• Nem Talált Eredményt

UND SEINE WERKE MIGNET

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Ossza meg "UND SEINE WERKE MIGNET"

Copied!
33
0
0

Teljes szövegt

(1)

M I G N E T

UND S E I N E W E R K E

A U G U S T

VOX

T R E F O R T

BUDAPEST

HL’ C H D R U C ' K E R I Î I D E S F R A N K LT N - V E R E 1 N

(2)

м.лелт)км1л’ \

V,KÖNYVI A R A J

(3)

t» i

k

Uigijet mi J sei lie Werke

G elesen in d e r u n g a risc h e n A k ad em ie d e r W iss e n sc h a fte n am 26. J a n u a r 1885.

t %

(4)

/ м . A CAT) K M t Л’ '\

VKÖNYVIAIV a '

(5)

M I G N Е T

UND S E I N E W E R K E

V O N

A U G U S T T R E F O R T

BUDAPEST

B U C H D R U C K E R E I D E S F R A N K L I N - V E R E I N

Ioő5

*

(6)

435619

A l.A C A W .M fA Á

\ K Ö N Y V T Á R A ;

(7)

A r асађкмтл ГЛ

y js -Ö ft' Y V T A R A J

«D ie Wissenschaft hat kein V a te rlan d , sie ist das G em eingut der ganzen W e lt. Ih re J ü n g e r w erden nicht durch die G renzen der S taaten von einander geschieden, sie verstehen sich trotz der V e rsc h ie d e n ­ heit der Sprachen. Sie sind B ü rger desselben Id e e n ­ reiches, sie bilden eine grosse in tellectuelle G esell­

schaft, stehen u n ter den gleichen G esetzen, u n ter der H errsch aft der ewigen G esetze des m enschlichen G eistes ; die R ich tu n g ihres S treb en s wird durch das­

selbe Ziel, durch die Auffindung der allgem einen W ah rh eit, bestim m t ; ein gem einsam es Gefühl, sozu­

sagen der P atrio tism us der Civilisation b eleb t sie Alle.»

So sprach M ig n et am 5. Mai 1845 in der franzö­

sischen A kadem ie der politischen und M oral-W issen­

schaften.

U nd so denkt und so fühlt auch unsere A kadem ie, w enn sie herv orragen d e ausländische G eleh rte und S chriftsteller in die R eihe ih rer M itglieder erw ählt.

(8)

6

Eines d er ausgezeichnetesten u n serer ausw ärtigen M itglieder v erlo ren wir, als M ignet, der bedeu ten d e französische H isto rik e r u n d glänzende Schriftsteller, am 24. März vorigen Jahres aus dem L eben schied.

Ich will über seine W e rk e sprechen. M eine A b ­ handlung m öge u n ter den gegebenen U m ständen auch als D en k re d e gelten, sowie wir ja gerade von M ignet classische M uster dieser F orm von D en k red en besitzen. U n d w ahrlich, wir feiern sein A nd en k en am w ürdigsten, w enn wir die R esu ltate seiner wissen­

schaftlichen T ätig k e it beleuchten.

i

(9)

I.

F ranz M ignet, der 1796 in S üdfrankreich geboren wurde, absolvirte die S chulen m it ausgezeichnetem E rfolge und ric h tete h ierau f seine S ch ritte, wie jeder junge Franzose, der C arrière m achen will, nach Paris.

Anfangs fand er bei der Presse Beschäftigung. S päter g rün dete er mit A rm and C arrel und T h iers den

('National«.

Jedoch sein T alent, die h öhere R ichtung seines S trebens und sonstige E igenschaften bestim m ten ihn, der für die politische Laufbahn keinen B e ru f in sich fühlte, zum H isto rike r.

Sein erstes W e rk w ar : «Die G eschichte der fran­

zösischen R evolution von 1789 bis 1814.« Schon der T itel zeigt an, dass nach der A nsicht M ignet’s die R evolution nicht schon mit dem S taatsstreich B on a­

partéd , sondern erst mit dem Sturze des K aiserreichs beendigt war.

D ieses W e rk b eg ründ ete die S tellung und das A n ­ sehen M ignet’s ! Es wird noch heute so gelesen, wie kurz nach seinem E rscheinen vor 60 Ja h re n (1824).

Im Jahre 1883 erschien die vierzehnte Auflage des­

selben.

(10)

M an kann dies W e rk aus zwei G esichtspunkten b e­

u rteilen : bezüglich seiner F o rm und seines Stoffes, in literarischer und in politischer Beziehung.

M ignet w ar der erste G eschichtsschreiber, der ein system atisch ausgearbeitetes Bild der französischen R evolution bot. In innerem organischem Z usam m en­

hang, w enngleich in gedrän g terem R ahm en, als später T hiers und A ndere, schildert er die T atsachen von der E röffnung der états généraux bis zum Sturze N a p o le o n s; in einfacher, durchsichtiger Sprache, in harm onischer G estaltung, wie sie in dieser V o ll­

endung nur den F ranzosen eigen ist, sowohl in ihren geschichtlichen W erk en , wie in ihren Rom anen, D ra ­ m en, kurzen Essavs und selbst in ihren Jo u rn al- A rtikeln.

Sow eit M ignet B em erkungen über die Ereignisse m acht, R eflexionen an die E rzählung knüpft oder seine K ritik ü b er die T atsachen ü b t : ist er trotz seiner Ju g e n d stets gem ässigt und edel. Indess ist der G eist des W e rk e s mit diesen E igenschaften nicht ganz in H arm onie. D ieser G eist ist ein revolutionärer, in gewisser B eziehung sogar fa ta lis tis c h e r.

D ies wird vor A llem durch zwei G esichtspunkte erklärlich .

Das B uch hatte eine politische R ichtu n g und T e n ­ denz : gegenüber der nach dem ancien régim e g ra­

v ie re n d e n R eg ierung C arl s X. mit ihrer reactionären oder besser gesagt co n trerev o lu tio n ären H altung. Die G egenw irkung, w elche dieselbe hervorrief, konnte keine andere, als eine revolutionäre sein. Es ist ein

(11)

!

eigentüm liches Y erhängniss der M enschheit, dass die R evolutionen C o n trerevo lu tion en hervorrufen, und dass diese letzteren w ieder zu den ersteren zurückführen.

M ignet verfügte zu der Zeit, als er sein B uch schrieb, nicht über den gesannnten Stoff, den wir heute besitzen und durch den die R evolution nach 'allen R ichtun g en in die richtige B eleu chtu ng gesetzt wird. Das «Ancien régim e» von T ocqueville, die W e rk e von Taine, M ortim er, T ern au x und A d o lf Schm idt w aren noch nicht geschrieben, und auch jene Q uellen w aren noch nicht eröffnet, aus welchen die sp äteren schöpften. A usserdem w aren viele politische und Staatsm axim en, deren H o h lh eit seither offenbar w urde, damals noch allgem ein im Schwange. So ge­

schah es, dass M ignet der eigentliche B eg rü n d er jen er R évolutions - Legende w urde, welche später durch T hiers in grösseren D im ensionen ausgearbeitet w urde und Vielen, Franzosen sowohl als A usw ärtigen, u n ­ richtige V o rstellu ngen und falsche U rteile beibrachte.

Sowohl M ignet als T h iers hätten die G eschichte der ersten französischen R evolution gewiss ganz an­

ders geschrieben, wenn sie dieselbe nach der juli- revolution abgefasst hätten, und w äre dies nach 1848 geschehen, w ären sie noch w esentlicher von der vor 1830 herrschenden Auffassung und dem dam aligen G eiste abgew ichen. Diese meine M einung wird durch die D en k red en M ignet’s u nterstützt, deren grösster T eil von M ännern handelt, welche in der ersten R evolution eine R olle spielten oder später in der P olitik und auf volksw irtschaftlichem G eb iet figurirten.

(12)

IO

Mi gnet stellt in diesen D e n k red en V ieles von dem richtig, was er in seinem ersten B uche geschrieben.

M an hat oft die Frage aufgew orfen : ob die erste französische R evolution notw endig und h eil­

sam w ar? O b sie unverm eidlich w ar und ob ihre R esultate nicht auch auf anderem W ege erreichbar w aren ? Bei E n tscheid un g dieser F rage kann man mit R ech t die B em erk u ng m achen, dass v erspätete R e ­ form en zu R evo lutionen zu führen pflegen oder im besten F alle statt der Lösung einen radikalen B ru ch zur F olge haben.

D er A usgangspunkt der französischen R evolution sind die états généraux, die Z usam m enberufung der Ständeversam m lung, welche nicht deshalb geschah, dam it sie R evolution mache, sondern dam it sie den Staat reform ire. D ie Z usam m enberufung dieser V e r ­ sam m lung w ar unverm eidlich, denn der Staat und die G esellschaft von ehedem hatten sich so sehr abgenützt und hatten A lles dergestalt v erb rau ch t, dass es keine andere R ettu n g gab. D as U ng lü ck bestand nur darin, dass diese V ersam m lung nicht schon viele Jahre früher zusam m enberufen w orden war. T ro tz der V erspätun g aber dachte noch N iem and an die R evolution. Je d e r­

m ann streb te nur nach den unum gänglichen R efor­

men. W e n n w ir aber die E n d resulta te des mit der erw ähnten E inberufung der E ta ts beginnenden und 1814 endigenden Processes analysiren, so müssen wir dieselben als grossartig und heilsam anerkennen.

W ie sehr v erschieden war im J a h re 1814 der Z u ­ stand von Staat und G esellschaft in W e ste u ro p a von

(13)

dem Z ustande vor der R evolution ! Man m ag noch so sehr Pessim ist nach A nsicht und S tim m ung sein und man w ird anerk en n en müssen, dass die Differenz zwischen heute und den Z ustän d en vor fünfzig Ja h re n eine bed euten de, dass der F o rtsc h ritt seit einem halben Säculum bis auf uns schon ein sehr grosser sei. D as Leben ist freier, hum aner, gebildeter, angenehm er, auch die M enschen sind besser gew orden, weil sie hum aner und gerech ter sind.

H ieraus d arf man aber nicht im E n tfern testen schliessen, dass die D octrinen, d urch w elche die M änner der R evolution g eleitet w urden, die richtigen waren, oder dass alles G eschehene zu entschuldigen sei und dass das V orgehen D erjen ig en b erech tig t war, die nicht im m er wegen edler Zw ecke, sondern oft wegen u n erre ic h b a re r U to pien zu den unm enschlichsten M itteln griffen. W ir können vielm ehr sagen, dass die kranke P hantasie im V erein mit dem bösesten G e ­ m üt solche T atsach en herv o rb rach te, welche der M enschheit ewig zur Schande gereichen w erden. Die H errsch aft und T heorie der Jakobiner, welche durch die P ariser Com m une im Ja h re 1871 neu h erau fb e­

schw oren wurde, ist die grösste V erirru n g des m enschlichen G eistes und das N onplusultra m ora­

lischer V ersunkenheit. Eine geschichtliche Lüge ist die B ehauptung, dass der «terreur» F ran k reich vor den S chrecken der ausländischen Invasion g e re tte t habe. D as gerade G egenteil davon ist bewiesen.

D as Fiasco der 1789er N ational-V ersam m lung ist auf verschiedene G ründe zurückzuführen. D er erste

(14)

1 2

ist der, dass sie ohne P lan zusam m engesetzt w urde und des F ü h re rs en tb eh rte. E in an d erer G rund w ar:

dass mit A usnahm e von 20— 25 L euten die übrigen M itglieder der V ersam m lung vom politischen Leben, vom p arlam entarischen O rganism us keinen Begriff hatten, so sehr, dass die A usländer, welche die Z u ­ stände unbefangen b etrach teten , so u n ter A nd eren M orris, der G esandte der nordam erikanischen R e ­ publik, schon zu B eginn eine fü rch terliche R ev o lu ­ tion prophezeiten. So äusserte sich auch M irabeau, der trotz seiner F e h ler und Schw ächen dennoch, m it einziger A usnahm e N apoleon s, die grösste Figur und das ausserordentlichste T a len t in der Z eit der fran­

zösischen R evolution war.

E in er der H a u p tg rü n d e des U eb els war, dass mit der B erufung der G eneralständ e die Zügel den H ä n ­ den des K önigs und der R eg ieru n g vollständig e n t­

fielen. Es tra t eine allgem eine A n arch ie ein. Jed es D o rf m achte und spielte im K leinen seine R ev o lu ­ tion, verw eigerte die Steuern, begann den begü terten A del zu verfolgen, die C astelle in B rand zu legen und zu plündern. In P aris nahm das V olksgericht seinen A nfang : mit der E innahm e der Bastille, mit M ord und R aub. A u f solche E lem en te stützten sich D iejenigen, die in F ran k reich eine V erfassung ins L eben rufen, die F re ih e it beg rü n den w ollten !

U nd was tat inzwischen die A ssem blée nationale?

Sie d eb attirte über T h eorien und pro clam irte T hesen von den allgem einen M enschenrechten! Sie bewies dam it deutlich, dass sie nicht im Stande war, ihre

(15)

1 3

A ufgabe richtig zu erfassen und dieselbe zu lösen.

A n statt nach dem englischen Beispiel die R egierung form ell d urch einige ihrer M itglieder übernehm en zu lassen, beschloss sie, dass keines ihrer M itglieder ein A m t annehm en dürfe, was vornehm lich gegen M irabeau gem ünzt war.

D ie denkw ürdige N ach t des 4. A ugust, welche ebensosehr durch ihre G ro ssm u t, wie durch ihren L eichtsinn glänzt, war ein grosser F eh ler, weil die G rundbesitzerclasse dadurch m it einem Schlage dem V erd erb en nahe gebrach t w urde. D asselbe m üssen wir von der E inführung der bürgerlich en V erfassung des C lerus behaupten. Es war dies in dieser Fassung auch überflüssig, denn was darin practisch war, z. B.

die neue E in teilung der bischöflichen D iöcesen, all das wäre auch auf gew öhnlichem W eg e zu erreichen g e w e se n , denn der französische K önig und seine R egierung genossen eben solche R ech te der K irche gegenüber, wie unser apostolischer K önig und unsere R egierung.

D ie bürgerliche V erfassung des C lerus führte zu den grössten E rsch ü tteru n g en , denn sie rief die Soli­

darität zwischen dem selben und der E m igration h e r­

vor. D ie W irk u n g dieser M assregel e rstre c k t sich bis auf den heutigen T a g ; d erselben ist die S tellung zuzuschreiben, w elche der französische C lerus dem Staate g egenüber einnim m t. D ie L ite ratu r des ac h t­

zehnten Jahrhu nderts, deren R ich tu ng eine geradezu antichristliche war, h atte sich so sehr 111 die P h a n ­ tasie und in das G em üt der M enschen eingenistet,

(16)

1 4

dass sie den Sinn für die W ü rd ig u n g der K irche und Religion verloren. Sie konnten es absolut nicht m ehr v e rs te h e n , w elche K raft K irche und R eligion im S taate rep räsen tiren .

D as V erfah ren der A ssem blée gegen die E m ig ran­

ten war gleichfalls ein ungerech tes. D iesen unglück­

lichen M enschen w ar nichts A nd eres übrig geblieben, als auszuw andern, nachdem ihnen das V erb leiben daheim unm öglich gew orden war. Ih re Lage w endet sich erst dann, als sie sich zu den ausw ärtigen F e in ­ den gesellten und die W affen gegen ihr V aterlan d ergriffen.

W ie die K ir c h e , w urde auch die A rm ee durch ab stracte A uffassungen desorganisirt.

Schliesslich w ar eine der vorn eh m sten U rsach en der h erein b rech en d en K atastro p h e der B eschluss der N ationalversam m lung, dass keines ihrer M itglieder in den nächsten gesetzgebenden K ö rp e r hineingew ählt w erden dürfe.

D ie M itglieder der constitu iren d en V ersam m lung h atten w ährend der zwei J a h re in dieser reichbew eg­

ten Z eit viel gelernt und erfahren. M änner, wie B arnave, D u p ort, L am eth reiften von unpractischen R ev o lu tio n ären zu v o llendeten S taatsm än n ern heran.

D urch den erw ähnten Beschluss jedoch w urden aus der Legislative alle D iejenigen ausgeschlossen, die politische B ildung und E rfah run g besassen. D ie zweite N ationalversam m lung, A ssem blée legislative, bestand aus V isionären , W in k e la d v o c a te n , A erzten ohne Praxis, aus S chriftstellern zweiten und dritten Ranges,

(17)

und allerlei sonstigen N ullen, die — wie C o n dorcet — der M einung waren, m an könne mit M enschen um ­ gehen wie mit Zahlen in der A rithm etik, die glaubten, dass m an S taaten nach R o u sseau ’s C o n trat social einrichten und die M enschen nach dem «Emile» e r­

ziehen könne. W ä h re n d sie die M enschheit nach diesen 'Theorien beglücken wollten, griff die A uflösung von T ag zu T ag m ehr um sich und entw ickelte sich die erbärm lichste S chreckensherrschaft, m it w elcher blos die spanische Inquisition w etteifern konnte. D och auch hier verschlang, wie im m er, der T errorism u s sowohl D iejenigen, die ihn unbew usst vorbereitet, als auch Diejenigen, die ihn wie W ahnw itzige ausgeübt hatten.

N ach all' dem gereichte der 9. T h erm id o r der M enschheit zur E h re ; obzwar wir zugeben wollen, dass eine wichtige T rieb fed er in dem A u ftreten der H elden des T ages die F u rc h t war, welche oft die Feigsten in T apfere verw andelt. D e r T erro rism us fiel, die G esellschaft schw ankte jedoch noch einige Z eit zwischen S chrecken und H u m an ität einher.

Die R evolution h atte sich abgenützt. U nd da e r­

hoben ihre H ä u p te r D iejenigen, w elche die alten Zustände reta b lire n wollten. Diese Stim m ung der G em üter zog die M öglichkeit, vielleicht die N o t­

w endigkeit eines Staatsstreiches nach sich ; denn [eder hatte F u rch t, dass wenn der K önig und die E m i­

granten zurü ckkeh ren w ürden, dem T erro rism us die A era der R ache und der W ied e rv e rg e ltu n g folgen könnte.

(18)

l ó

E s ist eine grosse F rage, ob es unbedingt nötig war, dass sich B onaparte zum K aiser wählen liess, und ob man nicht ohne dies die R evolution m it m ehr Stab ilität hätte abschliessen können ? Soviel ist gewiss, wie wir heute bereits klar zu sehen verm ögen, dass der C äsarenw ahnsinn, in w elchen der grosse F e ld h e rr verfiel, den revo lutionären Stoff nicht aufzehrte, der im In n e rn des französischen V olkes noch jetzt fo rt­

w ährend gährt und kocht.

(19)

II.

Die französische Revolution, w elche ein K ind der R enaissance und R eform ation war, zeigt einen inni­

gen Z usam m enhang m it den Ereignissen, w elche sich aus jenen beiden grossen B ew egungen entw ickelten.

I )er G eschichtsschreiber der französischen R evolution befasste sich, ich weiss nicht ob in dieser bew ussten Auffassung oder aus individueller N eigung, w iederholt m it den E reignissen des Renaissance- und R eform a­

tions-Z eitalters. E r schrieb die G eschichte der Käm pfe zwischen Carl V. und F ran z L, sowie die G eschichte des A ufenthaltes von Carl V . in San-Y uste und seines Todes ; ebenso behandelte er eine interessante Episode aus dem Z eitalter P hilipp s I I. u n ter dem T itel :

«Don A ntonio P erez und P hilipp IE» In dem selben K reise der E reignisse und Id een bew egt sich auch die G eschichte der M aria S tu a rt, sowie das B uch M ignet’s über den spanischen E rbfolgekrieg.

W e n n M ignet diese W e rk e früher geschrieben und seine schriftstellerische Laufbahn mit der G eschichte der französischen R evolution beendigt h . t t e , ich glaube, es w äre für dieses letztere Buch von günsti­

ger W irk u n g gewesen.

2

(20)

i 8

Zw ischen den W e rk e n M ignet’s b esteh t in H in sicht auf die F orm eine grosse V erw andtschaft. Gem einsam ist ihnen die O bjectivitét, eine T u g end des H isto ri­

kers, ab er im U eberm ass gebraucht, eine Gefahr, weil sie die D arstellun g farblos m acht und leicht m oralische L auheit zur Fo lg e hat.

Sowie in dem ü b er die französische R evolution geschriebenen W e rk e A lles, selbst das S chreckens­

regim e, im L ichte der N o tw en dig k eit erscheint, so sind auch in M ignet’s späteren A rb eiten alle E r ­ bärm lichkeiten des 16. Ja h rh u n d e rts als notw endige E rgebnisse der V erg an g en h eit und der U m stände, als die m enschliche B erechnung übersteigende F acten dargestellt.

W e n n diese Auffassung auf das Individuum und seine H andlungen ü bertrag en w i r d , verschw inden W ah rh eit, M oral, R echtschaffenheit, der vollständige

B a n k e ro tt der G esellschaft wird unverm eidlich.

D ie K riege F ranz I. gegen Carl V . d auerten von der Schlacht bei M arignano 1515 bis zum F rieden von Cam brai. W elch e B ew eggründe dieselben hatten, inwiew eit die persönlichen In teressen mit denen der L änder verflochten waren, ist schw er zu entscheiden.

Im Laufe des ganzen K rieges nim m t jedenfalls den V o rd erg ru n d die M achtfrage ein, w elche zu G unsten C a rl’s und der spanischen M onarchie auf K osten Italiens gelöst wmrde.

W e n n wir nur die G eschichte dieser K riege, ohne Bezug auf andere E p o ch en lesen, wenn wir sehen, wie Spanier, Franzosen und D eutsche das Unglück­

(21)

19

liehe Italien behandelt haben, wenn wir lesen, wie die L eiden dieses Landes gesteigert w erden durch die P äp ste und die kleineren italienischen Souveräne, besser gesagt, T y ran n en , die sich je nach persön­

lichen oder Fam ilieninteressen bald der einen, bald der anderen feindlichen P a rte i anschlossen : dann können wir uns einen Begriff von dem G efühle bil­

den, welches den heutigen Italien er im H inblick auf das unabhängige Italien erfüllt. Es giebt keine G räss­

lichkeit, keine B edrängniss und P ein ig u ng , welche die unglückliche italienische N ation damals nicht hätte über sich ergehen lassen müssen.

Interessan t ist der G egensatz zwischen den beiden H au p tacteuren , zwischen F ranz I. und Carl V. Franz war ein schöner Mann, kräftig und in allen L eibes­

übungen gew andt, ehrgeizig, geistreich ; er hatte Sinn für L ite ratu r und nam entlich für K unst ; neben der F riv o lität der S itte n , en tb eh rte er nicht den nöti­

gen E rn st ; er w ar m it einem W o rte das, was man einen brillanten C avalier nennt.

Carl w ar das gerade G egenteil von alledem . E r w ar w eder schön, noch kräftig, aber ernster und energischer, als F ranz ; in grossem Maasse sinnlich, schwach gegen F rau en und gegen die Genüsse der Tafel. A lle diese Eigenschaften wusste er jedo ch mit dem äusseren Firniss der Fröm m igkeit zu verdecken.

Die «sors bona»» lächelte Carl. Seine M acht und sein G lück spiegeln sich vornehm lich in zwei F acten : er nahm den P ap st und den K önig von F ran k reich gefangen, die auf diese W eise in seine G ew alt gerieten.

2

(22)

2 0

C haracteristisch sind für diese E po che die über Patriotism us und politischen A nstand, über M oral und E ig en tu m srech t herrschenden Begriffe, welche sich in der G eschichte des C onnétables von B ourbon lebhaft w iderspiegeln. D ieser, ein V erw a n d ter des K önigs, verhess sein V aterlan d , begab sich in den D ienst seiner Feinde, käm pfte gegen F rankreich , b e­

lagert endlich als der F e ld h e rr des allerkatholischesten F ü rste n R om , wo er fällt, w ährend seine Schaaren die ewige S tadt einnehm en, v erw üsten und den P apst gefangen nehm en. D ie w ildeste Soldateska hauste eine W o ch e lang, schändete F rauen, M ädchen, N o n ­ nen. So verfuhr der erste H e ld der katholischen K irch e m it dem P ap st und seiner M etropole.

In vielen B eziehungen ist jenes W e rk M ignet’s interessant, w elches die A b d an k un g Carl s V., sein K lo sterleb en und seinen T o d behandelt. E s ist jed en ­ falls ein grosses psychologisches R ä ts e l, dass der m ächtigste F ü rst der W elt, nach so viel Erfolgen und G lücksgunst, seiner M acht entsagt, sich von der W e lt zurückzieht und seine T age in einem K loster b e e n d ig t, ein R ä tsel, w elches man durch die A n ­ nahm e der verschiedensten M otive zu erklären v e r­

sucht hat. M anche schrieben seinen E ntschluss einer von seiner M u tter g eerb ten G e m ü tsk ra n k h e it, A n ­ dere einer geistigen E rschöpfung oder einem k ö rp er­

lichen U ebel zu. Sicher ist, dass die Z usam m enw ir­

kung versch ied ener U rsachen uabei tätig war.

V iele behaupten, dass er seine W eltflu ch t b ereu t habe. M ignet th eilt diese M einung nicht. E r bespricht

(23)

2 1

ausführlich, wie lebhaft sich Carl V. bis zu seinem T od e für jede politische A ctio n interessirt habe, so wie er auch jed e r Z eit seinem Sohne m it R a t­

schlägen dienlich war. A ls eifriger K atholik w urde er in die heftigste A ufregung versetzt durch das A uf­

tauchen der H äresie in Spanien und durch deren V e rb re itu n g selbst u n ter solchen M ännern, die sein V e rtra u e n besassen. In V alladolid und Sevilla gab es zahlreiche P ro te stan te n . M it fieberhaftem Eifer gab sich Carl V. der A usro ttu n g derselben hin. Seine Briefe, die er in dieser A ngelegenheit schrieb, lassen eine W ildheit erkennen, als ob sie ein R obesp ierre oder S a in t-Juste geschrieben hätte. A uch das V e r ­ fahren der Inquisition w ar ein grässliches ; m an kann sagen, dass die französischen C om m unisten und D e ­ m agogen von den spanischen K önigen diese F orm des H errsch ens erle rn t haben.

(24)

TIT.

M ignet hat ein W e rk , w elches wir einen h istori­

schen Leckerbissen nennen m öchten. Es b etitelt sich :

«Antonio P erez und P hilip p der II.» D ie G eschichte des X V I. Ja h rh u n d e rts besitzt kaum eine characte- ristischere E pisode, als das Schicksal des A ntonio P erez. Es ist zugleich ein spannender R om an und ernsteste geschichtliche W irk lich keit. Das B enehm en P h ilip p ’s in dieser A ng eleg en h eit spiegelt die nied­

rigsten Seiten der m enschlichen N a tu r und der V e r ­ d e rb th e it jenes Z eitalters wider.

D er M inister A ntonio Perez, der das grösste V e r ­ trau en seines K önigs besass, liess auf d irecten Befehl seines H e rrsc h e rs einen andern M inister erm orden, der an der S eite D on J u a n ’s in die N ied erland e gesandt wurde. Als P e rez den V e rd a ch t des M euchel­

m ordes auf sich lenkte, lieferte ihn der K önig der Justiz aus, liess ihn auf die F o lte r spannen und zum T od e verurteilen, berau b te dessen W eib und K inder ihres V erm ögens, liess sie in den K e rk e r werfen und bis zn ihrem T ode im G efängniss sch m ach ten ; er versuchte Alles, um Perez, dem es gelang aus S p a­

nien zu fliehen, du rch gedungene M örder aus dem W eg e zu räum en.

(25)

Es gibt kaum eine Tatsache, welche die niedrige N atu r des Königs, in w elcher wilder Fanatism us, R achsucht und B osheit des G em ütes sich vereinig­

ten, dergestalt blosslegen w ürde, wie diese V e rfo l­

gung, welche lebhaft an R o b esp ierre erinnert.

In das Schicksal eines M enschen spielt hier selt­

sam er W eise das Schicksal einer P rovinz und die V ern ichtu n g ihrer F reih eit hinein. U n te r den feudalen C onstitutionen des M ittelalters war keine, welche den Ständen so viel F reih eit sicherte, als die arragoni- sche. D er Eid, durch w elchen der K önig gebunden war, ist bekannt. Die Justiz war ganz unabhängig vom König.

Perez, dem M adrider Gefängniss entflohen, rettete sich nach Saragossa und stellte sich u nter den Schutz der arragonischen Justiz. D och nun tra ten die K ron- juristen mit der B ehauptung auf, dass P erez ein K etzer und G ottesläugner und folglich der Inquisition verfallen sei. N un entspann sich eine heftige F eh de zwischen der Inquisition und der w eltlichen G erich ts­

barkeit, in w elcher endlich die letztere nachgab.

Da legte sich jed och das V olk ins M ittel und befreite P erez aus dem K e rk e r der Inquisition. D e r V erfolgte re tte te sich nach F rankreich.

D er A ufstand von Saragossa, der zu G unsten von Perez organisirt w orden war, diente als w illkom m ener V orw and zur V ern ich tu n g der arragonischen V erfas­

sung. D er K önig sandte ein H eer nach A rragonien, welches letztere nicht fähig war, W id erstan d zu leisten.

N ach dem Siege kam en die Executionen. D e r A del

2 3

(26)

2 4

von A rrag o nien w urde niedergem etzelt. N achdem der w eltlichen R ache G enüge geleistet war, kam en die V erfolgungen der Inquisition. N eunundsiebzig B ü rger endigten ihr L eben auf dem »Scheiterhaufen. P erez w urde in contum aciam v e ru rteilt und lebte seitdem als politischer A b e n te u re r teils in F rankreich , teils in E ngland. E r k ehrte selbst nach dem T ode P h ilip p ’s nicht m ehr nach Spanien zurück.

Ich bedauere, dass ich nicht länger bei dem in te r­

essanten B uche verw eilen kann. Ich hebe nur die eine L ehre daraus hervor, dass der T erro rism u s w eder eine französische, noch eine dem okratische E rfindung ist. D erselbe ist übrigens gleichm ässig zu verdam m en, w oher er im m er kom m en möge, so wie er im m er böse C onsequenzen gebiert, aus w elcher Q uelle er auch stam m en möge.

(27)

D ie G eschichte der M aria S tu art ist von V ielen beh and elt w orden, von D ic h te rn und H isto rik ern . Diese G eschichte ist je nach dem G esichtspunkte, aus w elchem wir sie betrachten, ebenso rom antisch, wie prosaisch. D as B uch M ignet’s könnte m an am tref­

fendsten: die G eschichte der R ivalität zwischen M aria

I

S tu art und der englischen E lisab eth nennen, in w el­

cher hinter den P erso n en grosse P rincipien und w ichtige S taatsinteressen v erbo rg en sind. D e r K am pf wird eigentlich zwischen dem K atholicism us und Protestantism us, zwischen der britischen U nion und

•der U n abhängigkeit Schottlands, zwischen dem A b ­ solutismus und Constitutionalism us geführt. E lisabeth war die V ernünftigere und G ew andtere, und auch die G lücklichere. Sie siegte, M aria S tu a rt fiel. D e r Sieg E lisab eth ’s hat der M enschheit nicht zum Schaden gereicht; trotzdem können wir das V erfah ren E lisa­

b e th ’s nicht rec h t und nicht g erech t finden, dem ­ gemäss sie ihren Sieg mit dem T o d e ih rer u nglück­

lichen N eb en buh lerin krönte. D ies bildete den P rä - cedenzfall für die H in rich tu n g C a rl’s I. von E ngland und diese w ieder das P rä ce d e n s lü r die G uillotinirung Ludw ig’s X V I.

(28)

W e r nur die grösseren W e rk e M ignet’s kennt, der kann sich kein rech tes B ild von den b ed eu ten d en Eigenschaften dieses S chriftstellers m achen. Man muss seine Essays oder D e n k re d en lesen, welche er von den vierziger Jahren bis zum Jahre 1877 schrieb. Es gibt kaum ein Z eitalter, ein Land, eine W issenschaft, ü b er die er nicht gelegentlich gehandelt hätte. Die V orzüge dieser A rb eiten , w elche w enigstens teil­

weise durch U eb ersetzung en dem ungarischen P u b li­

cum zugänglich gem acht zu w erden verdienten, sind:

ein klarer, durchsichtiger V o rtrag, tiefe G edanken, gesundes U rteil.

M ignet besch rän k t sich nicht blos auf französische G eleh rte und S chriftsteller; er zieht auch E ngländ er, D eutsche und A m erik an er in den K reis seiner B e ­ trachtungen. E ine seiner schönsten A b handlungen ist die ü ber H aliam . In w enigen B lä tte rn fasst er hier die G eschichte der E n tw ick lu n g der englischen C o n ­ stitution zusam m en, und schild ert zugleich die tra g i­

schen Ereignisse des S chriftstellerleb en s m it tiefer Em pfindung. Mit B ed au ern versage ich m ir die w ei­

tere E rö rte ru n g dieses Essays, da die m ir zugem es­

sene Z eit zu kurz ist.

M ignet hat sich in der französischen L ite ratu r einen dauernden P latz erw orben. D as Studium seiner W e rk e ist dem ungarischen P ublicum in h ervorragendem Maasse zu. em pfehlen.

E s ist ein Spruch, der von M und zu M und geht, dass «die G eschichte die L ehrm eisterin des L ebens sei.» Indess ist dies eine der banalsten Phrasen, man

(29)

f

m öchte sagen eine conventionelle Lüge. D enn wie W enige befolgen die L eh ren dieser M eisterin!

Indess hat das Studium der G eschichte dennoch den einen V orteil, dass der K e n n e r der V e rg a n ­ genheit in der R egel g erech ter zu sein pflegt in der B eurteilung der G egenw art. A uch in dieser B ezie­

hung könnte besonders die G eschichte der französi­

schen R evolution auf G rund der Q uellen bearbeitet, welche M ignet nur teilw eise zur V erfügung standen, den jetzigen Schriftstellern aber vollständig geöffnet sind, auf die K lärung des U rteils des ungarischen Publicum s eine grosse und w ohltätige W irk u n g ausüben.

(30)
(31)

I

v'

(32)
(33)

Hivatkozások

KAPCSOLÓDÓ DOKUMENTUMOK

Durch diese Änderungen stehen nicht mehr die subjektiven Erfahrungen über das Leben ihrer Großeltern und die individuellen Reflexionen auf die Gegenwart der Enkelkinder im Fokus,

Da Fontane offenkundig, wie der Leser dieses wunderbaren Alterswerks feststellt, große Sympathien für den alten Dubslav und seine Art und Weise, auf die Welt zu schauen,

Wir haben also gesehen, dass die Interrogativpartikeln, die im Deutschen nicht vorhanden sind, in vielen europäischen Sprachen entweder das primäre und sogar obligatorische

Wie aus diesem Zitat auch zu entnehmen ist, wird nicht die liveness einer Aufführung durch die elektronischen Bilder beeinflusst, sondern viel mehr die Form und die Modi

W ELTE , B„ Die Lehtformel von Nikaia und die abendlandische Metaphysik in Zűr Frühgeschichte dér Christologie: ihre biblischen Aitfange und die Lehtformel vonNikaia

Wenn man bedenkt, dass die Route durch die Alpen, auf den schwierigsten Wegen führt, ist dieser Wert vollkommen akzeptabel, 208 und die Pilger sollten auch Ruhetage während

Es hat sich noch nicht bewahrheitet, was selbst Marcello – im romantisch-italienischen Modus – wie folgt ausgesprochen hat: ,,Der Franz und die Luis, das ist wie Ridolfo und

D.h., neben der Frage, wie wir, die wir uns über fehlenden Anstand beklagen, es selbst mit dem Respekt auch für die, die nicht unbedingt respektabel scheinen, halten, haben wir uns