án breiten Weg / án schmalem Steg / dán komt einer, der wil mich abweiszen / ich lász mich nicht abweiszen / ich bin fon Gott, ich wil zu Gott / Gott szol mir ein Licht-lein geben / dász szol mir leuchten / bisz in die ewige Glükszeligkeit / Ammen Die Anfangszeilen O Maria rozen rot / wie bitter ist der Toht sprechen – als Motiv des Hilferufs (invocatio) – unmittelbar die Heilige Jungfrau an.

Zwischen den Anfangszeilen und dem darauffolgenden Teil des Gebetes hat die Vermittlerin Frau Arnold eine Zeile leer gelassen; laut ihrer eige-nen Aussage setze man beim Beten an jener Stelle immer eine kleine Pau-se, den Grund dafür konnte sie allerdings nicht nennen. Zu den Zeilen Ich will gehn / án breiten Weg / án schmalem Steg könnte man den Lebensweg des Menschen assoziieren, wobei der breite Weg wohl den Lebensanfang, der schmale Steg das Lebensende symbolisieren. In den nächsten Zeilen (dán komt einer / der wil mich abweiszen / ich lász mich nicht abweiszen) erscheint das Motiv des Glaubensbekenntnisses (confessio), wie auch die Zeilen ich bin fon Gott / ich wil zu Gott als eindeutiger Ausdruck der Treue zu Gott zu betrachten sind. Die Schlusszeilen Gott szol mir ein Lichtlein geben / dász szol mir leuchten sind eine Bitte an Gott um das ewige Licht und um die ewige Glükszeligkeit.44

Die folgenden Mariengebete wurden von Frau Paula Hagen geb. Ha-ber, die diese von ihrer Mutter erlernte, ihren Kindern aber – gleich den meisten ihrer Altersgenossinnen – nicht mehr beigebracht hat, schriftlich mitgeteilt. Beide Gebete beinhalten Motive der Aufopferung(dedicatio):

O Maria liebste Mutter mein / lass mich dir empfohlen sein / in deine Wun-den schließ mich ein / dann schlaf ich ruhig mit dir ein / Amen

O Maria Muttergotes mein / las mich ganz dein eigen sein / dein in leben, dein im Tod / lass mich ganz dein eigen sein / Amen

Die folgenden kurzen Mariengebete wurden mir ebenfalls in handschrift-licher Form von Frau Regina Gungl geb. Exner mitgeteilt – ausgeprägt ist auch hier das früher schon erwähnte ‚Mariahilf‘-Motiv:

44 In diesem Gebet wurde die originale Schreibe von Frau Arnold beibehalten – cha-rakteristisch hierfür sind v.a. das ungarische Akzentzeichen (dán für dann) oder das ungarische ‹sz› (bisz für bis).

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Hilf Maria es ist Zeit / o Mutter der Barmherzigkeit / du bist mächtig / uns aus Nöten und Gefahren zu erretten / wo die Menschen Hilfe bricht / man-gelt doch die deine nicht / Du kanst das heise flechen / deiner Kinder / nicht verschmehen / zeige das du Mutter bist / wo die Not am gröszten ist! / Amen O Maria auf deinem Hochen Trohn / bitt für uns bei deinen Lieben Son / O Mutter der Barmherzigkeit / bitt für die ganze Kristenheit / Amen O Máriá Hilf doch Mier / si es flet dein Kind / den du bist ja die helfen kann / O Mutter nimm dich meiner an! / Amen

Auf die Hilfe der Heiligen fühlten sich die Bauern schon immer angewie-sen, zumal Sonnenschein, Regen, Sturm und alle Wettererscheinungen als Strafe oder eben als Geschenk des Himmels betrachtet wurden.45