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MENSCH UND GESELLSCHAFT IM ZEITALTER DES UMBAUS

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Academic year: 2022

Ossza meg "MENSCH UND GESELLSCHAFT IM ZEITALTER DES UMBAUS"

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(5) 617968. KARL MANNHEIM. MENSCH UND GESELLSCHAFT IM ZEITALTER DES UMBAUS. L E ID E N A . W . S I J T H O F F S U I T G E V E R S M A A T S C H A P P I J N .V ..

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(9) M EN SCH U N D G E SE L L SC H A F T IM. Z E IT A L T E R. D ES UM BAUS.

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(11) KARL MANNHEIM. MENSCH UND GESELLSCHAFT IM ZEITALTER DES UMBAUS. L E ID E N 1935 A. W . S I J T H O F F ' S. UITGEVERSMAATSCHAPPIJ. N .V ..

(12) Printed in Holland Allé Rechte vorbehalten Copyright 1935 by A. W. SiJT H O FFS UITGEVERSM IJ N.V. -. LEIDEN.

(13) M E IN E N L E H R E R N U N D S C H Ü L E R N IN D E U T S C H L A N D.

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(15) VORWORT D ie in diesem Bande zu einer Einheit gebrachten Untersuchungen unternehmen es, Erfahrungen der letzten Jah re einer soziologischen Auslegung zugäng­ lich zu machen. Sie versuchen, den zeitgenössischen Ereignissen ihren w issenschaftlichen G ehalt abzuge­ winnen. D ieser W ille zur G egenw artsbezogenheit der Forschung entspringt dem Gefühl, daß es wohl nicht übertrieben ist, in der jetzigen Situation von der G ew issensstunde der W issen sch aft zu reden, und es deshalb nicht angeht, Problemen, die uns unser Leben stellt, auszuweichen. Eine solche E in ­ stellung hat zweifelsohne ihre G efahren. S o sicher es ist, daß w ir von nun an immer mehr Sozialp rozess und Politik zum Them a der W issen sch aft machen müssen, so wenig d a rf d arau s eine Politisierung der W issen sch aft selbst entstehen. G erade der im w ahren Sinne politische M ensch sehnt sich heute mehr als je danach, den verschiedenen Form en der tagespoliti­ schen Beeinflussung zu entgehen und den gesellsch aft­ lichen W irkkräften unvermittelt ins Auge zu sehen. D ie Untersuchungen haben auch in ihrer Entstehung den C h arakter der Situationsgebundenheit*), und ich bin mir deshalb so mancher M ängel und U nzuläng­ lichkeiten, die mit einem solchen U nterfangen ver*) D ie erste Untersuchung wurde ursprünglich unter dem Titel „ Rational and Irrational Elements in Contemporary Society“ als „Hobhouse Memorial Lecture“ im Bedford College (University of London) gehalten und erscheint in englischer Sprache in der „O xfo rd University Press“ . D ie zweite Untersuchung ist unter dem Titel : „T h e Crisis of Culture in the E r a of M a ss-D emocracies and Autarchies“ in „The Sociological R eview “ , Bd. X X V I , N o 2, London. 19 34, erschienen. D ie im vorliegenden Buche enthaltene Fassung der beiden Untersuchungen ist gegenüber dem englischen Text wesentlich erweitert, und die dritte Unter­ suchung gelangt zum erstenmal hier zum Abdruck. VII.

(16) bunden sind, bewußt. A ber auch in dieser Form w äre das Buch ohne die hilfreiche M itarbeit meiner F ra u nicht entstanden. A n dieser Stelle möchte ich auch A d o lf L ö w e ein W o rt des D an kes sagen. A u f Grund einer Koinzidenz unserer Problem atik und eines gemein­ samen Erlebnishintergrundes brachten mir die mit ihm geführten D iskussionen in vielen D ingen ent­ scheidende K lärung und Bereicherung.. V III.

(17) INHALTSVERZEICHNIS V. Z. orw ort. ugang. zu m. T. h em a. Seite. D ie Bedeutung der Periode deé geéellécbaftíicben Um baueö. D ie m eisten Spannungen unserer E po ch e entstehen aus dem un b ew ältigten N eben ein an d er­ w irk en des ,,la is s e r - fa ir e ‘ ‘-P rin zip s und der planlosen R egu lieru n g. B e isp iele aus dem G eb iete der W i r t ­ sch a ft und P o litik D ie A b sic h t dieses B u ches ist, die erw äh n ten Spannungen a u f den G eb ieten der sozialen M enschenform ung und der K u ltu r zu verfolgen . O hne einen U m bau des M en sch en ist ein U m bau der G e s e ll­ sch a ft u n vorstellbar. D a s seelische und geistige G e ­ schehen hat seine eigenen soziologischen S tru k tu r­ gesetze..........................................................................................l-— io I.. R. a t io n a l e. und. E. ir r a t io n a l e. G. lem en te. in. u n serer. esellsch aft. i D a* Problem der A ufklärung — - w ie w e it G eschichte durch ratio n ale Ü berlegungen, w ie w e it sie durch irra tio n a le K r ä fte gelenkt w ird und w elche C h an cen m oralisches H an d eln hat — muß von neuem gestellt w e r d e n ................................................................................. 1 1 — 1 3 2 D ie drei Auégangétbeéen dieéer U nteréucbung : D ie d isp rop ortion ale E n tw ick lu n g der m enschlichen Fäh igkeiten / D ie durch den G esellsch aftsp rozeß geschaffenen A u fgab en feld er bedingen die E n tfaltu n g der R a tio n a litä t, Irra tio n a litä t und M o ra litä t/ D ie ' IX.

(18) Seite. moderne G ese llsc h a ft verm ag a u f die D a u e r, die D is ­ p ro p o rtio n alität nicht zu ertragen/ B e w e is der letzteren These durch zw e i In stan zen : A ) D a s P rin zip der Fu ndam entaldem okratisierung. B ) D a s P rin zip des A llgem ein w erd en s der Interdependenz . . . . i 3 — 19. 3 A ) D as Prinzip der Fund a men LaIdemokr a tis ierung und die dagegen w irkenden, die D ik ta tu r erm öglichenden K r ä fte : K o n zen tratio n und M o n o p o lisierb a rk eit der M öglich keiten , a) in das F u n k tion ieren der G e s e ll­ sch a ft E in sic h t zu gew innen, b) disponierend zu handeln, c) G e w a lt anzuw en den ..................................19 — 24. 4 B ) D as Prinzip des Allgemeinwerdens der Interdepen­ denz. E la s tiz itä ts - und S ta rrh e itsfa k to re n im K a p ita ­ lism us. E n d gültige F ixie ru n g unserer F ragestellu n g : „ l é t der soziologische Quellpunkt der verschiedenen Formen des Rationalen in der Gesellschaft a u f weisbar V* . 2 4 — 27. 5 K lä ru n g der verschiedenen Bedeutungen des JKortes R ation alität. Su b stan tielle und funktionelle R a tio n a ­ litä t bezw . Ir ra tio n a litä t. Selb stratio n alisieru n g . R eflexio n . D ie funktionelle D u rch ratio n alisieru n g der G e se llsc h a ft ist der w ich tigste Q uellpun kt der S elb stratio n alisieru n g und der R e fle x iv itä t. . . 27-— 34. 6 D ie funktionelle Rationalisierung steigert keineswegs die substantielle R ationalität. D e r R u f nach dem F ü h rer. D ie A n g st, die das U n durch sichtigw erden unserer G ese llsc h a ft erw eck t. D ie lib erale G e se ll­ sch aftsstu fe w a r p sychologisch günstiger fü r die sub stan tielle R a tio n a litä t.................................................34 — 3 y x.

(19) 7. Seite. Is t der soziologische QueLipunkt der Irrationalismen in der Gesellschaft a u f weisbar ? D ie Triebverm assu ng. A rgum ente gegen die verein fach te M assen p sych ologie. D ie p ositive Bedeutung des Irra tio n a le n . S o z ia le M ech an ism en, die die Irra tio n a litä t in die P o litik lenken. D ie N o tw en d igk eit, soziale und psychologische F a k ta z u sa m m e n z u sc h a u e n .......................................... — 44. 8 Is t der soziologische Quellpunkt rationaler und irratio­ naler Elemente der A toral in der Gesellschaft a u f weisbar ? S ich tw e ite und V eran tw o rtu n g . D ie drei E tap p en im R ation alisieru n gsp rozeß der M o r a l und der soziale Prozeß, der sie b e w ir k t : H o rd en solid arität/ In d ivid u elle K onkurrenz/ N eu in tegratio n großer G r u p p e n ................................................................................ 4 4 — 5 o. 9 Irrationalisierungstendenzen in der A toral. D ie D o p p e l­ funktion der D em o k ratie. H ö ch ste Zusp itzun g der disp rop ortion alen E n tfaltu n g der seelischen K r ä fte und der d arau s entstehenden G efah ren . M ö g lich k eit und N o tw e n d ig k eit der Planung im G eb iete der seelischen M enschenform ung A V e r soll planen — w e r plant die P lanenden ? .................................................. 5 o -— 56. II. D. ie. s o z io l o g is c h e n. U. r sach en. K. der. g e g e n w ä r t ig e n. u l t u r k r is e. 1 D ie Schwierigkeiten, die dem Entdecken der R olle des Gesellschaftlichen im Kulturleben entgegenwirken. D ie A ntinom ien unseres G esellsch aftsa u fb a u es w irk en sich auch in der K u ltu r aus. XI.

(20) Seite. D ie drei Haupttheöen dieser Untersuchung : D ie ^ V irk k rä fte des L ib eralism u s zersetzen die K u ltu r a u f der S tu fe der m odernen M assen gesellsch aft/ D a s P rin zip der diktatorischen R egu lieru n g ist noch v e r­ h ängn isvoller als das freie W irk e n la sse n der K rä fte / D e r lib erale M ech an ism u s ist selbst der W e g b e ­ reiter d iktatorisch er L ö s u n g e n ........................... 5 7 _ 59 2. D ie beiden Zugangswege zur A nalyse der Bedeutung des Sozialen f ü r die K u ltu r : W irk u n g des nichtregulierten gesellschaftlich en Leben s a u f die K u ltu rg estalt. W irk u n g der regulierten G esellsch aftsp ro zesse a u f die K u ltu rg estalt. A ) D ie Beschreibung des Aufbaues der K u ltu r in der nicht regulierten (liberalen) Gesellschaft : D ie S tru k tu r der E litenbildung/ D ie S tru k tu r der Publikum sbildung/ D e r E in b au der In telligen zsch icht in die G esellsch aft, a) D ie Struktur der Elitenbildung. Z u r Soziologie der Intelligenzschicht. D ie F u n ktion der E lite n . D ie v ie r P r o ­ zesse der E liten bild u n g, die in der lib eralen G e se llsc h a ft a u f der S tu fe der M assen d em o kratie im negativen Sinne w irk en (P ro zesse des , , n egativen L i b e r a li s m u s 'd e r , , n egativen D em o ­ k ra tisie ru n g ") .....................................59.—64. 3 1 / Prozeß : D as Wachsen der Z a h l der Elitengruppen. D ie d araus entsteh­ enden F o lg e n ...................................... 4. 2/ P rozeß : D ie Zerstörung der E x k lu ­ sivität der Elitengruppen. D ie Führungslosigkeit in der sp ätliberalen X II. 64.

(21) Seite. M a ssen g e sellsch aft und ihre U r ­ sachen. W a r u m w ir keinen dom i­ nierenden K u n ststil haben. W a ru m die d iktatorischen G ru ppen bei ihrem V o rsto ß keinen W id e rsta n d fin d e n ................................................. 6 4 — 66 5. 3 / P rozeß :. D er H a n d el im S elek tionöprinzip der E liten . D ie drei w ich tigsten P rin zip ien der E lite n ­ selektion : B lu t, B e sitz , L eistun g. R assen p rin zip und L eistu n gsp rin ­ zip. D ie dem okratischen Form en der P riv ileg isieru n g und deren P a r a d o x i e n .................................... 6 6 — 70. 6 4/. P ro z eß : D er TE'andel in der Zuóammenöetzung der E lite n . Boden ständ ige und mobile E lite n . D ie aben dländi­ sche K u ltu rgem ein sch aft im w e ­ sentlichen Schöpfung der m obilen E lite n . C h ristlic h e r und w eltlich er H um anism us. Sym ptom e der so z ia ­ len R egressio n . W id ersp iegelu n g der sozialen R eg ressio n im S eelen ­ au fb au des E in zeln en . . . 7 0 — 7 3. 7 b) D ie Struktur der Publikumébildung in der liberalen /líaéóengeéelléchaft. W a s ist , , P ubliku m “ ? Sozio lo gisch e G ru n d ­ lagen des D a u e re rfo lg e s von A u to ren in der älteren G esellsc h aft. O r g a ­ nisches, atom isiertes, organ isiertes Publikum . A n a lo g e P ro zesse in der S p h äre der P o litik . V ersch ieb u n g des S ch w erg ew ic h te s von der kon­ stanten W ^ahlanhängerschaft zu den früheren N ic h tw ä h lern und zu den Jugendlichen . ........................ 7 3 — 76 X III.

(22) 8 Seite. c) Einbau der In telligenzsebicht in die Ge­ sellschaft. D ie P ro letarisieru n g der In ­ telligenz. D ie soziologischen U r s a ­ chen der gegen w ärtigen E n tw ertu n g des G eistes. D ie Intelligen z früh er weitgehend A n han g der herrschenden Schich t. D ie In telligenz en tw ickelte sich zu einer ,, re la tiv freischw ebenden Sch ich t' * in der lib eralen G esellsch aft. D a s S ch w in d en d er C h an cen , die diese F re ih e it m öglich m achten. D e r W a n ­ del in der sozialen H erk u n ft der In te l­ ligenzschicht und dessen Bedeutung fü r das K u ltu rn iv e au . D ie E in stellun g verschied en er so z iale r K la sse n zum R ation alisieru n gsp rozeß . Tendenzen zur gew altsam en Beeinflussung des gesellschaftlich -geistigen G esam tge­ schehens .................................................. 7 6 — 83. 9 D as Problem der K u ltu r in der Dfassengesellschaft. D ie F eh len tw icklu ngen des lib eralen M ech an ism us im K u ltu ­ rellen mögen zum T e il aus der zu rapiden U m form ung einer M in o ritä ­ tendem okratie in eine M assen d em o­ k ra tie stammen. D ie ,,große Z a h l“ allein ist kein Ü b e l ......................... 8 3 — 85 10 B ) E in ige Probleme der regulierten, insbesondere der diktatorisch regulierten K u ltu r. D iktatur ist an und f ü r sich noch keine Planung. W^arum die D ik ta tu re n der G eg en w a rt zum T o ta litä rw e rd e n neigen. D a s Problem der K r itik in einer geplanten G esellsch aft. D ie K r ise der öffentlichen G e se llsc h a ftsk ri­ tik in der sp ätlib eralen G esellsc h aft. V o n der U to p ie zum nackten R essentim ent. D ie K r itik in der D ik ta tu r XIV.

(23) Seite. D ie Planung werden wir auch im Gebiet der K u ltu r nicht vermeiden können. R ich tige P la ­ nung ist nicht V erg e w a ltig u n g des L eb en s, es ist das w o h lartik u lierte und üb erw ach te N ebeneinand er reg u lierter und freisch ö p fe­ risch er L e b e n sp ro z e s s e ................................ 8 5 .— 92 III. D. as. D. enken. auf. der. S. tu fe. der. P. lanu ng. 1 D ie Frage deó Umbaues menschlicher D enk - und IK ilLensfä híg keit. A lte und neue F orm en der Selb stb eob ­ achtung. D ie drei entscheidenden S tu fen m enschlichen D en kens und H an deln s : Finden , Erfinden , P lan en . Form en des Zuendedenken der F e rn Wirkungen : die lin eare K au sa lk ette ; der K r e is la u f im Z eich en des , , G leich g ew ich tes“ ; das Interdependenzdenken ; die m ehrdim ensionale S tru k tu r. D em neuartigen D en ken entspricht ein neuartiges Handeln. D isp o n ieren von den Schlüsselstellungen her . D e r Ü bergan g vom erfindenden zum planenden D e n ­ ken und H an d eln ist f l ü s s i g ............................... g 3 — 1 0 1 2 Ungeplantes und zielbewußt Erfundenes können nur solange nebeneinander bestehen, als die G eb iete des U ngeplanten überw iegen. W^ie fun ktion ierte das lib e ­ rale S ystem ? ^ V elch er gesellsch aftlich e M ech an ism us brachte die Sphärentrennung zustande? W ie fu n ktio­ nierte das Z u n ftsystem ? L ib eralism u s als Ü bergan g zw isch en zw e i Form en der geplanten G esellsch aft. D ie D en kform en und H an d lu n gsw eisen des Fin d en s, E rfin dens, P lan en s müssen einander angepaßt w erd en 1 0 2 — 1 i 3. 3 D ie Spannung zwischen Theorie und P ra x is ein S ym p ­ tom fü r das ungeklärte N ebeneinand erbestehen zw eie r D en k w eisen .. xv.

(24) Seite. D e r V e rsu c h einer A b leitu n g der w ichtigsten D en k sch ritte des abstrahierenden D en ken s aus dem Phänom en des E rfinde ns. W a s w ird durch sie an der W irk lic h k e it verd eckt ? D ie w ich tigsten D en ksch ritte des spezialistischen und sphärentrennenden D en kens. W^as w ird durch sie an der W irk lic h k e it verdeckt? K ein e nachträgliche V erkn üp fun g des vorh er G etren n ten . . . . n 3 — i 2 0. 4 D as Individuelle und Einm alige a u f der S tu fe des erfindenden D en ken s. Je d u rchorgan isierter eine G ese llsch a ft, umso größer w ird die N otw en d igkeit, auch das In d ivid u elle vorauszubestim m en. D ie s e r­ zw in gt die E rfo rsch u n g jen er P rinzip ien, die einen h istorisch -sozialen Sonderraum charakterisieren . W a s sind die ffprincipia média*‘ ? . . . . 125 —-i 3 o 5. Die L o g ik des historisch Einm aligen d a rf nicht von der der G en eralisieru n g getrennt w erd en . D a s A u ftau ch en der ,,p rin cip ia m é d ia " in der a ll­ täglichen Leb en serfahru ng. B e isp iele aus versch ied e­ nen G eb ieten der W isse n sc h a ft. D ie q u alitativ e und die q u an titative A n a ly se der ,,p rin cip ia m é d ia ". D ie G efah ren des übertriebenen Ö konom ism us und das Problem der H ie rarc h ie der W irk fa k to re n . i 3 o — 144. 6 Schwierigkeiten bei der Findung der ffprincipia média7*11. D ie ,,in statu n ascen d i" S ich t und die ,,p o st m ortem " S i c h t ..................................................................................1 4 5 — 149. 7 Die B egriffe Gründung, Planung, Verwaltung müssen von einander unterschieden werden. D e r B e g r iff der Strategie. Planung und G esch ich tlich k eit. D ie Idee der geplanten K on kurrenz. D ie B ü ro k ratisieru n g ist nicht die höchste F orm der Planu n g . . . . 1 4 9 — i55 XVI.

(25) 8 Seite. Probleme der TPillendbildung im Plan en. P lan en ist keine rein theoretische A u fg ab e. D ie Initialzündung kann von M in o ritäte n a u sg eh en .W id ersp rü ch e , die sich aus der Teilplan un g ergeben. B e steh t eine A u ssich t, daß der soziale M ech an ism u s die W ille n sa u sric h ­ tung von einem G egen ein an der in ein M ite in a n d er um biegt ? D e r form ale M ech an ism u s der W ille n s ­ in tegration . D ie G eg en w a rtsk rise als E rzieh u n gs­ prozeß ................................................................................. i 5 5 - i 63. 9 Dad Problem der Umformbarkeit ded Aíendchen. M ilie u S o zio lo gie und S tru k tu r-S o zio lo g ie. D r e i neuere L eh ren von der U m fo rm b ark eit des M en schen und ihre Bedeutung fü r das P lan en . D er Pragmatidmud. D e r Id ealism u s als A u sd ru ck der künstlichen Trennung von D en k en und H an d eln . D e r P ragm atism u s in sein er üblichen F o rm gibt eine rich ­ tige C h a ra k te ristik des D en ken s a u f der S tu fe des F in d e ns. A u f der S tu fe des E rfindens gilt er fü r die G ru pp e und nicht fü r das Individuum . D e r in d iv i­ duelle und der ko llek tive A k tio n srad iu s. D ie M ö g lic h ­ keit der S elb stk o rrek tu r a u f der S tu fe des P lan en s. D er Behavioridmud. D ie Seelenbeobachtung a u f der S tu fe der A lassen gesellsch aft. D ie Entdeckung der Bedeutung der „V e r h a ltu n g s w e is e “ . N u r bestim m te S eiten des S ein s sollen zur Ü bereinstim m ung gebrach t w erden . D ie A b stra k th e it d ieser Ein stellun g. B e h a ­ viorism us und F ascism u s. D e r F ascism u s als eine opti­ m ale K om bin ation von G e w a ltd ru c k und Suggestion. F o rm a l : m axim ale O rdnung, in h altlich : zur A n a r ­ chie tendierender Irratio n alism u s. D ie Tiefenpdychologie. N ic h t die V erh a ltu n g sw eise, sondern der ganze M en sch soll geändert w erd en . D a s P roblem des U nbew uß ten. In der T iefen p sych ologie ist die S tu fe der P lanun g nur erreich t, w enn die In te r­ dependenz des seelischen G eschehens mit dem S o zia le n erfaß t w ird . D ie G ren zen der U m fo rm b ark eit des M en schen . In w elch er R eih en folge geplant w erd en muß. D a s Problem der E rzieh u n g der E lite n in einer sta tisch e n u n d in e in e r dynam ischen G esellsc h aft. i 6 3 -—-19 7 XVII.

(26) IO. Seite. Neue M öglichkeiten, neue Schwierigkeiten. D ie N o t ­ w en digkeit einer neuartigen A rb eitsteilu n g in der 'W issen sch aft. D a s D en ken in Problem einheiten. D ie G efah ren des , , V o ra u se ile n s“ und des „ Z u r ü c k ­ b leib en s“ . D ie U n sich erh eitsfaktoren m üssen bei einem lebendigen D en ken stets in R echnung gestellt w erden . Abgrenzung gegen D ogm atism us und gegen die G ed an ken losigkeit, die sich Irratio n alism u s n e n n t ..................................................................................197«—-207. X V III.

(27) Z U G A N G. ZUM. T H E M A. ir leben in einer Z eit, die dem Sozialw issen ­ schaftler seine unmittelbare G egenw art als Feld neuartiger Erfahrungen darbietet. S o zio ­ logie der Geschichte a u f Grund von Geschichtsquellen findet sehr schnell ihre Grenzen an der K argh eit dieser Q uellen, die ja meistens erst durch Ergänzungen und Auslegungen den verborgenen Zusammenhang des Geschehens verraten. Freilich kommt auch miterlebte Geschichte nicht um die Interpretation herum •— ihr V orzug ist aber, aus der Fülle des M itgegenw ärtigen die Physiognomie der D inge und das Ineinanderwirken der K räfte herausheben zu können. D ie Gesam theit der w esentlichen W andlungen, die w ir heute erleben, ist nur dann richtig erfaßbar, wenn w ir sie als die Auflösung einer älteren G esell­ schaftsform und als den A ufbauprozeß einer neuen begreifen. G esellschaftliche W andlungen haben aber niem als den C h arakter des radikalen N eubaus, auch nicht in den sogenannten revolutionären P erioden ,. sie vereinen stets A ltes und N eues im Prozeß des U m baus. D esh alb ist die Beobachtung derjenigen Ereignisse und Strukturen, die aus der Auflösung alter Elemente und ihrer Umwandlung in neue entstehen, nicht weniger w ichtig als die angemessene E rfassu n g der radikalen Neubildungen. Spricht man schon in Bildern, so ist der bekannte V ergleich der G esellschaftsum w andlung mit einer Lokom otive, deren R äd er man w ährend der F ah rt auszutauschen hat, sachgem äßer als der mit einem völlig neuzubauenden H au se. D ah er sind im Prozeße des U m baus diejenigen Störungen, die durch das Nebeneinander der alten und der neuen Prinzipien entstehen, ebenso lehrreich für die Erkenntnis, die. W. Mensch und Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus. 1. 1.

(28) sie erklären, w ie einschneidend für das H andeln, das sie beseitigen soll. D ie letzte W u rzel aller Konflikte im gegenw är­ tigen Z eitalter des U m baus läßt sich in eine einfache Form el fassen. E s geht a u f der ganzen Linie um Spannungen, die aus dem unbew ältigten N ebenein­ anderw irken des ,,laisser-faire‘ 4-Prinzips und des neuen Prinzips der Regulierung entstehen. E s verm ag keiner von uns heute eindeutig zu sagen, wie die zukünftige G esellsch aft aussehen wird, denn w ir w issen aus der Geschichte, daß auch das radikal N eue am Ende nur eine Komponente der späteren W irklich keit zu sein pflegt, die ja immer mehr K rä fte und Strömungen zu verarbeiten hat als gerade jene eine, an der einer bestimmten A ufbaugruppe am meisten gelegen ist. S o viel scheint aber heute klar zu werden, daß es in allen fruchtbaren K äm pfen der G egenw art um irgend eine Form der geplanten G esellsch aft geht, die je nach den im Augenblick noch unberechenbaren politischen K o n ­ stellationen in den einzelnen Ländern sich verschieden gestalten kann. E s ist heute schon allgemein erkannt, daß das plan ­ lose N ebeneinander dieser beiden Prinzipien gew altige Kollisionen im Bereiche der W irtsch a ft und der Politik hervorruft. M itten in einer a u f w eltw irtschaftlichen A ustausch eingestellten Produktion schaffen w ir mit immer raffinierteren M itteln des Protektionism us national w irtschaftliche A utarkien. D e r technische Fortsch ritt zusammen mit der modernen Geld- und K red itw irtsch aft zur W ohlstandsm ehrung der M asse n bestimmt, bringt im Gegenteil ihre Pauperisierung im Krisenprozeß zustande und zerstört den M ark t seiner eigenen Erzeugnisse. W ir zentralisieren immer mehr die M ittel staatlicher Souverän ität und ebnen im nationalen Bereich die letzten R este früherer W^ider-.

(29) Standsmöglichkeiten ein, aber der Integrationsprozeß macht H a lt vor den Ansprüchen großer und kleiner M ach tstaaten , die mit den fortschrittlichen M itteln der Kriegstechnik nicht eine W eltpolizei, sondern die Selbstvernichtung organisieren. In allen diesen Erscheinungen können w ir immer w ieder denselben V organg entdecken. D ie die G esell­ schaft gestaltenden K rä fte und M ittel w achsen in einer Richtung, deren folgerichtige Erfüllung nur die Planung im Interesse aller sein könnte. Immer w ieder und oft unm ittelbar vor dem nächstfälligen Schritt, dem Ü b er­ gang zu höherartigen gesellschaftlichen Einheiten sch la­ gen diese K räfte in ein Gegeneinander um. D ie letzte V erantw ortung für dieses Scheitern aber scheint a u f die Unzulänglichkeit unseres D enkens und eine falsche Ausrichtung unseres politischen W illen s zu fallen. D a s falsche Denken w ird wohl darin bestehen, daß der moderne M ensch den Sinn und die Richtung der spontanen W^achstumsprozeße a u f heutiger Stufe noch nicht erkannt hat und sich nicht klarm acht, daß in diesem Stadium allgemeiner Interdependenz a u f die D a u e r kein Teilglied V orteil aus dem Unglück des P artners ziehen kann. D ie Richtung der politischen W illensintegration aber, die zugleich auch das D enken lenkt, w ird in der G egenw art vor allem deshalb verfehlt, w eil die kollektiven O rganisationen von solchen M enschen und Gruppen geleitet werden, denen die Um stellung au f die gebotene Entw icklung aus Tradition oder kurz­ fristigem Interesse am schw ersten fällt. D ie A bsicht dieses Buches ist es nun zu zeigen, daß dieselben Spannungen, die P olitik und W irtsch a ft unserer Z eit charakterisieren, auch im Bereiche der K ultur und der sozialen M enschenformung bestehen — mit nicht weniger zerstörenden W irkungen. Ja , viel­ leicht sind die politisch-ökonomischen W idersprüche 3.

(30) selbst nur der Ausdruck von D iskrepanzen im gesell­ schaftlichem G esam tgefüge. W en n die zur W e ltw irt­ sch aft treibenden Tendenzen letzten Endes lebens­ unfähige A utarkien verursachen und wenn die w ach ­ sende politische Integration im perialistische N atio n al­ staaten erzeugt, so kann das nur daran liegen, daß sich die objektiven Gesellschaftsbeziehungen im Sinne eines neuen Prinzips umbauen, nicht aber der M ensch, der sie denkend und handelnd gestalten soll. M an mag die w irtschaftlichen und politischen U nstim ­ migkeiten in ihrer Bedeutung noch so hoch einschätzen .— solange man nur von ihnen her die G esam tzusam ­ menhänge verfolgt, verdeckt man immer wesentliche Zw ischenglieder im gesellschaftlichen Gesam tgeschehen. D ie seelischen K risen, die durch die soziale U m schich­ tung und Auflösung entstanden sind, die Erschütterung, die der K ulturaufbau im Zusamm enhang mit ihnen erleidet, haben genau so ihre Struktürgesetze wie d as ökonomische und politische Geschehen. W ir müssen diese Strukturgesetze mit der größtmöglichen H ingabe herausarbeiten, sonst entgeht uns, daß unmittelbar in ihnen eigentlich der neue M ensch geboren w ird (der ja das wesentlichste Elem ent im neuen „gesellschaftlichen Produktionsprozeß“ sein soll), und w ir versperren uns dann den W e g zu der entscheidenden H älfte des G esam t­ geschehens. D ie s d arf nicht in dem Sinne mißverstanden werden, als ob w ir den M enschen und die K ultur aus ihrer sozialen Situation herausheben und gegenüber Politik und W irtsch aft verabsolutieren w ollten. E s ist aber etw as anderes, die Abhängigkeit von K ultur und Seelenleben von den w irtschaftlichen und politi­ schen Faktoren zu untersuchen und etw as anderes, die in der K u ltu r unmittelbar arbeitenden soziologischen K räfte in ihrer W irkung zu beobachten. N u r eine sehr einseitige A uffassung der K u ltu r4.

(31) Soziologie will ihr allein die Beschreibung jener W ir ­ kungen zur A ufgabe machen, die aus der W irtsch aft oder au s der Politik a u f die K ultur Zuströmen. E s ist völlig abwegig, in der K ultur nur eine Reflexerscheinung der w irtschaftlichen Strukturen zu sehen. Selb st wenn die W ^rtschaftszusam m enhänge die ,,unabhängige V a ­ riable“ im Geschichtsprozeß w ären, und man in ihnen den U rsprung aller Formen der gesellschaftlichen In te­ gration und Funktionsteilung sehen müßte (w as hier diesm al nicht zur D iskussion steht), auch dann w äre es noch eine besondere A ufgabe, zu untersuchen, wie sich diese durch die W irtsch aft angeregten Form en der V ergesellschaftung in den ‘ verschiedenen Gebieten menschlicher Betätigung ausw irken. Auch in diesem F alle würden die W irkungen der soziologischen P rin­ zipien au f das Kultur- und Seelenleben, unter ihnen die der Konkurrenz einerseits und der Regulierung andrer­ seits der dringlichste G egenstand der Forschung sein. In ihnen müßte man die immer w ieder geforderte „V e rm itt­ lung* 4 sehen, sozusagen einen Transm issionsriem en, der die in der W irtsch a ft auftretenden neuen Prinzipien durch eine entsprechende U m schaltung der Form en der V ergesellschaftung in das G ebiet der K ultur über­ trägt. M an könnte nun einwenden, daß die beiden Prinzipien, deren Auswirkungen im Kulturellen und Seelischen nach verschiedenen Richtungen hin dieses Buch in erster Reihe nachgehen w ill, nämlich die Prinzipien der Konkurrenz und der Regulierung selbst ökonomische Prinzipien seien. D iese Behauptung w äre aber falsch. Sie sind allgemeine soziologische Prinzipien, w ir haben sie nur (dem besonderen G ang unserer w issenschaftlichen Entw icklung entsprechend) zuerst in der W irtsch aft entdeckt und genau beobachtet. Ihre Ein- und Um schaltung m ag a u f w irtschaftliche W andlungen zurückgehen, ihr Eigenbedeutung w ird 5.

(32) aber dadurch faßbar, daß sie in allen A rten und G ebieten der V ergesellschaftung formgebend sind. W e r heute in diesem Sinne die W andlungen im K u l­ turellen und die typischen Umformungsprozeße des M enschen beobachten will, ist aber vor viel schw ieri­ gere A ufgaben gestellt als derjenige, der die Umformung der W irtsch aft verfolgt. D ie w irtschaftlichen E re ig ­ nisse haben heute eine solche Eindringlichkeit, daß ihre prim äre Bedeutung sehr schnell in das Bew ußtsein der M enschen eingegangen ist. D ie Inflation oder die strukturelle A rbeitslosigkeit sind solche einprägsam e E reignisse, und es bedarf keiner besonderen A nstren­ gung, den miterlebenden Beobach ter so w eit zu bringen, daß er in ihnen Funktionsfehler gesellschaftlichen G e ­ schehens sieht. Dem gegenüber sträuben sich heute noch nicht nur L aien , sondern auch W issen sch aftler dagegen, K u l­ turwandlungen und Kulturerschütterungen in ähnlichem Sinne funktionell als Folgen bestim mter gesellsch aft­ licher K onstellationen zu sehen. Und noch mehr W id erstän de sind zu überwinden, wenn man die seeli­ schen Erscheinungen und ihren W an d el a u f S o z ia l­ prozeße beziehen w ill. D ie Schw ierigkeit liegt nicht nur darin, daß der durchschnittliche B eobach ter bei der V ergegenw ärtigung der seelischen Reaktionen der M enschen und der K ultur er scheinungen keine Neigung hat, w issenschaftlich vorzugehen und nach K a u sa lzu ­ sammenhängen und Strukturen zu fragen. Sie w ird noch verstärk t durch die N otw endigkeit, die wahrnehm­ baren Phänomene ihrer unm ittelbar sichtbaren E r ­ scheinungsform zu entkleiden und sie in entsprechende, meistens nicht handgreifliche, sondern hinter der F a s ­ sade wirkende, soziale P rozesse umzudenken. So sieht man es einer sich durchsetzenden M einung in der G esellsch aft nicht ohne w eiteres an, daß sie das 6.

(33) Ergebnis eines Selektionsprozeßes ist, der viele in dieselbe Richtung strebende Lebensäußerungen inte­ griert ; der L a ie meint daher, es hat sie irgendeiner ausgedacht. Eine Umwandlung des öffentlichen N a tio ­ n alcharakters in einem Lande enthüllt sich nicht un­ m ittelbar als Produkt einer sozialen Umschichtung, bei der die vorbildlichen M odelle des D enkens und der V erhaltungsw eisen durch langsam oder plötzlich em por­ gekommene Führergruppen und E liten geschaffen w u r­ den. Fern er sieht man es einer neuen pädagogischen, psychologischen D enkw eise nicht unm ittelbar an, daß sie in einem Forschungs- und Erlebniszusam m enhang zustande gekommen ist, der w eit über das einzelne Individuum hinausragt. Jed er ist sich k lar darüber, daß w ir in der m ateriellen Produktion stets Stücke der gesam ten gesellschaftlichen A rbeitsteilung vor uns haben, aber niemand rekonstruiert sich den historisch gewordenen Prozeß der Funktionsteilung im geistigen Leben. D ie Illusion der absoluten Eigenständigkeit so mancher individueller Leistung geht a u f dieses V ernachlässigen soziologischer Selbstbesinnung zurück. E s ist die eigentlich soziologische A ufgabe, diese in den einzelnen Lebenskreisen nicht unm ittelbar sichtbar werdende, aber dennoch ständig vorhandene Struktur­ ganzheit der G esellsch aft aus ihren Stücken zu er­ schließen. D ie Soziologie der K ultur und die Lehre von der sozialen Umformung des M enschen sind Teile dieser A ufgabe, und w ir müssen damit anfangen, unm ittelbar sichtbarw erdende W andlungen in diesen G ebieten in das Soziologische zu übersetzen -—■ d. h. sie als T eil­ stücke im Gesam tprozeß der Gesellschaftsum form ung zu sehen. W a s N ew ton getan hat, als er den vom Baum e fallenden A pfel nicht als einen A pfel, sondern a ls A usdruck des Fallgesetzes nahm, ist für die seeli­ schen und kulturellen Phänomene noch nicht geschehen. 7.

(34) Sie sind noch nicht so w eit an alysiert und zu anderen Ereignisreihen in Beziehung gesetzt, daß das in ihnen w altende soziologische Bew egungs- und A bw andlungs­ prinzip immer w ieder entsprechend form uliert w orden w äre. G enau so, wie man keine Geldtheorie entwerfen könnte, wenn man das Geld in jener unmittelbaren Anschaulichkeit hinnehmen würde, w ie es sich dem M enschen des A lltags gibt, wie man erst dann anfängt, vom Geld etw as zu verstehen, wenn man die an ihm wahrnehmbaren W andlungen in gesellschaftlich-öko­ nomische Funktionsgesetzmäßigkeiten übersetzt, so werden w ir auch bei den übrigen Erscheinungen des menschlich-gesellschaftlichen Gesam tgeschehens eine solche Ü bersetzungsarbeit konsequent durchführen müssen. A ll das bedeutet nicht, daß w ir neben der Soziologie keine Psychologie, keine Ä sthetik, keine R echtsw issenschaft m .a .W . keine sonstigen W isse n ­ schaften vom M enschen und keine Kulturlehren gelten lassen wollten. W ir meinen nur, solange alle diese E inzelw issenschaften neben ihren eigenen Ergebnissen die soziologische Ü bersetzungsarbeit nicht zu leisten imstande sind, w ird ihnen eine der w esentlichsten Seiten ihres Gegenstandes entgehen. M an kann heute keine system atische oder geschichtliche D a r ­ stellung des, Rechts, der Religion, der K un st usw . schreiben, ohne diese Phänomene zugleich als gesell­ schaftliche Erscheinungen zu sehen, keine Psychologie und keine inhaltliche Seelengeschichte, ohne das S o zia le in der Psyche des Einzelnen und der V ielen zu erkennen. D ie folgenden Untersuchungen stellen einen ersten Schritt dar im Bemühen um eine solche Ü bersetzungs­ arbeit im G ebiete der Gegenw artsereignisse.W ^o es um ein Eindringen in den Bereich neuartiger Problem stel­ lungen geht, ist es wohl das Richtige, die H altung des Suchenden ausdrücklich zu bekräftigen. W dr bringen 8.

(35) deshalb nicht ein fertiges D enkgebäude an die Sachen heran. W dr sind viel mehr a u f konsequente Problemstellungen bedacht, die die ursprüngliche V erschlungenheit der W irklich keit nachzeichnen w ollen als a u f einen reinen Schem atism us oder ein durch­ konstruiertes System . D ie s ist auch die U rsach e, w es­ halb W idersprüche, die aus einer solchen A rt der B e ­ trachtung aufsteigen, nicht ausgem erzt werden, denn ihre Fruchtbarkeit besteht darin, daß sie den L eser zum W eiterdenken und W eiterbeobachten anregen. E s sind aus ähnlichen Gründen ab und zu W ie d e r­ holungen nicht unterdrückt, sofern sie dieselbe T atsach e in der Beleuchtung eines anderen Problemzusam men­ hanges sehen lassen. D e r W e g zur Synthese und zum Interdependenz­ denken •— über dessen E igen art in der dritten U n ter­ suchung ( ,,D a s Denken a u f der Stufe der Planung“ ) noch Ausführlicheres zu sagen sein w ird <— findet seine M ethoden am ehesten au f Grund eigener Zugriffe und nicht in der bloßen Nebeneinanderstellung spezial w is­ senschaftlicher Einzelergebnisse 1). D ie angemessene D arstellun g hat von konkreten Problemstellungen auszugehen, die, wenn sie auch nicht gleich ein ganzes Strukturbild in sich enthalten, dennoch dort nach allen Richtungen hin ausholen, wo es gilt, die ursprüngliche M ehrdim ensionalität eines jeden wirklichen Geschehens herzustellen. Jed es K ap itel geht dementsprechend von einem bestimmten, in sich geschlossenen Problem aus und trachtet, allmählich zu der zentralen Frage unserer Z eit und zu einer einheitlichen Sicht vorzustoßen. In *) D ies schließt nicht aus, daß zunächst jeder Versuch, eine Kooperation zwischen den verschiedenen Spezialwissenschaften zu fördern, begrüßenswert ist. Ich nenne hier nur zwei amerikanische Bücher. Ogburn, W . , Goldenweiéer, A . : The Social Sciences and their Interrelations. Boston 19 2 7 , M eiklejohn : The Experimental College. London 19 32 (Beide mit guten Bibliographien).. 9.

(36) den ersten beiden Untersuchungen beschäftigen uns die negativen Phänomene der Auflösung, die K risen im Seelenleben der modernen M assen gesellsch aft, sodann die Probleme, die mit den jüngsten Kulturw andlungen Zusammenhängen. E rst in der dritten, für diesen B an d w esentlichsten Untersuchung w ird es völlig bewußt gemacht, in welchem Sinne negative und p osi­ tive Symptome in unserer G esam tsituation zusammen­ gehören und welch radikale Um stellung unseres D e n ­ kens, welch durchgreifende soziale Umformung des M enschen im G ange ist. D a s Buch möchte eine H ilfe für diejenigen sein, die um ein w issenschaftliches V erständnis der G egen­ w art ringen. D ah er werden es sow ohl der gebildete L a ie als der spezialisierte Fachm ann sicherlich begrüßen, wenn an entscheidenden Stellen reichhaltigere biblio­ graphische H inw eise als üblich gegeben und ganz beson­ ders die Schlüsselstellungen, von denen aus man den Zugang zu den entscheidenden Bibliographien findet, angedeutet werden. E s zeigt sich nämlich auch hier, daß dem w issenschaftlichen V erständnis der G egenw art nicht nur aus der M annigfaltigkeit neuer Tatsachen, sondern auch aus dem w eiteren U m stand Schw ierigkei­ ten erwachsen, daß die bereits vorhandenen Ergebnisse der Forschung in Büchern und Einzeluntersuchungen verstreut sind. M eisten s sind unsere Bibliographien nach spezialisierten Fachgebieten und nicht nach dem Prinzip der Zusamm engehörigkeit der Probleme ge­ ordnet. W e r also den inneren Zusammenhängen einer Sache nachgehen will, muß die L iteratu r immer w ieder von neuem zusammenschauen und umgruppieren.. 10.

(37) R A T I O N A L E UND I R R A T I O N A L E E L E M E N T E IN U N S E R E R GESELLSCHAFT I. an muß aus der K rise zu lernen verstehen. D a s Problem des M enschen und seiner W an d e lb ar­ keit ist vielen erst durch die Ereignisse der letzten Jah re aufgegangen. Z w ei V orurteile sind au f einmal zusammengebrochen : einmal der G laube an die D au erh aftigk eit eines „ V o lk s C h a r a k t e r s “ f zw eitens der G laube an einen allmähligen „F o rtsch ritt der V ernunft in der G eschichte“ . E s wurde plötzlich sichtbar, daß unsere alltägliche, meistens auch unsere w issenschaftliche Psychologie unbewußt mit V oraussetzungen arbeiten, die an eine konsolidierte G esellsch aft gebunden sind. E s wurde klar, daß auch die genaueste Beobachtung des Indi­ viduums wie der M assen , wenn sie den jeweiligen A ggregatszustand und die Struktur der sie tragenden G esellsch aft vernachlässigt, zu einem falschen Bilde gelangt. E s gibt die D auerh aftigkeit des V olksgeistes und die langsam e A b W andelbarkeit der V erhaltungs w eisen nur, solange die G esellsch aft konstant ist und W a n d ­ lungen in ihr sich langsam vollziehen. E s gibt einen Fortsch ritt der V ernünftigkeit und ein N iederhalten des C haotischen in uns nur, solange im G esellsch aftsau fbau bestimmte Bedingungen erfüllt sind und bestimmte K räfte in dieser Richtung arbeiten. D ie w issenschaftliche K lärung der R olle des R a tio ­ nalen und Irrationalen in uns ist noch w ichtiger als. M.

(38) die etw aige Rettung der Lehre vom V olksgeist, die stets vom unbewußten Streben diktiert w ar, den M enschen und die G esellschaft nicht über einen gegebenen Z u ­ stand hinauskommen zu lassen. Dem gegenüber w ar der Fortschrittsglaube von jeher der G aran t einer jeden Bemühung, den M enschen oder die G esellsch aft in der Richtung eines B esseren umzubauen. D ie destruktive W irkung der E rlebnisse der letzten Periode bestand garnicht darin, daß bestimmte Gruppen und Schichten, bei denen man auch früher die latente H errsch aft der irrationalen Im pulse vermuten konnte, sich jetzt öffentlich diesen verschrieben haben, sondern in der Fassun gslosigkeit jener anderen Gruppen, die einen W id erstan d gegen einen einseitigen Irratio n a­ lismus hätten leisten können und denen wie mit einem Schlage der G laube an die gesellschaftsform ende M ach t der V ernunft verloren ging. D iese Ohnm acht der früher führenden Gruppen, die seit der A ufklärung zumindest den Ton angegeben haben, machte es von neuem klar, wie w ichtig das V o r ­ handensein des G laubens an die eigene M ission ist und daß es keineswegs gleichgültig ist, wie M enschen­ gruppen über den allgemeinen G ang der Geschichte, über ihre Funktion in ihr denken. W ir müssen es deshalb fertigbringen, über die Grundzüge des ge­ samten Geschehens uns ein erneuertes Bild zu v er­ schaffen. Ausgegangen werden muß hierbei von der E inord­ nung der neuesten, die V erw irrung eigentlich v eru rsa­ chenden Erfahrungen über die G ew alt des Irration alen im geschichtlichen Geschehen. E s könnte sein, daß der G laube an einen F ortsch ritt der V ernunft in der Geschichte ein reiner W ah n w ar. E s könnte aber auch sein, daß die bisherige Prognose eines stetigen W a c h s­ tums der V ernunft nur eine Komponente des G esam tge­.

(39) schehens erfaßt hat und man erst jetzt die W uch t der übrigen Faktoren, die auch früher latent da w aren, zu sehen bekam. E s ist klar, daß w ir mit solchen Fragen zu Problem ­ stellungen der A ufklärung zurückgeleitet werden. W ir dürfen uns aber nicht scheuen, zu den Q uellen unseres W eltb ildes zurückzugehen und von ihnen her fundamen­ tale Fragen von neuem aufzurollen. D ie Fragen der A ufklärung, wie w eit die Geschichte durch rationale Überlegung und wie w eit sie durch irrationale K rä fte gelenkt wird, wie w eit m oralisches H andeln eine C hance hat, sich gesellschaftlich durchzusetzen, oder wie w eit blindes, triebhaftes R eagieren in entscheiden­ den Situationen der Geschichte ausschlaggebend ist, d as alles ist unter dem Eindruck der zeitgenössischen E reignisse von neuem als F rag e zu stellen. W dr haben heute die M öglichkeit, diese Fragen in einem viel genaueren Sinne als früher zu formulieren. F ü r uns bilden sie nicht mehr ein Thema geschichtsphiloso­ phischer Spekulationen. S eit jener Z eit haben sich eine Reihe von psychologischen und soziologischen E rfa h ­ rungen angesammelt, und es b ed arf eigentlich nur eines zusam menfassenden Entw urfes, der die D etaileinsichten zw eier D isziplinen an ihre richtige Stelle bringt.I. II. Ich möchte die folgenden Gedankengänge mit einem B eispiel beginnen, an dem sich die drei einleitenden H auptthesen dieser Untersuchung sinnfällig aufzeigen lassen. M an stelle sich vor, man stehe an einer verkehrs­ reichen Straßenecke in einer großen S tad t. Rund herum ist alles in Bewegung. Z ur linken schiebt ein M ann mühsam einen K arren, in gemächlichem T rab zieht rechts i3.

(40) ein Pferd einen W agen . V on verschiedenen Seiten rollen A utos und A utobusse vorbei. Irgendwo in der L u ft brummt ein Flieger. In all dem ist nichts U ngew öhn­ liches, nichts, w as heute Ü berraschung oder Erstaunen hervorruft. N u r wenn man in jene D im ension der A n a ­ lyse vordringt, die die scheinbare Selbstverständlichkeit der Alltagserscheinungen rückgängig macht, w ird man zu sehen bekommen, daß auch diese durch die G ew öh­ nung uninteressant gewordenen D inge T räger w esent­ licher G esellschaftszusam m enhänge sind und trotz ihrer scheinbaren Z ufälligkeit wichtige soziologische Probleme und Spannungen bergen. Schubkarren, W agen , Autom obil und Flugzeug stellen jedes für sich typische V erkehrsm ittel verschiedener historischer Perioden dar und vertreten also verschiedene historische Phasen der technischen Entwicklung. T rotz ihrer verschieden­ artigen geschichtlichen H erkunft, trotz ihrer histori­ schen Ungleichzeitigkeit vertragen sie sich in der soeben geschilderten Szene miteinander. Ihr gleichzeitiges Funktionieren führt zu keinen w esentlichen Reibungen. D e r Kunsthistoriker P in d e r1) hat diese ,,Gleichzeitig­ keit des Ungleichzeitigen“ in seinem Gebiete ursprüng­ lich beobachtet. In der T a t braucht auch in der K u n st d as Beisam m ensein von dem U rsprünge nach verschiede­ nen Gebilden und K räften keinesw egs zu schwierigen Spannungen oder gar zu K risen führen. S o leben etw a in einer alten K ath edrale romanische Grundmauern, gotische Säulen und barocke D ekoration friedlich miteinander. A ber wie reibungslos auch in manchen Gebieten des sozialen und geistigen Geschehens Schöpfungen ver­ schiedener Epochen nebeneinander bestehen mögen : es gibt Situationen, in denen diese wesensmäßige *) P ind er,. M. W . : D as. Problem der Generation, Berlin 1926..

(41) Ungleichzeitigkeit zu den heftigsten Störungen führt. W ir müssen nur die soeben geschilderte Szene in unserer Phantasie entsprechend abw andeln und bekom­ men dann ohne w eiteres die Spannung und ihre zerstö­ renden Folgen zu sehen. M an muß sich nur vorstellen, daß der Flieger, der soeben noch harm los und ruhig über uns kreiste, plötzlich eine Ladung Bomben abw irft. Im nächsten Augenblick ist alles unter ihm verw üstet, alles Lebende vernichtet. Jed er von uns wird zugeben, daß diese Abw andlung des B ildes in unserer L age keineswegs nur eine mögliche Gedankenkonstruktion bedeutet, sondern zu jenen A ngstvorstellungen gehört, mit deren V erw irklichung w ir ständig rechnen. Im Zeichen dieses A lbdrucks verringert sich auch unwillkürlich in uns jene Bewunderung für den mensch­ lichen Fortschritt, die das Grunddogma vorangehender G enerationen w ar. Sicher haben die M enschen, w as das technisch-naturw issenschaftliche W issen angeht, seit der Erfindung des W ag en s w underbare Errungen­ schaften vollbracht. Ist aber die menschliche Einsicht, — so fragen w ir uns — a u f anderen Gebieten heute so sehr verschieden von den Tagen des Schubkarrens ? Bew egen sich unsere M otive und Impulse wirklich a u f einer anderen oder gar höheren Ebene als die unserer V orfahren ? W a s bedeutet die H andlung des Fliegers, der B om ­ ben abw irft ? Sicherlich dies, daß der M ensch sich die neuesten Ergebnisse technischen Erfindergeistes anzu­ eignen vermag, um uralte, primitive Im pulse und M otive zu befriedigen. W en n also eine S ta d t mit den technischen M itteln moderner K riegskunst zerstört wird, so muß dies der T atsach e zugeschrieben werden, daß die Entw icklung der technischen Naturbeherrschung meilenweit der Entw icklung der moralischen K rä fte und des menschlichen W isse n s um die Ordnung und L en ­ i5.

(42) kung der G esellsch aft vorausgeeilt ist. U m nun der T atsach e, die mit dem angeführten Bilde gemeint ist, einen soziologischen N am en zu geben und sie w issen ­ schaftlich erforschbar zu machen, werden w ir von nun an in solchen Fällen von einer d i s p r o p o r t i o n a l e n E n t w i c k l u n g der menschlichen Fä­ h i g k e i t e n reden. D e r Einzelm ensch w ie die großen historischen Gruppen können darunter leiden, unter Um ständen sogar daran zugrunde gehen, daß sich ihre verschiedenen Fähigkeiten ungleichmäßig, nicht aufein­ ander abgestim mt entwickeln. W^as uns aus der K in d er­ psychologie wohl vertraut ist, daß ein Jugendlicher sich geistig ungeheuer schnell entwickeln kann, w ährend seine m oralischen U rteile oder seine G em ütsqualitäten a u f einer infantilen Ebene stehen bleiben, das ist auch im Leben der historischen Gruppen möglich. Ist eine solche Unausgeglichenheit in der G esam tentw ick­ lung schon für d as Individuum gefährlich, so muß sie innerhalb einer G esellsch aft über kurz oder lang zur K atastro p h e führen. D esh alb stelle ich eine e r s t e T h e s e im folgenden Sinne a u f : unsere gegenw ärtige G esellschaftsordnung muß zusammenbrechen, wenn die rationale M enschen­ beherrschung und Selbstbeherrschung nicht mit der technischen Entw icklung Schritt hält. D ie D isp ro p ortion alität in der Entw icklung der menschlichen Fähigkeiten hat einen doppelten Sinn. So w eit sie d arau f abzielt, daß in einer G esellsch aft das technische und naturw issenschaftliche W isse n den m oralischen K räften und der Einsicht in das W irken der gesellschaftlichen M äch te vorausgeeilt ist, spreche ich von ,,a l l g e m e i n e r D i s p r o p o r t i n a l i t ä t in der E n t w i c k l u n g der m e n s c h ­ l i c h e n F ä h i g k e i t e n * . Zum anderen handelt es sich darum, daß in keiner nur etw as komplizierteren histo16.

(43) rischen G esellsch aft diejenige V ernünftigkeit und M o r a ­ lität, die zur Bew ältigung der durch die W irtsch a ft und G esellschaft gestellten A ufgaben nötig ist, in allen Gruppen und Schichten gleichmäßig entwickelt w ar. D iese zweite A rt der D isproportion alität bezeichne ich als die „ s o z i a l e D i s p r o p o r t i o n a l i ­ t ä t “ der V erteilung der rationalen und moralischen Fähigkeiten in der menschlichen G esellschaft. Im Anschluß an diese terminologische K lärung des Phänomens stelle ich zugleich eine z w e i t e T h e s e a u f : die Entfaltung der R ation alität, der Formung des Trieblebens und die G estaltung der M o ra litä t in der gesellschaftlichen Entw icklung ist keine zufällige und keinesw egs in erster Reihe die Angelegenheit einzelner Individuen und ihrer zufälligen Begabungen, sondern ist abhängig von den durch die jew eilige G esellsch afts­ struktur gestellten A ufgaben. A chtet man aber in erster Reihe au f diese Struktur, so w ird man entdecken müssen, daß erst die jew eilige soziale Funktions- und Arbeitsteilung den Indivi­ duen und ihren Begabungen ihren sozialen P latz anw eist, indem sie jew eils verschieden geartete C h an ­ cen für eine Elitenbildung überhaupt im Gebiete des W isse n s und der W dllensbildung schafft. D ie G esell­ schaftsstruktur ist es, die in diesem Sinne bestimmte Gruppen begünstigt und andere Gruppen zur P assiv ität verurteilt, indem sie den einen A ufgaben zuerteilt, die bestimmte D enkakte und Entscheidungen erzwingen, während andere nur durch einen V erzicht au f Einsicht und Initiative sich ihrer L ag e anpassen können. B ei den Indern z.B . hat diese funktionelle Verteilung der geistigen und willensmäßigen Q ualitäten gerade­ zu eine kastenmäßige G estalt angenommen, indem die P riesterkaste die gesam te geistig-seelische A u sbil­ dung und H öchstleistung, die K riegerkaste den gesamMensch und Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus. 2. 17.

(44) ten M achtw illen in sich konzentrierte. Ähnlich, wenn auch nicht so schroff, w ar die soziale Funktionsteilung der willensmäßigen und geistigen K rä fte im M ittelalter zwischen den Ständen des A dels und der K leriker. A ls dritte These möchte ich die Behauptung au f­ stellen : daß alle bisherigen G esellschaftsordnungen sich erlauben konnten, eine D isproportion alität in der V erteilung der R atio und der m oralischen K rä fte gel­ ten zu lassen, w eil sie gerade au f dieser sozialen D is ­ proportionalität der rationalen und moralischen E le ­ mente beruhten. Eine durch einen D espoten beherrschte G esellsch aft «— um das extrem ste Beispiel zu erw äh­ nen, in dem d as W irken der K rä fte ungetrübt zu beob­ achten ist *— besteht eben dadurch, daß die zur G esell­ schaftsbeherrschung nötige m axim ale Einsicht und Initiative bei dem D espoten zu finden ist und die übrigen, die Sklaven und U nterjochten, dafür ohne Einsicht in d as G anze und ohne Initiative sind. Dem gegenüber ist das N eue an der modernen G esellschaft, daß sie m .E . die beiden erwähnten Form en der D isp ro p ortion a­ lität au f die D au e r nicht ertragen kann : w eder den allgemeinen M angel an R atio n alität und M o ra litä t in der geistigen Beherrschung des Gesam tprozeßes noch ihre ungleichmäßig soziale Verteilung. W aru m diese D isproportion alitäten a u f die D a u e r für unsere G esellsch aft untragbar sind, w ird an zwei Tatsachenreihen deutlich, die gerade für die moderne G esellsch aft wesentlich sind. E inerseits aktiviert unsere industrielle G esellsch aft immer mehr auch diejenigen Schichten und Gruppen, die früher nur p assiv an dem politischen Leben teilnahmen. Ich nenne diese durchgrei­ fende Aktivierung die ,, F u n d a m e n t a l d e ­ mokratisierung der Gesellschaft“. A ndererseits entwickelt sich in unserer G esellsch aft ein Phänomen, das w ir den Prozeß der I n t e r d e ­ 18.

(45) p e n d e n z nennen wollen. E s besteht in der immer genauer werdenden Verklam m erung der einzelnen H andlungsgefüge. D ie genauere A nalyse dieser beiden Tatsachenreihen soll uns nunmehr in erster Reihe beschäftigen. III. Immer mehr soziale Schichten streben heute nach einem A nteil an der G estaltung der Gemeinwesen wie der S taate n und nach einer eignen Interessenvertre­ tung. D ie T atsach e, daß sie aus geistig rückständigen M asse n kommen, ist gerade für jene Eliten verhängnis­ voll, die früher an der geistigen N iederhaltung der M asse n interessiert w aren. E s lohnte sich solange für die herrschenden Schichten, die ^M assen geistig niederzuhalten, als die E liten damit rechnen konnten, daß die Stum pfheit der M asse n sie von der politischen A ktion überhaupt fernhielt. A uch heute noch neigen D iktatoren dazu, nach ihrem A ufstieg dieselben M asse n durch deren politische A ktivierung sie hochgekommen sind, in ihrem W illensaktivism us zu neutralisieren. M a g das auch zeitw eilig gelingen, so w irkt doch der indus­ trielle A p p arat im Hintergründe a u f die D a u e r aktivie­ rend, und sobald die M assen a u f irgend einem W eg e doch in die Politik eingreifen, w ird ihre geistige U nzulänglich­ keit, in erster Reihe ihre U nzulänglichkeit im G ebiete der politischen Bildung zur öffentlichen Angelegenheit und zur Sch icksalsfrage dieser Eliten selbst. W^enn w ir heute manchmal den Eindruck haben, daß M a sse n ­ psychose in entscheidenden Augenblicken die W e lt regiert, so liegt das nicht daran, daß früher etw a weniger Unvernunft und Irratio n alität in der W e lt w aren, sondern nur daran, daß diese sich in den engeren Lebenskreisen, im G ebiete des Privaten betätigten und *9.

(46) erst heute durch die allgemeine Aktivierung, die die industrielle G esellsch aft zustande bringt, in die Ö ffen t­ lichkeit drängen und gegebenenfalls auch die Ö ffent­ lichkeit zu lenken imstande sind. Solange die D em okratie nur eine Pseudodem okratie w ar, insofern als sie nur kleine Gruppen des B esitzes und der Bildung und allm ählich des P ro letariats zur politischen Geltung brachte, w irkte sie in der Richtung a u f Steigerung der V ernünftigkeit, wenn auch tatsäch ­ lich nur au f die vernünftige V ertretung der eigenen Interessen. Seitdem aber die D em okratie effektiv geworden ist, das heißt alle Schichten der G esellsch aft aktiviert, schlägt sie immer mehr in d as um, w as M a x Scheler die „Stim m ungsdem okratie“ genannt hat, d. h. sie gibt nicht den wohlverstandenen Interessen der die G esellschaft ausmachenden Gruppen Ausdruck, son­ dern den plötzlichen Stim mungsaufwallungen der durch Stimmungsmache beherrschten M assen . S a h früher die W e lt so aus, als sollte sich ein immer zugespitzterer Interessenkam pf vorbereiten, w obei man annehmen konnte, daß die rationalisierbaren Interessen stufen­ w eise in G estalt des K om prom isses oder durch Einsicht in die nötige gesellschaftliche U m organisation sich soziale G estalt geben könnten, so sieht es heute so aus, als ob die zukünftigen Auseinandersetzungen solche der verschiedenen Form en des Unvernünftigen sein würden. D erartige M assen k räfte dringen in den G ärungsstadien neuerer Revolutionen immer gew altiger nach oben. Jene Führergruppen, die da meinen, sich dieser K räfte nur zu bedienen, w erden immer mehr dem G esetz unterliegen, geschoben zu werden, wo sie zu schieben glauben. W ir sehen hier die eine Q uelle für die U nhaltbarkeit der sozialen D isproportion alität der Vernünftigkeit. D ie allgemeine D em okratisierung macht es unmöglich, 20.

(47) die M asse n in ihrer ursprünglichen U naufgeklärtheit zu belassen. Entw eder w ill man D em okratie, dann muß man alle au f eine zumindest verw andte Einsichtsstufe bringen, oder man muß die D em okratisierung rück­ gängig machen, w as ja die diktatorischen Parteien not­ wendigerweise versuchen. D ie F rage ist nur, w iew eit solche V ersuche zur Zentralisierung und Beherrschung der Einzelw illen (die das Entstehen und den B estand der diktatorieilen Lösungen allein garantieren können) in w achsenden W iderspruch treten zu den Lebensbedingungen der industriellen G esellschaft. E s ist schwierig, im gegen­ w ärtigen Stadium eine B i l a n z d e r K r ä f t e zu ziehen, die für und gegen den Fortgang der Fundam en­ taldem okratisierung wirken. Jede K onzentration des Sach ap p arates, wie sie M a rx und M a x W eb er be­ schrieben haben, die K onzentration der Produk­ tionsmittel, aber auch die der politisch-m ilitärischen M achtm ittel bedroht das dynamische Prinzip der A k ti­ vierung in wachsendem M aße und fördert a u f der Stufe des K apitalism us wie des Kommunismus die H errsch aft kleiner M inderheiten. D o rt mit der Tendenz zu einer politisch-ökonomisch-kulturellen Feudalisierung x), hier zur T otalbürokratisierung des W issen s- und WTllensfunktionen. Abgesehen von der K onzentration und Z en tralisation der K ap itale sind es vor allem drei Form en der M on o­ polisierung gesellschaftlicher M achtpositionen, die dem Prozeß der Fundam entaldem okratisierung entgegen­ w irken : a) W ähren d die disponierenden Elitengruppen früher ihre Einsichten und Entscheidungen au f einer 2) Über die Chancen einer neuen Aristokratiebildung im Kapitalismus vgl. B rinkm an n, C . : „D ie Aristokratie im kapitalistischen Zeitalter". Im Grundriß. der Sozialökonomik, A bt. I X . Teil I. S. 22. ff. Tübingen 19 3 1..

(48) allgemeinen Lebensorientierung aufbauten, die w eiten Gruppen zugänglich w ar, steigert der Prozeß der R ationalisierung im w eitesten Sinn (wie w ir das noch später genauer zu zeigen haben werden) immer mehr die Bedeutung des spezialisierten und arbeitsteilig tr a i­ nierten Fachm anns. D am it k o n z e n t r i e r t sich die g e s e l l s c h a f t l i c h e E i n s i c h t und D is ­ positionsfähigkeit sozusagen aus sachlichen Gründen immer mehr in den K öpfen w eniger Politiker, W ir t­ schaftsführer, V erw altungstechniker und R ech tsspe­ zialisten. b) H an d in H an d mit dieser M onopolisierung des W dssens geht die K o n z e n t r a t i o n d e s H a n d e l n s in einer von den übrigen sozialen Schichten sich immer mehr abhebenden Bürokratie x). N ich t der W irku n gs­ grad der A rbeitsleistung, die Interessenbildungen und die sachlichen Zielvorstellungen sind das W esentliche in dem U nterschied zwischen individuellen D isp o siti­ onen des liberalen Z eitalters und der bürokratischen O rgan isation der G egenw art und nächsten Zukunft. Entscheidend ist die Bildung einer geradezu klassen ­ ähnlichen Bürokratenschicht, die längst über den Bereich der öffentlichen V erw altung hinaus W irtsch aft und K ultursphäre durchdringt. A ls Zünglein an der W"age zwischen den streitenden Gruppen der G esell­ schaft oder als Bundesgenosse bestimmter Schichten tendiert die B ürokratie dahin, sich selbst jedenfalls als Funktionseinheit zu konstituieren und ihr D isp o ­ sitionsmonopol mit allen sozialen W affen der G ruppen­ schliessung bis hin zur Am tserblichkeit zu sichern. c) F ü r die politischen Entscheidungskäm pfe der nächsten Z eit dürfte aber die größte Bedeutung bei*) *) V gl. zum Folgenden das Kapitel über „Bürokratie" in M a x JVeberé „W irtsch aft und Gesellschaft“ in „Grundriß der Sozialökonomik“ . Bd. I I I . Tübingen 19 2 2..

(49) der K o n z e n t r a t i o n d e r m i l i t ä r i s c h e n M a c h t m i t t e l liegen. Schon in früheren G esell­ schaftsordnungen bot dieser Bereich eine besondere Chance, ein Gew altm onopol für diejenigen M inoritäten zu schaffen, die sich ihrer gerade bemächtigten. D ie im W erd en befindliche K onzentration der K am pfm ittel macht es wahrscheinlich, daß neue D iktatoren von rechts und links eine A rt von Janitscharenheer aus Kriegstechnikern und Spezialisten bilden werden. G anz wie jene die Türkenmacht begründende Arm ee könnte eine Truppe von der allgemeinen Bevölkerung so stark sozial distanziert sein, daß man sie stets gegen diese verw erten könnte. D ie K onzentration der K riegsm ittel mindert damit die Chancen jeder A rt von A ufstand und Revolution, aber auch von dem okratisch-m assenhafter W illensdurchsetzung x). T rotz dieser mächtigen G egenkräfte sind die A u s­ sichten für einen Fortgan g der Fundam entaldem okra­ tisierung nicht unbedingt hoffnungslos. D ie K räfte, die sie geschaffen haben und w eiter treiben, gehören zu den unzerstörbaren Elementen der industriellen G esell­ schaft überhaupt und können nur mit ihr selbst ver­ nichtet werden. D aß man im Gebiete der öffentlichen M einungsbildung und in den verschiedenen Gebieten des möglichen H andelns mit immer schärferen M itteln *) *) D a s Geheimnis der im 18. und 19. Jahrhundert sich durchsetzenden Demo­ kratisierung lag in der schlichten Tatsache, daß ein M ann ein Schießgewehr, der W iderstand von tausend Individuen tausend Gewehre bedeutete. Heutzu­ tage sind die gegeneinander stehenden Kräfteeinheiten nicht durch die Zahl der Köpfe zu bestimmen, sondern durch die Tatsache, wie viele Menschen durch eine einzige Bombe vernichtet oder in Schrecken gehalten werden können. D ie Garantie für die allgemeine Demokratisierung lag im vorigen Jahr­ hundert nicht nur in der Industrialisierung, sondern ebenso in der Tatsache der „allgemeinen Wehrpflicht“ , die hauptsächlich nach einem verlorenen Kriege zu einem M ittel der allgemeinen Auflehnung werden konnte. F ü r die Zukunft wird alles davon abhängen, w ie w eit die neuere Kriegstechnik sich künftig, außer auf eine relativ kleine Berufsarmee, auf die allgemeine Bevöl­ kerung wird stützen müssen.. 23.

(50) gegen sie auftreten muß, ist der beste B ew eis dafür, daß die Fundam entaldem okratisierung ständig am W erk e ist und aus der modernen Struktur des gesellschaftlichen Zellengew ebes aufsteigt. E s gehört zur N atu r dieser G esellschaft, daß ihre Zellen immer w ieder getrieben werden, neue M ittel der A ktivierung zu suchen und sich selbst der größten Bedrohung, auch der militärischen, in ihrer T aktik anzupassen lernen x). Umgekehrt w ird sow ohl die politische wie die w irtschaftliche B ü ro k ra­ tie die komplizierte A p paratu r der G roßgesellschaft nur handhaben können, solange sie der Zustimmung der kleinen lokalen, betriebm ässigen und verbandsmäßigen Einheiten bis zu einem gew issen G rade sicher ist. IV . D ie zweite Bedrohung au f Grund der D isp ro p o r­ tion alität in der Entw icklung der geistigen und m ora­ lischen K räfte entsteht dadurch, daß die moderne G esellsch aft diese irrationalen, stimmungsmäßigen V o r ­ stöße infolge der großen Interdependenz ihrer Teile viel weniger ertragen kann als frühere G esellsch afts­ ordnungen. D ie moderne G esellsch aft ist allerdings in mancher Beziehung viel elastischer als frühere G esell­ schaften, da sie infolge des technischen Fortsch rittes *) *) E s ist vorausberechenbar, daß der Konzentration der Kriegstechnik und der Schaffung der Leibgarden eine neuartige Strategie der revolutionären Propaganda zur Zersetzung der Armeen folgen wird. E s wurde schon bisher beobachtet, daß mit H ilfe der revolutionären Propaganda lächerlich schwach bewaffnete revolutionäre Truppen siegen konnten. In diesem Zusammenhänge erwähnt z.B . LaóóweU, daß beim Kantonaufstand 2000 Sturmtruppler nicht über mehr als 200 Bomben und 27 Revolver verfügten. In Schanghai hatten von 6000 Menschen nur i 5o W affen. D ie Petrograder Garnison w ar durch Propaganda vorher bearbeitet, als sie sich in 19 1 7 den Bolschewisten anschloß. V gl. H . D . LadjweLl : The Strategy of Revolutionary and W a r Propaganda. In „Public Opinion and W o rld Politics". Herausgegeben durch Qu. JV rig b t. Chicago 19 3 3 . S . 2 i 5 . Ferner über die Technik des modernen Staatsstreichs : C . M alap arte : Technique du Coup d 'Etat. Paris 1 9 3 1 . Neuerdings R . Poötgate, H o w to make a Revolution. London, 19 34.. 24.

(51) über größere Reserven verfügt. So hätten z. B . die K ritiker des K apitalism us diesem wohl nie zugetraut, daß er so riesige Arm een von A rbeitslosen jahrelang durchhalten könnte. A ndererseits macht die Interdepen­ denz aller Teile die moderne Ordnung viel empfänglicher als etw a die N atu ralw irtsch aft. Je genauer nämlich die einzelnen Teile eines Großmechanismus aneinander angepaßt sind und je stärker die einzelnen Bauelem ente mit einander verklamm ert sind, umso folgenschw erer ist die kleinste Störung. In einem w ohlauskalkulierten Eisenbahnnetz z.B . ist die W irkung von U nfällen viel folgenreicher als im V erkehrssystem der alten P o st­ kutschen, wo man mit dem Z u fall und mit B etrieb s­ störungen von A nfang an mehr rechnet. In dem mehr oder minder naturalw irtschaftlich organisierten Ruß­ land der V orkriegszeit konnten H underttausende und sogar M illionen durch eine H ungersnot sterben, ohne daß ihr U nglück das U nglück der ganzen W e lt geworden w äre. Dem gegenüber ist in der w eltw irtschaftlichen Verflechtung von heute die Ü berproduktion des einen M ark tes das Unglück der übrigen M ärkte, der poli­ tische W ahnsinn des einen L an d es das Schicksal der anderen L än d er und die brutal instinktmäßigen Stim ­ mungsausbrüche der aktivierten M asse n bedeuten eine K atastrop h e säm tlicher Schichten und der ganzen W elt, da die Verflochtenheit des modernen G esellsch afts­ organism us jeden Fehler mit gesteigerter Intensität w eitergibt x). M it einem W o rt, wenn es uns in der kürzesten Z eit nicht gelingt, diejenige Stu fe der R atio n alität und M o r a ­ lität im Gebiete des Selbstbeherrschung und der G esell­ schaftsbeherrschung zu erreichen, die w ir im G ebiete des Technischen erreicht haben, so muß unsere G esell- *) *) Zum Prinzip der Interdependenz vgl. A fu ir , R . : The Interdependant W o rld and its Problems. London 19 32.. 25.

(52) Schaft an dieser D isp rop ortion alität zugrunde gehen. W ir w ären w eder Soziologen noch W issen sch aftler überhaupt, wenn w ir es bei einer solchen allgemeinen D iagn ose und bei einer vaguen Prophezeiung bewenden lassen wollten. D ie hier gestellte F rag e des W a c h s­ tums der rationalen Elemente und die w eitere nach ihrem V erhältnis zu den irrationalen Elementen in un­ serer G esellsch aft kann nur deshalb durch soziologische Forschung geklärt werden, w eil w ir w issen, daß b e­ stimmte Beziehungen zwischen der Entw icklung dieser K räfte und gew issen sozialen Situationen und B edin ­ gungen bestehen. D ie Philosophen und Soziologen haben früher ge­ meint, daß es irgend eine im G eiste angelegte immanente Stufenleiter des rationalen und m oralischen Fo rtsch rit­ tes gäbe. D aß dies nicht stimmt, ist jedem klar, der die G egenw art beobachtet, denn er kann mit Sicherheit aussagen, daß w ir in den letzten Jahrzehnten, w as den Fortsch ritt im M oralischen und in der V ernünftigkeit betrifft, eher im Stadium des Rückschritts als in dem des Fortschrittes sind. W ir sehen immer klarer, daß derselbe menschliche G eist, plötzlich in ungünstige Situationen gebracht, ganz unvermittelt in die älteren Stadien zurückzufallen vermag. W"enn w ir aber die soziologische Fragestellung nicht im Sinne einer philo­ sophischen Fortschrittslehre -—- die ja nur ein philoso­ phischer G laube an einen von Situationen unabhängigen G eist sein kann — stellen, dann müssen w ir uns vor allem fragen, welche typische Situationen einer industriellen G roßgesellschaft steigern einerseits bestimmte A rten der R ation alität, andererseits bestehende Irrationalism en, ferner welche typische Situationen züchten bestimmte Form en der Selbstsucht, aber auch ihr G egenteil die V e r­ antw ortungsfähigkeit. Fragen w ir in diesem Sinne, so lösen w ir diese allgemein philosophische F rag e in immer 26.

(53) konkreter beobachtbare soziologische Einzelzusam ­ menhänge auf, und es ist vielleicht a u f diesem W ege nicht unmöglich, einiges über die uns beschäftigende um fassende Problem atik auszusagen. Eine F rage werden w ir sicher nie w issenschaftlich beantw orten können, nämlich welche individuellen und einmaligen 'W ege der Einzelm ensch zur R atio , zur M o ra litä t finden wird. W ir werden aber sehr gut jene Situationen diagnostisieren können, die typisch rationale und irrationale V erhaltungsw eisen im Leben des Individuums und der M asse n hervorrufen. V. B ev o r w ir uns nun der w esentlichsten Frage zu w en­ den, au s welchen typischen und charakteristischen S itu ­ ationen der industriellen G esellsch aft bestimmte Form en der R atio n alität, bzw . des Irration alen entstehen, müssen w ir uns einige Gedanken über das W esen und die A rten von R atio n alität und Irratio n alität machen. E s gibt wenige W^orte, die in so mannig­ faltiger und sich widersprechender W"eise gebraucht worden sind w ie gerade diese beiden. W dr w erden uns deshalb begnügen müssen, zw ei der wichtigsten Form en des W W tgebrauches ,,ration al“ und „irra tio n a l“ her­ auszuarbeiten, diejenigen, die unseres E rach tens für die soziologische A nalyse unentbehrlich sind. Soziologen benützen die W o rte „ra tio n a l“ und „ ir r a ­ tional“ in zw ei Bedeutungen, von denen ich die eine die „su bstan tielle“ , die andere die „funktionelle“ R ation alität, bzw. Irratio n alität nennen w erde 1). 1) E s würde uns zu weit führen, wollten w ir auch nur die wichtigste Literatur über ,,rational“ , ,»irrational“ hier angeben, geschweige denn die verschiede­ nen Standpunkte in dieser Problemstellung herauszuarbeiten versuchen. W i r wollen uns deshalb hier darauf beschränken, die für die Soziologie brauch­. 27.

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