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EINE ENQUÉTE [1910]

In document FELIX SOMLÓ (Pldal 63-66)

Die Gründe, welche zur Schaffung eines deutschen Institutes für Rechtsphiloso-phie und soziologische Forschung drängen, lassen sich in zwei Gruppen bringen, denen eine vrschiedene Beweiskraft zukommt. In die erste wären alle diejenigen Vorteile einer solchen Institutsforschung zu reihen, welche die wissenschaftliche Forschung bloss erleichtern, bequemer gestalten, Zeitersparnisse gewähren, ohne dass man sagen könnte, dass sie die Forschung geradezu erst ermöglichen. Zur zweiten Gruppe hingegen wären jene Vorteile zu zählen, durch welche die Wis-senschaft an solchen Punkten weitergebracht wird, übr welche sie ohne die Vor-teile des Institutes nicht hätte hinauskommen können.

Es ist bereits ein unschätzbarer Vorteil derartiger wissenschaftlicher For-schungsinstitute, dass sie die eigentliche Forscherarbeit von all den wissen-schaftlichen Handlangerdiensten entheben, welche die isolierte, private wis-senschaftliche Tätigkeit fortwährend auf sich zu nehmen hat und die ihr so oft hinderlich in den Weg treten. Heute wird eine Zeitschrift notwendig, die in dieser, morgen eine, die in jener Bibliothek zu haben ist. Einmal ist die ge-suchte Tatsache eine historische, das andre Mal eine statistische, dann wieder eine juristische. Das bedeutet immer wieder eine neue Stockung. Denn selbst in Fällen, wo für eine solche gesuchte Dokumentation gesorgt ist, liegen die betreffenden Sammlungen weit zerstreut, weil eben für jene spezielle Art so-zialwissenschaftlicher Forschung, welche die verschiedenartigen sozialen Tatsachen mit einander in Verbindung bringt und im Gegensatz zur zentrifu-galen sozialwissenschaftlichen Detailforschung eine integrale Tendenz hat nicht genügend gesorgt ist.

Es ist eine jämmerliche Vergeudung von Zeit und von bester Arbeitskraft, die durch eine lästige und mühsame Zusammenschleppung des vorhandenen Datenmateriales aus allen Ecken und Enten verursacht wird. Auch der Sozial-wissenschaftler bildet keine Ausnahme vom Gesetze der Erhaltung der Ener-gie, und je mehr ihm auf der einen Seite geraubt wird, desto weniger wird ihm auf der anderen bleiben. Es wäre daher bereits ein köstlicher Gewinn, wenn sich die Existenz einer integralen Sozialwissenschaft auch in der Form eines ihren speziellen Bedürfnissen dienenden Institutes kundtun würde und alles

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was die soziologische Forschung von Ethnologie und Geschichte von Statistik und Geographie, von Anthropogolie und Jurisprudenz benötigt, beisammen zu finden wäre.

Die Gründe für ein solches Institut werden aber immer schwerwiegender, je mehr wir uns der zweiten Gruppe nähern. Das brennendste Bedürfnis nach sol-chen Instituten zeigt sich an jenen Punkten, an denen die isolierte Forschung nicht weiter kann, weil die erforderliche Riesenarbeit der Datensammlung und Datenbearbeitung die Kräfte eines privaten Forschers weit übersteigt. Sind es auf dem Gebiete der Naturwissenschaften zumeist Apparate und Instrumente, Mate-rialien, Sammlungen, geeignete Experimentsbedingungen, welche dem privaten Forscher fehlen, so ist es auf sozialwissenschaftlichem Gebiete in erster Linie das einheitlich geleitete, organisierte Zusammenwirken ganzer Arbeitsgruppen, welches der privaten Forschung nicht zu Gebote steht.

Der Mangel des Experimentes macht auf dem Gebiete der Sozialwissen-schaften eine möglichst extensive Datensammlung notwendig. Alles, was auf naturwissenchaftlichem Gebiete zu Ermöglichung von Experimenten hin-drängt, drängt auf dem Gebiete der Sozialwissenschaft zur Ermöglichung einer umfassenden D a t e n s a m m l u n g und - Verarbeitung. Und ebenso, wie sich der naturwissenschaftliche Forscher nach den heutigen Ansprüchen der Wissen-schaft an eine grosse und immer wachsende Reihe von Fragen nur dann her-anwagen darf, wenn ihm die Möglichkeit geboten ist, die Beantwortung der-selben mit allen Hilfsmitteln eines wohlausgerüsteten Institutes in Angriff zu nehmen, so ist ein sehr grosser Teil der soziologischen Fragestellungen eine solche, die der Beantwortung mittelst den ärmlichen Hilfsmitteln eines isolierten Mannes der Wissenschaft ebenfalls spottet und eine so enorme D o k u m e n -tierung zur Voraussetzung einer exakten Lösung hat, dass sie nur durch eine wohlorganisierte Kollektivarbeit ermöglicht wird. Der wissenschaftliche Wett-bewerb der Nationen wird auch auf sozialwissenschaftlichem Gebiete zu ei-nem guten Teile ein Wettbewerb der Forschungsausrüstungen und die Erfor-schung der Gesetze der kollektiven Tätigkeit wird immer mehr und mehr selbst zu einer kollektiven Tätigkeit. Eines der charakteristischen Arbeitsprin-zipien der soziologischen Forschung, welches sie manchen älteren sozialphilo-sophischen Verirrungen entgegenstellt, ist, über Fragen, die einer induktiven E r f o r s c h u n g zugänglich sind, nicht einfach bloss zu spekulieren. Doch die A u s f ü h r u n g dieses Programmes kann solange nicht zur Wirklichkeit werden, als es der individuellen Tätigkeit allein überlassen wird.

Die Soziologie hat sich eben noch nicht die Verwirklichung ihrer speziellen Arbeitsbedingungen zu verschaffen vermocht, denn nur die organisierte Insti-tutsforschung kann jene Vervielfältigung der Kräfte bringen, die die Durchfüh-rung des Programmes der Soziologie erheischt. Es ist das keine blosse Annahme,

Ein d e u t s c h e s Institut f ü r R e c h t s p h i l o s o p h i e ? [ 1 9 1 0 ] 4 3 sondern eine auch in der Praxis erprobte Tatsache, denn das Beste, das wir über soziale Gesetzmässigkeit wissen, verdanken wir der Statistik und wo wäre diese ohne die statistischen Institute, welche mutatis mutandis als wahre Vorbilder eines soziologischen Institutes gelten können?

Die Erforschung der sozialen Kausalität ermöglicht in allererster Linie die wissenschaftliche Vertiefung der Gesetzgebungsvorarbeiten. Es sind ja eben die notwendigerweise eintretenden Wirkungen einer gesetzlichen Anordnung, deren Vorhersage von der Wissenschaft erwartet wird. Rechnen wir diese wissen-schaftlich vertiefte Behandlung der Gesetzgebungsfragen zur Rechtsphilosophie, so wird die Vereinung der rechtsphilosophischen und der soziologischen For-schung zur Notwendigkeit, denn sodann wird es vornehmlich die Rechtsphiloso-phie sein, welche die praktischen Probleme, die an die soziologische Forschung herantreten, liefern wird. Um auf eines der bekanntesten Beispiele hinzuweisen:

die wissenschaftliche Vertiefung der Strafrechtsgesetzgebung erfordert unter anderem eine Kenntnis jener Ursachen, welche die Verbrechen in einem gegebe-nen Kulturkreis hervorbringen; die Erforschung der Ursachen der Verbrechen ist aber ein soziologisches Problem.

Was sich über die Verbesserung der soziologischen Forschungsmethoden theoretisch sagen lässt, ist eigentlich in der nur zu grossen Literatur über die Methode der Soziologie oft betont worden. Diese Literatur hat der Soziologie das Scherzwort eingetragen, die Soziologie habe von allen Wissenschaften die meisten Methoden und die wenigsten Resultate.

Es ist dies nicht zum geringsten eben deshalb der Fall, weil die Ausführung ihrer besten Methoden nicht die Arbeit eines Einzelnen sein kann und weil die hierzu im hier angestrebten Sinne erforderliche Kollektivarbeit bisher keine genügende Förderung erfahren hat.

In document FELIX SOMLÓ (Pldal 63-66)