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G elesen in d e r u n g a risc h e n A k ad em ie d e r W iss e n sc h a fte n am 26. J a n u a r 1885.
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«D ie Wissenschaft hat kein V a te rlan d , sie ist das G em eingut der ganzen W e lt. Ih re J ü n g e r w erden nicht durch die G renzen der S taaten von einander geschieden, sie verstehen sich trotz der V e rsc h ie d e n heit der Sprachen. Sie sind B ü rger desselben Id e e n reiches, sie bilden eine grosse in tellectuelle G esell
schaft, stehen u n ter den gleichen G esetzen, u n ter der H errsch aft der ewigen G esetze des m enschlichen G eistes ; die R ich tu n g ihres S treb en s wird durch das
selbe Ziel, durch die Auffindung der allgem einen W ah rh eit, bestim m t ; ein gem einsam es Gefühl, sozu
sagen der P atrio tism us der Civilisation b eleb t sie Alle.»
So sprach M ig n et am 5. Mai 1845 in der franzö
sischen A kadem ie der politischen und M oral-W issen
schaften.
U nd so denkt und so fühlt auch unsere A kadem ie, w enn sie herv orragen d e ausländische G eleh rte und S chriftsteller in die R eihe ih rer M itglieder erw ählt.
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Eines d er ausgezeichnetesten u n serer ausw ärtigen M itglieder v erlo ren wir, als M ignet, der bedeu ten d e französische H isto rik e r u n d glänzende Schriftsteller, am 24. März vorigen Jahres aus dem L eben schied.
Ich will über seine W e rk e sprechen. M eine A b handlung m öge u n ter den gegebenen U m ständen auch als D en k re d e gelten, sowie wir ja gerade von M ignet classische M uster dieser F orm von D en k red en besitzen. U n d w ahrlich, wir feiern sein A nd en k en am w ürdigsten, w enn wir die R esu ltate seiner wissen
schaftlichen T ätig k e it beleuchten.
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I.
F ranz M ignet, der 1796 in S üdfrankreich geboren wurde, absolvirte die S chulen m it ausgezeichnetem E rfolge und ric h tete h ierau f seine S ch ritte, wie jeder junge Franzose, der C arrière m achen will, nach Paris.
Anfangs fand er bei der Presse Beschäftigung. S päter g rün dete er mit A rm and C arrel und T h iers den
('National«.
Jedoch sein T alent, die h öhere R ichtung seines S trebens und sonstige E igenschaften bestim m ten ihn, der für die politische Laufbahn keinen B e ru f in sich fühlte, zum H isto rike r.
Sein erstes W e rk w ar : «Die G eschichte der fran
zösischen R evolution von 1789 bis 1814.« Schon der T itel zeigt an, dass nach der A nsicht M ignet’s die R evolution nicht schon mit dem S taatsstreich B on a
partéd , sondern erst mit dem Sturze des K aiserreichs beendigt war.
D ieses W e rk b eg ründ ete die S tellung und das A n sehen M ignet’s ! Es wird noch heute so gelesen, wie kurz nach seinem E rscheinen vor 60 Ja h re n (1824).
Im Jahre 1883 erschien die vierzehnte Auflage des
selben.
M an kann dies W e rk aus zwei G esichtspunkten b e
u rteilen : bezüglich seiner F o rm und seines Stoffes, in literarischer und in politischer Beziehung.
M ignet w ar der erste G eschichtsschreiber, der ein system atisch ausgearbeitetes Bild der französischen R evolution bot. In innerem organischem Z usam m en
hang, w enngleich in gedrän g terem R ahm en, als später T hiers und A ndere, schildert er die T atsachen von der E röffnung der états généraux bis zum Sturze N a p o le o n s; in einfacher, durchsichtiger Sprache, in harm onischer G estaltung, wie sie in dieser V o ll
endung nur den F ranzosen eigen ist, sowohl in ihren geschichtlichen W erk en , wie in ihren Rom anen, D ra m en, kurzen Essavs und selbst in ihren Jo u rn al- A rtikeln.
Sow eit M ignet B em erkungen über die Ereignisse m acht, R eflexionen an die E rzählung knüpft oder seine K ritik ü b er die T atsachen ü b t : ist er trotz seiner Ju g e n d stets gem ässigt und edel. Indess ist der G eist des W e rk e s mit diesen E igenschaften nicht ganz in H arm onie. D ieser G eist ist ein revolutionärer, in gewisser B eziehung sogar fa ta lis tis c h e r.
D ies wird vor A llem durch zwei G esichtspunkte erklärlich .
Das B uch hatte eine politische R ichtu n g und T e n denz : gegenüber der nach dem ancien régim e g ra
v ie re n d e n R eg ierung C arl s X. mit ihrer reactionären oder besser gesagt co n trerev o lu tio n ären H altung. Die G egenw irkung, w elche dieselbe hervorrief, konnte keine andere, als eine revolutionäre sein. Es ist ein
!
eigentüm liches Y erhängniss der M enschheit, dass die R evolutionen C o n trerevo lu tion en hervorrufen, und dass diese letzteren w ieder zu den ersteren zurückführen.
M ignet verfügte zu der Zeit, als er sein B uch schrieb, nicht über den gesannnten Stoff, den wir heute besitzen und durch den die R evolution nach 'allen R ichtun g en in die richtige B eleu chtu ng gesetzt wird. Das «Ancien régim e» von T ocqueville, die W e rk e von Taine, M ortim er, T ern au x und A d o lf Schm idt w aren noch nicht geschrieben, und auch jene Q uellen w aren noch nicht eröffnet, aus welchen die sp äteren schöpften. A usserdem w aren viele politische und Staatsm axim en, deren H o h lh eit seither offenbar w urde, damals noch allgem ein im Schwange. So ge
schah es, dass M ignet der eigentliche B eg rü n d er jen er R évolutions - Legende w urde, welche später durch T hiers in grösseren D im ensionen ausgearbeitet w urde und Vielen, Franzosen sowohl als A usw ärtigen, u n richtige V o rstellu ngen und falsche U rteile beibrachte.
Sowohl M ignet als T h iers hätten die G eschichte der ersten französischen R evolution gewiss ganz an
ders geschrieben, wenn sie dieselbe nach der juli- revolution abgefasst hätten, und w äre dies nach 1848 geschehen, w ären sie noch w esentlicher von der vor 1830 herrschenden Auffassung und dem dam aligen G eiste abgew ichen. Diese meine M einung wird durch die D en k red en M ignet’s u nterstützt, deren grösster T eil von M ännern handelt, welche in der ersten R evolution eine R olle spielten oder später in der P olitik und auf volksw irtschaftlichem G eb iet figurirten.
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Mi gnet stellt in diesen D e n k red en V ieles von dem richtig, was er in seinem ersten B uche geschrieben.
M an hat oft die Frage aufgew orfen : ob die erste französische R evolution notw endig und h eil
sam w ar? O b sie unverm eidlich w ar und ob ihre R esultate nicht auch auf anderem W ege erreichbar w aren ? Bei E n tscheid un g dieser F rage kann man mit R ech t die B em erk u ng m achen, dass v erspätete R e form en zu R evo lutionen zu führen pflegen oder im besten F alle statt der Lösung einen radikalen B ru ch zur F olge haben.
D er A usgangspunkt der französischen R evolution sind die états généraux, die Z usam m enberufung der Ständeversam m lung, welche nicht deshalb geschah, dam it sie R evolution mache, sondern dam it sie den Staat reform ire. D ie Z usam m enberufung dieser V e r sam m lung w ar unverm eidlich, denn der Staat und die G esellschaft von ehedem hatten sich so sehr abgenützt und hatten A lles dergestalt v erb rau ch t, dass es keine andere R ettu n g gab. D as U ng lü ck bestand nur darin, dass diese V ersam m lung nicht schon viele Jahre früher zusam m enberufen w orden war. T ro tz der V erspätun g aber dachte noch N iem and an die R evolution. Je d e r
m ann streb te nur nach den unum gänglichen R efor
men. W e n n w ir aber die E n d resulta te des mit der erw ähnten E inberufung der E ta ts beginnenden und 1814 endigenden Processes analysiren, so müssen wir dieselben als grossartig und heilsam anerkennen.
W ie sehr v erschieden war im J a h re 1814 der Z u stand von Staat und G esellschaft in W e ste u ro p a von
dem Z ustande vor der R evolution ! Man m ag noch so sehr Pessim ist nach A nsicht und S tim m ung sein und man w ird anerk en n en müssen, dass die Differenz zwischen heute und den Z ustän d en vor fünfzig Ja h re n eine bed euten de, dass der F o rtsc h ritt seit einem halben Säculum bis auf uns schon ein sehr grosser sei. D as Leben ist freier, hum aner, gebildeter, angenehm er, auch die M enschen sind besser gew orden, weil sie hum aner und gerech ter sind.
H ieraus d arf man aber nicht im E n tfern testen schliessen, dass die D octrinen, d urch w elche die M änner der R evolution g eleitet w urden, die richtigen waren, oder dass alles G eschehene zu entschuldigen sei und dass das V orgehen D erjen ig en b erech tig t war, die nicht im m er wegen edler Zw ecke, sondern oft wegen u n erre ic h b a re r U to pien zu den unm enschlichsten M itteln griffen. W ir können vielm ehr sagen, dass die kranke P hantasie im V erein mit dem bösesten G e m üt solche T atsach en herv o rb rach te, welche der M enschheit ewig zur Schande gereichen w erden. Die H errsch aft und T heorie der Jakobiner, welche durch die P ariser Com m une im Ja h re 1871 neu h erau fb e
schw oren wurde, ist die grösste V erirru n g des m enschlichen G eistes und das N onplusultra m ora
lischer V ersunkenheit. Eine geschichtliche Lüge ist die B ehauptung, dass der «terreur» F ran k reich vor den S chrecken der ausländischen Invasion g e re tte t habe. D as gerade G egenteil davon ist bewiesen.
D as Fiasco der 1789er N ational-V ersam m lung ist auf verschiedene G ründe zurückzuführen. D er erste
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ist der, dass sie ohne P lan zusam m engesetzt w urde und des F ü h re rs en tb eh rte. E in an d erer G rund w ar:
dass mit A usnahm e von 20— 25 L euten die übrigen M itglieder der V ersam m lung vom politischen Leben, vom p arlam entarischen O rganism us keinen Begriff hatten, so sehr, dass die A usländer, welche die Z u stände unbefangen b etrach teten , so u n ter A nd eren M orris, der G esandte der nordam erikanischen R e publik, schon zu B eginn eine fü rch terliche R ev o lu tion prophezeiten. So äusserte sich auch M irabeau, der trotz seiner F e h ler und Schw ächen dennoch, m it einziger A usnahm e N apoleon s, die grösste Figur und das ausserordentlichste T a len t in der Z eit der fran
zösischen R evolution war.
E in er der H a u p tg rü n d e des U eb els war, dass mit der B erufung der G eneralständ e die Zügel den H ä n den des K önigs und der R eg ieru n g vollständig e n t
fielen. Es tra t eine allgem eine A n arch ie ein. Jed es D o rf m achte und spielte im K leinen seine R ev o lu tion, verw eigerte die Steuern, begann den begü terten A del zu verfolgen, die C astelle in B rand zu legen und zu plündern. In P aris nahm das V olksgericht seinen A nfang : mit der E innahm e der Bastille, mit M ord und R aub. A u f solche E lem en te stützten sich D iejenigen, die in F ran k reich eine V erfassung ins L eben rufen, die F re ih e it beg rü n den w ollten !
U nd was tat inzwischen die A ssem blée nationale?
Sie d eb attirte über T h eorien und pro clam irte T hesen von den allgem einen M enschenrechten! Sie bewies dam it deutlich, dass sie nicht im Stande war, ihre
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A ufgabe richtig zu erfassen und dieselbe zu lösen.
A n statt nach dem englischen Beispiel die R egierung form ell d urch einige ihrer M itglieder übernehm en zu lassen, beschloss sie, dass keines ihrer M itglieder ein A m t annehm en dürfe, was vornehm lich gegen M irabeau gem ünzt war.
D ie denkw ürdige N ach t des 4. A ugust, welche ebensosehr durch ihre G ro ssm u t, wie durch ihren L eichtsinn glänzt, war ein grosser F eh ler, weil die G rundbesitzerclasse dadurch m it einem Schlage dem V erd erb en nahe gebrach t w urde. D asselbe m üssen wir von der E inführung der bürgerlich en V erfassung des C lerus behaupten. Es war dies in dieser Fassung auch überflüssig, denn was darin practisch war, z. B.
die neue E in teilung der bischöflichen D iöcesen, all das wäre auch auf gew öhnlichem W eg e zu erreichen g e w e se n , denn der französische K önig und seine R egierung genossen eben solche R ech te der K irche gegenüber, wie unser apostolischer K önig und unsere R egierung.
D ie bürgerliche V erfassung des C lerus führte zu den grössten E rsch ü tteru n g en , denn sie rief die Soli
darität zwischen dem selben und der E m igration h e r
vor. D ie W irk u n g dieser M assregel e rstre c k t sich bis auf den heutigen T a g ; d erselben ist die S tellung zuzuschreiben, w elche der französische C lerus dem Staate g egenüber einnim m t. D ie L ite ratu r des ac h t
zehnten Jahrhu nderts, deren R ich tu ng eine geradezu antichristliche war, h atte sich so sehr 111 die P h a n tasie und in das G em üt der M enschen eingenistet,
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dass sie den Sinn für die W ü rd ig u n g der K irche und Religion verloren. Sie konnten es absolut nicht m ehr v e rs te h e n , w elche K raft K irche und R eligion im S taate rep räsen tiren .
D as V erfah ren der A ssem blée gegen die E m ig ran
ten war gleichfalls ein ungerech tes. D iesen unglück
lichen M enschen w ar nichts A nd eres übrig geblieben, als auszuw andern, nachdem ihnen das V erb leiben daheim unm öglich gew orden war. Ih re Lage w endet sich erst dann, als sie sich zu den ausw ärtigen F e in den gesellten und die W affen gegen ihr V aterlan d ergriffen.
W ie die K ir c h e , w urde auch die A rm ee durch ab stracte A uffassungen desorganisirt.
Schliesslich w ar eine der vorn eh m sten U rsach en der h erein b rech en d en K atastro p h e der B eschluss der N ationalversam m lung, dass keines ihrer M itglieder in den nächsten gesetzgebenden K ö rp e r hineingew ählt w erden dürfe.
D ie M itglieder der constitu iren d en V ersam m lung h atten w ährend der zwei J a h re in dieser reichbew eg
ten Z eit viel gelernt und erfahren. M änner, wie B arnave, D u p ort, L am eth reiften von unpractischen R ev o lu tio n ären zu v o llendeten S taatsm än n ern heran.
D urch den erw ähnten Beschluss jedoch w urden aus der Legislative alle D iejenigen ausgeschlossen, die politische B ildung und E rfah run g besassen. D ie zweite N ationalversam m lung, A ssem blée legislative, bestand aus V isionären , W in k e la d v o c a te n , A erzten ohne Praxis, aus S chriftstellern zweiten und dritten Ranges,
und allerlei sonstigen N ullen, die — wie C o n dorcet — der M einung waren, m an könne mit M enschen um gehen wie mit Zahlen in der A rithm etik, die glaubten, dass m an S taaten nach R o u sseau ’s C o n trat social einrichten und die M enschen nach dem «Emile» e r
ziehen könne. W ä h re n d sie die M enschheit nach diesen 'Theorien beglücken wollten, griff die A uflösung von T ag zu T ag m ehr um sich und entw ickelte sich die erbärm lichste S chreckensherrschaft, m it w elcher blos die spanische Inquisition w etteifern konnte. D och auch hier verschlang, wie im m er, der T errorism u s sowohl D iejenigen, die ihn unbew usst vorbereitet, als auch Diejenigen, die ihn wie W ahnw itzige ausgeübt hatten.
N ach all' dem gereichte der 9. T h erm id o r der M enschheit zur E h re ; obzwar wir zugeben wollen, dass eine wichtige T rieb fed er in dem A u ftreten der H elden des T ages die F u rc h t war, welche oft die Feigsten in T apfere verw andelt. D e r T erro rism us fiel, die G esellschaft schw ankte jedoch noch einige Z eit zwischen S chrecken und H u m an ität einher.
Die R evolution h atte sich abgenützt. U nd da e r
hoben ihre H ä u p te r D iejenigen, w elche die alten Zustände reta b lire n wollten. Diese Stim m ung der G em üter zog die M öglichkeit, vielleicht die N o t
w endigkeit eines Staatsstreiches nach sich ; denn [eder hatte F u rch t, dass wenn der K önig und die E m i
granten zurü ckkeh ren w ürden, dem T erro rism us die A era der R ache und der W ied e rv e rg e ltu n g folgen könnte.
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E s ist eine grosse F rage, ob es unbedingt nötig war, dass sich B onaparte zum K aiser wählen liess, und ob man nicht ohne dies die R evolution m it m ehr Stab ilität hätte abschliessen können ? Soviel ist gewiss, wie wir heute bereits klar zu sehen verm ögen, dass der C äsarenw ahnsinn, in w elchen der grosse F e ld h e rr verfiel, den revo lutionären Stoff nicht aufzehrte, der im In n e rn des französischen V olkes noch jetzt fo rt
w ährend gährt und kocht.
II.
Die französische Revolution, w elche ein K ind der R enaissance und R eform ation war, zeigt einen inni
gen Z usam m enhang m it den Ereignissen, w elche sich aus jenen beiden grossen B ew egungen entw ickelten.
I )er G eschichtsschreiber der französischen R evolution befasste sich, ich weiss nicht ob in dieser bew ussten Auffassung oder aus individueller N eigung, w iederholt m it den E reignissen des Renaissance- und R eform a
tions-Z eitalters. E r schrieb die G eschichte der Käm pfe zwischen Carl V. und F ran z L, sowie die G eschichte des A ufenthaltes von Carl V . in San-Y uste und seines Todes ; ebenso behandelte er eine interessante Episode aus dem Z eitalter P hilipp s I I. u n ter dem T itel :
«Don A ntonio P erez und P hilipp IE» In dem selben K reise der E reignisse und Id een bew egt sich auch die G eschichte der M aria S tu a rt, sowie das B uch M ignet’s über den spanischen E rbfolgekrieg.
W e n n M ignet diese W e rk e früher geschrieben und seine schriftstellerische Laufbahn mit der G eschichte der französischen R evolution beendigt h . t t e , ich glaube, es w äre für dieses letztere Buch von günsti
ger W irk u n g gewesen.
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Zw ischen den W e rk e n M ignet’s b esteh t in H in sicht auf die F orm eine grosse V erw andtschaft. Gem einsam ist ihnen die O bjectivitét, eine T u g end des H isto ri
kers, ab er im U eberm ass gebraucht, eine Gefahr, weil sie die D arstellun g farblos m acht und leicht m oralische L auheit zur Fo lg e hat.
Sowie in dem ü b er die französische R evolution geschriebenen W e rk e A lles, selbst das S chreckens
regim e, im L ichte der N o tw en dig k eit erscheint, so sind auch in M ignet’s späteren A rb eiten alle E r bärm lichkeiten des 16. Ja h rh u n d e rts als notw endige E rgebnisse der V erg an g en h eit und der U m stände, als die m enschliche B erechnung übersteigende F acten dargestellt.
W e n n diese Auffassung auf das Individuum und seine H andlungen ü bertrag en w i r d , verschw inden W ah rh eit, M oral, R echtschaffenheit, der vollständige
B a n k e ro tt der G esellschaft wird unverm eidlich.
D ie K riege F ranz I. gegen Carl V . d auerten von der Schlacht bei M arignano 1515 bis zum F rieden von Cam brai. W elch e B ew eggründe dieselben hatten, inwiew eit die persönlichen In teressen mit denen der L änder verflochten waren, ist schw er zu entscheiden.
Im Laufe des ganzen K rieges nim m t jedenfalls den V o rd erg ru n d die M achtfrage ein, w elche zu G unsten C a rl’s und der spanischen M onarchie auf K osten Italiens gelöst wmrde.
W e n n wir nur die G eschichte dieser K riege, ohne Bezug auf andere E p o ch en lesen, wenn wir sehen, wie Spanier, Franzosen und D eutsche das Unglück
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liehe Italien behandelt haben, wenn wir lesen, wie die L eiden dieses Landes gesteigert w erden durch die P äp ste und die kleineren italienischen Souveräne, besser gesagt, T y ran n en , die sich je nach persön
lichen oder Fam ilieninteressen bald der einen, bald der anderen feindlichen P a rte i anschlossen : dann können wir uns einen Begriff von dem G efühle bil
den, welches den heutigen Italien er im H inblick auf das unabhängige Italien erfüllt. Es giebt keine G räss
lichkeit, keine B edrängniss und P ein ig u ng , welche die unglückliche italienische N ation damals nicht hätte über sich ergehen lassen müssen.
Interessan t ist der G egensatz zwischen den beiden H au p tacteuren , zwischen F ranz I. und Carl V. Franz war ein schöner Mann, kräftig und in allen L eibes
übungen gew andt, ehrgeizig, geistreich ; er hatte Sinn für L ite ratu r und nam entlich für K unst ; neben der F riv o lität der S itte n , en tb eh rte er nicht den nöti
gen E rn st ; er w ar m it einem W o rte das, was man einen brillanten C avalier nennt.
Carl w ar das gerade G egenteil von alledem . E r w ar w eder schön, noch kräftig, aber ernster und energischer, als F ranz ; in grossem Maasse sinnlich, schwach gegen F rau en und gegen die Genüsse der Tafel. A lle diese Eigenschaften wusste er jedo ch mit dem äusseren Firniss der Fröm m igkeit zu verdecken.
Die «sors bona»» lächelte Carl. Seine M acht und sein G lück spiegeln sich vornehm lich in zwei F acten : er nahm den P ap st und den K önig von F ran k reich gefangen, die auf diese W eise in seine G ew alt gerieten.
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C haracteristisch sind für diese E po che die über Patriotism us und politischen A nstand, über M oral und E ig en tu m srech t herrschenden Begriffe, welche sich in der G eschichte des C onnétables von B ourbon lebhaft w iderspiegeln. D ieser, ein V erw a n d ter des K önigs, verhess sein V aterlan d , begab sich in den D ienst seiner Feinde, käm pfte gegen F rankreich , b e
lagert endlich als der F e ld h e rr des allerkatholischesten F ü rste n R om , wo er fällt, w ährend seine Schaaren die ewige S tadt einnehm en, v erw üsten und den P apst gefangen nehm en. D ie w ildeste Soldateska hauste eine W o ch e lang, schändete F rauen, M ädchen, N o n nen. So verfuhr der erste H e ld der katholischen K irch e m it dem P ap st und seiner M etropole.
In vielen B eziehungen ist jenes W e rk M ignet’s interessant, w elches die A b d an k un g Carl s V., sein K lo sterleb en und seinen T o d behandelt. E s ist jed en falls ein grosses psychologisches R ä ts e l, dass der m ächtigste F ü rst der W elt, nach so viel Erfolgen und G lücksgunst, seiner M acht entsagt, sich von der W e lt zurückzieht und seine T age in einem K loster b e e n d ig t, ein R ä tsel, w elches man durch die A n nahm e der verschiedensten M otive zu erklären v e r
sucht hat. M anche schrieben seinen E ntschluss einer von seiner M u tter g eerb ten G e m ü tsk ra n k h e it, A n dere einer geistigen E rschöpfung oder einem k ö rp er
lichen U ebel zu. Sicher ist, dass die Z usam m enw ir
kung versch ied ener U rsachen uabei tätig war.
V iele behaupten, dass er seine W eltflu ch t b ereu t habe. M ignet th eilt diese M einung nicht. E r bespricht
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ausführlich, wie lebhaft sich Carl V. bis zu seinem T od e für jede politische A ctio n interessirt habe, so wie er auch jed e r Z eit seinem Sohne m it R a t
schlägen dienlich war. A ls eifriger K atholik w urde er in die heftigste A ufregung versetzt durch das A uf
tauchen der H äresie in Spanien und durch deren V e rb re itu n g selbst u n ter solchen M ännern, die sein V e rtra u e n besassen. In V alladolid und Sevilla gab es zahlreiche P ro te stan te n . M it fieberhaftem Eifer gab sich Carl V. der A usro ttu n g derselben hin. Seine Briefe, die er in dieser A ngelegenheit schrieb, lassen eine W ildheit erkennen, als ob sie ein R obesp ierre oder S a in t-Juste geschrieben hätte. A uch das V e r fahren der Inquisition w ar ein grässliches ; m an kann sagen, dass die französischen C om m unisten und D e m agogen von den spanischen K önigen diese F orm des H errsch ens erle rn t haben.
TIT.
M ignet hat ein W e rk , w elches wir einen h istori
schen Leckerbissen nennen m öchten. Es b etitelt sich :
«Antonio P erez und P hilip p der II.» D ie G eschichte des X V I. Ja h rh u n d e rts besitzt kaum eine characte- ristischere E pisode, als das Schicksal des A ntonio P erez. Es ist zugleich ein spannender R om an und ernsteste geschichtliche W irk lich keit. Das B enehm en P h ilip p ’s in dieser A ng eleg en h eit spiegelt die nied
rigsten Seiten der m enschlichen N a tu r und der V e r d e rb th e it jenes Z eitalters wider.
D er M inister A ntonio Perez, der das grösste V e r trau en seines K önigs besass, liess auf d irecten Befehl seines H e rrsc h e rs einen andern M inister erm orden, der an der S eite D on J u a n ’s in die N ied erland e gesandt wurde. Als P e rez den V e rd a ch t des M euchel
m ordes auf sich lenkte, lieferte ihn der K önig der Justiz aus, liess ihn auf die F o lte r spannen und zum T od e verurteilen, berau b te dessen W eib und K inder ihres V erm ögens, liess sie in den K e rk e r werfen und bis zn ihrem T ode im G efängniss sch m ach ten ; er versuchte Alles, um Perez, dem es gelang aus S p a
nien zu fliehen, du rch gedungene M örder aus dem W eg e zu räum en.
Es gibt kaum eine Tatsache, welche die niedrige N atu r des Königs, in w elcher wilder Fanatism us, R achsucht und B osheit des G em ütes sich vereinig
ten, dergestalt blosslegen w ürde, wie diese V e rfo l
gung, welche lebhaft an R o b esp ierre erinnert.
In das Schicksal eines M enschen spielt hier selt
sam er W eise das Schicksal einer P rovinz und die V ern ichtu n g ihrer F reih eit hinein. U n te r den feudalen C onstitutionen des M ittelalters war keine, welche den Ständen so viel F reih eit sicherte, als die arragoni- sche. D er Eid, durch w elchen der K önig gebunden war, ist bekannt. Die Justiz war ganz unabhängig vom König.
Perez, dem M adrider Gefängniss entflohen, rettete sich nach Saragossa und stellte sich u nter den Schutz der arragonischen Justiz. D och nun tra ten die K ron- juristen mit der B ehauptung auf, dass P erez ein K etzer und G ottesläugner und folglich der Inquisition verfallen sei. N un entspann sich eine heftige F eh de zwischen der Inquisition und der w eltlichen G erich ts
barkeit, in w elcher endlich die letztere nachgab.
Da legte sich jed och das V olk ins M ittel und befreite P erez aus dem K e rk e r der Inquisition. D e r V erfolgte re tte te sich nach F rankreich.
D er A ufstand von Saragossa, der zu G unsten von Perez organisirt w orden war, diente als w illkom m ener V orw and zur V ern ich tu n g der arragonischen V erfas
sung. D er K önig sandte ein H eer nach A rragonien, welches letztere nicht fähig war, W id erstan d zu leisten.
N ach dem Siege kam en die Executionen. D e r A del
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von A rrag o nien w urde niedergem etzelt. N achdem der w eltlichen R ache G enüge geleistet war, kam en die V erfolgungen der Inquisition. N eunundsiebzig B ü rger endigten ihr L eben auf dem »Scheiterhaufen. P erez w urde in contum aciam v e ru rteilt und lebte seitdem als politischer A b e n te u re r teils in F rankreich , teils in E ngland. E r k ehrte selbst nach dem T ode P h ilip p ’s nicht m ehr nach Spanien zurück.
Ich bedauere, dass ich nicht länger bei dem in te r
essanten B uche verw eilen kann. Ich hebe nur die eine L ehre daraus hervor, dass der T erro rism u s w eder eine französische, noch eine dem okratische E rfindung ist. D erselbe ist übrigens gleichm ässig zu verdam m en, w oher er im m er kom m en möge, so wie er im m er böse C onsequenzen gebiert, aus w elcher Q uelle er auch stam m en möge.
D ie G eschichte der M aria S tu art ist von V ielen beh and elt w orden, von D ic h te rn und H isto rik ern . Diese G eschichte ist je nach dem G esichtspunkte, aus w elchem wir sie betrachten, ebenso rom antisch, wie prosaisch. D as B uch M ignet’s könnte m an am tref
fendsten: die G eschichte der R ivalität zwischen M aria
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S tu art und der englischen E lisab eth nennen, in w el
cher hinter den P erso n en grosse P rincipien und w ichtige S taatsinteressen v erbo rg en sind. D e r K am pf wird eigentlich zwischen dem K atholicism us und Protestantism us, zwischen der britischen U nion und
•der U n abhängigkeit Schottlands, zwischen dem A b solutismus und Constitutionalism us geführt. E lisabeth war die V ernünftigere und G ew andtere, und auch die G lücklichere. Sie siegte, M aria S tu a rt fiel. D e r Sieg E lisab eth ’s hat der M enschheit nicht zum Schaden gereicht; trotzdem können wir das V erfah ren E lisa
b e th ’s nicht rec h t und nicht g erech t finden, dem gemäss sie ihren Sieg mit dem T o d e ih rer u nglück
lichen N eb en buh lerin krönte. D ies bildete den P rä - cedenzfall für die H in rich tu n g C a rl’s I. von E ngland und diese w ieder das P rä ce d e n s lü r die G uillotinirung Ludw ig’s X V I.
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W e r nur die grösseren W e rk e M ignet’s kennt, der kann sich kein rech tes B ild von den b ed eu ten d en Eigenschaften dieses S chriftstellers m achen. Man muss seine Essays oder D e n k re d en lesen, welche er von den vierziger Jahren bis zum Jahre 1877 schrieb. Es gibt kaum ein Z eitalter, ein Land, eine W issenschaft, ü b er die er nicht gelegentlich gehandelt hätte. Die V orzüge dieser A rb eiten , w elche w enigstens teil
weise durch U eb ersetzung en dem ungarischen P u b li
cum zugänglich gem acht zu w erden verdienten, sind:
ein klarer, durchsichtiger V o rtrag, tiefe G edanken, gesundes U rteil.
M ignet besch rän k t sich nicht blos auf französische G eleh rte und S chriftsteller; er zieht auch E ngländ er, D eutsche und A m erik an er in den K reis seiner B e trachtungen. E ine seiner schönsten A b handlungen ist die ü ber H aliam . In w enigen B lä tte rn fasst er hier die G eschichte der E n tw ick lu n g der englischen C o n stitution zusam m en, und schild ert zugleich die tra g i
schen Ereignisse des S chriftstellerleb en s m it tiefer Em pfindung. Mit B ed au ern versage ich m ir die w ei
tere E rö rte ru n g dieses Essays, da die m ir zugem es
sene Z eit zu kurz ist.
M ignet hat sich in der französischen L ite ratu r einen dauernden P latz erw orben. D as Studium seiner W e rk e ist dem ungarischen P ublicum in h ervorragendem Maasse zu. em pfehlen.
E s ist ein Spruch, der von M und zu M und geht, dass «die G eschichte die L ehrm eisterin des L ebens sei.» Indess ist dies eine der banalsten Phrasen, man
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m öchte sagen eine conventionelle Lüge. D enn wie W enige befolgen die L eh ren dieser M eisterin!
Indess hat das Studium der G eschichte dennoch den einen V orteil, dass der K e n n e r der V e rg a n genheit in der R egel g erech ter zu sein pflegt in der B eurteilung der G egenw art. A uch in dieser B ezie
hung könnte besonders die G eschichte der französi
schen R evolution auf G rund der Q uellen bearbeitet, welche M ignet nur teilw eise zur V erfügung standen, den jetzigen Schriftstellern aber vollständig geöffnet sind, auf die K lärung des U rteils des ungarischen Publicum s eine grosse und w ohltätige W irk u n g ausüben.
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