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und des Reisepredigers Salomon Schweigger

Bei dem Vorhaben, das Ungarnbild – wenn es denn ein einheitliches gibt – in deutschsprachigen Drucken des 17. Jahrhunderts durch repräsentative Textbeispiele möglichst lückenlos darzustellen, kommt man um den großen Komplex der Reiseliteratur nicht herum. Dieser Sammelbegriff steht hier für die zahlreichen Textsorten wie z.B. Reisebriefe, Reisebücher, Pilgerberichte oder „Baedecker”, die bereits in der Frühen Neuzeit existierten oder eben auf dem Wege waren, sich zu entfalten. Gewiss waren schriftstellerische Absichten ebenso zahlreich und vielfältig wie die Textsorten selbst, daher soll hier von gattungstheoretischen Überlegungen abgesehen werden. Vielmehr scheint es wichtig, den Blick auf Ungarn im Fokus des Reisens zu veranschaulichen, wobei hier zwei Textsorten, und innerhalb dieser Textauszüge ausgewählt wurden, die sowohl formal als auch inhaltlich wie stilistisch unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Anschaulichkeit halber wurde bei der Auswahl beider Texte eine geographische Begrenzung auf die Stadt Ofen vorgenommen.

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Bei dem ersten Beispiel handelt es sich um einen Textauszug aus dem Werk Martin Zeillers, aus der Neuen Beschreibung des Königreichs Ungarn,1 die im

1 Zeiller, Martin: Neue Beschreibung des Knigreichs Vngarn / und darzu gehriger Landen / Stdte / und vornehmster rter; Darauß / Neben allerley denckwrdigen Geschichten / und Hndeln / Beschreibung- Belager- und Eroberung der Pltze / Feldschlachten / Scharmtzeln / und anderen Sachen / und was sich vom Anfang des TrckenKriegs / biß auff gegenwertige Zeit / daselbsten zugetragen; Auch zu sehen / was noch von diesem Knigreich in der Christen- und was hergegen in der Trcken Hnden / und Beherrschung ist. Weiland von dem berhmten sel. Herrn Martino Zeilero beschrieben. Anietzo aber / nach der neuesten und vermehrtesten Edition, sampt der vornehmsten Stdte Abrisse / und was sonsten biß in dieses 1664ste Jahr

Grunde ein Baedecker über das damalige Königreich Ungarn ist. Der Verfasser – auch als Martinus Zeiler erwähnt – wurde 1589 als Sohn eines Melanchthon-Schülers und lutherischen Pfarrers in Ranten, in der Steiermark geboren. Er besuchte die Schule in Ulm, die Universität in Wittenberg und wurde zunächst Sekretär in oberösterreichischen protestantischen Adelsfamilien, später war er Privatlehrer und unternahm kleinere und größere Reisen durch seine Heimat, aber auch durch Tschechien, Frankreich und Italien. 1630 kehrte Zeiller nach Ulm zurück, wo er bis zu seinem Tod 1661 Aufseher an einem Gymnasium, Zensor geschichtlicher und philosophischer Werke und Schulinspektor war.

Beim berühmten Verleger und Kupferstecher Merian erschienen 30 Bände seiner Topographien, die beinahe alle Länder Europas einschlossen. Zeiller ver-fasste zudem den ersten deutschsprachigen „Reiseratgeber“, den Fidus Achates,2 in welchem er dem Reisenden gute Ratschläge für die Reisevorbereitung auf den Weg gab. Es war ihm wichtig zu betonen, man solle eine Reise be-wusst unternehmen, mit dem aufmerksamen Erleben aller Schönheiten und Merkwürdigkeiten. Er selbst formuliert am trefflichsten, welchen Nutzen das Reisen hat:

Wie dann die meisten darum anreysen, dass sie nicht allein sonder-bare Sachen sehen, sondern auch allerhand gute Kuensten, Sprachen und Exerciten ergreiffen, und damit hernach in ihrem Vatterland, zu Fried- und Kriegs-Zeiten, mit Rath und Tath dienen koennen.3 Es ist mit aller Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass Zeiller nie in Ungarn gewesen ist, obgleich sein Werk Neue Beschreibung des Königreichs Ungarn von einer scheinbar außerordentlichen Kenntnis über das Gebiet zeugt. Nóra G. Etényi,4 die die dritte Ausgabe des Textes ins Ungarische übersetzt und mit

passiret / herausgegeben und verleget von JOHANN BEZA. Leipzig / Zu fi nden in Christian Kirchners Buchladen. Gedruckt bey Johann Erich Hahnen / 1664.

2 Zeiller, Martin: Fidus Achates, oder Getreuer Reißgefert, welcher seinem Reißgesellen nicht allein, zum Th eil auß eigener Erfahrung, zum Th eil auß anderen Schrifft en, und Berichten, die Meilen und Weite der Oerther von einander: Deßgleichen, wie, und wo sie gelegen: Sondern auch bey vielen, was vornemlich daselbsten zu sehen, und wem solche um das Jahr Christi 1660 gehrig gewwesen, anzeigen thut. […] Jetzt zum drittenmal gedruckt. In Verlag Joh. Georg und Erhard Friderich Wildeisens zu Ulm 1680.

3 Ebda., S.4.

4 Vgl. Etényi, Nóra G.: Toposzok és újítások a kora újkori Magyarországképben 17. századi német nyomtatványok tükrében. [Topoi und Neuerungen im frühneuzeitlichen Ungarnbild im Spiegel

einem Nachwort5 versehen hat, bemerkt, er sei zu seiner Zeit ein beliebter und oft gelesener Autor gewesen und gehörte zu den bekanntesten Verfassern von Reisebeschreibungen und geographischen Werken, nicht ausschließlich wegen der Akkuratheit, sondern auch Dank der Unterhaltsamkeit und stilistischen Finesse seiner Texte. Zeiller versteht es – so Etényi –, schwer erreichbare und komplizierte geographische und historische Arbeiten so zu komprimieren, dass sie für Jedermann zugänglich und verständlich sind.

Aus dem näheren Studium des Druckes geht hervor, dass Zeiller sich beim Verfassen des Werkes auf mehrere Quellen stützt und diese auch angibt. So erwähnt er die Namen Johann Leunclavius (Löwenklau), der 1584 durch Ungarn reiste und Salomon Schweiggers, der ebenfalls als Mitglied einer Gesandtschaft an die Hohe Pforte fahren konnte. Zeiller beruft sich zudem aber auf einen weiteren Helfer, einen Freund, den er nicht benennt. Als seine Hauptquelle gibt er Miklós Istvánffys Ungarische Historia6 an.

Der Textkorpus ist in zwei Teile gegliedert. Die Kapitel des ersten Teils beschäftigen sich – mit der Ausnahme des ersten – jeweils mit einem großen territorialen Bereich oder mit kulturellen, gesellschaftlichen oder historischen Punkten.7 Der ander Teil des Werkes besteht aus mehr oder weniger ausführ-lichen Artikeln, die den jeweiligen Städten, Landschaften und anderen geo-graphischen Gegebenheiten gewidmet sind, wobei Zeiller bei der Beschreibung einer Ortschaft teilweise eine ganze Reihe von Gesichtspunkten in Betracht zieht.8 Zum Gesamtwerk Zeillers bemerkt Wilhelm Kühlmann in einem Aufsatz

deutschsprachiger Drucke des 17. Jahrhunderts]. In: Korall. Táradalomtörténeti folyóirat Nr.

38. Hg. v. Gábor Czoch. S.112-139.

5 Martinus Zeiler: A magyar királyság leírása. [Beschreibung des Königreichs Ungarn]. Übersetzt von József Glósz und László Élesztős; lektoriert und mit einem Nachwort versehen Nóra G.

Etényi, Fachlektor Lajos Gecsényi. Szekszárd: Babits Verlag 1997. 368 S.

6 Istvánff y, Miklós: Nicolai Isthvanfi [i] Pannoni[i] Historiarum De Rebus Ungaricis Libri XXXIV.

Köln: Hieratus 1622.

7 Die Einteilung haben wir dem Herausgeber Stübel zu verdanken, der das Werk bearbeitet hat.

Bei Zeillers erster Ausgabe fehlt sie ganz, der erste Teil fällt recht spärlich aus.

8 In dem Werk Fidus Achates zählt Zeiller zahlreiche Punkte im Zusammenhang mit der Besichtigung der Ortschaft en auf. Er rät u. a.: Man solle sich mit den vornehmsten Leuten bekannt machen, Hauptschrift und Wappen verzeichnen, fl eißig verzeichnen, was man mit

„Augen selber sihet“, auf den höchsten Turm und um die Stadt herum gehen, sich berichten lassen, in welchem Lande man sei, bekunden, wie es die Alten und Jetzigen nennen, sich über Ackerbau und Viehzucht, Bodenschätze, Flora und Fauna, Bäder und Quellen, Häfen, Brücken

über die Eigenart und Vermittlungsfunktion der polyhistorischen Reihenwerke Martin Zeillers folgendes:

Zeillers Schriften führen zwar Traditionen der moralisierenden

„Speculum“-Literatur weiter, stehen jedoch insgesamt auf dem Boden der vom „Realismus“ der Zeit inspirierten Philologie-Definition des Späthumanismus.9

Bei der Darstellung Ofens geht Zeiller ebenso vor, wobei er hier eine auffällig detaillierte und kritische Quellenarbeit leistet und sich sowohl auf die großen repräsentativen Werke stützt als auch das überlieferte mündliche Gut des ge-meinen Volkes schriftlich festhält. Allein in diesem Textauszug bezieht sich Zeiller gleich mehrere Male auf den Reiseprediger Schweigger. Das Urteil über die Authentizität des wertend Niedergeschriebenen überlässt er dem Leser bzw. dem Reisenden: „Ja besagter Wernherus10 darff schreiben / daß kein Ort in der Christenheit mit Ofen zu vergleichen seye. Davon aber die / so Ofen gesehen / am besten werden urtheilen knnen.”11

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Der zweite Textauszug zu Ofen aus der Nützlichen und anmuthigen Reisebeschreibung,12 stammt aus der Feder des lutherischen Pfarrers Salomon Schweigger, der im Jahr 1551 im schwäbischen Haigerloch geboren wurde.

Bereits früh übte die Reformation ihre Wirkung auf den noch jungen Schweigger aus. Er besuchte zunächst eine aus einem ehemaligen Kloster gegründete und aus einbezogenen Gütern der katholischen Kirche verwaltete Schule und ent-schied sich später für ein Studium an der Universität von Tübingen. Dort lernte er seinen Lehrer Martin Crusius kennen, der berühmt war für seine Kenntnisse

und astronomische Angaben erkundigen.

9 Kühlmann, Wilhelm: Lektüre für den Bürger. Eigenart und Vermittlungsfunktion der polyhistorischen Reihenwerke Martin Zeillers (1589–1661). In: Beschreibung der Welt. Zur Poetik der Reise- und Länderberichte. Vorträge eines interdisziplinären Symposiums vom 8.

bis 13. Juni 1998 an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Amsterdam/Atlanta: Edition Rodopi 2000. S. 917-934, hier S. 918.

10 Zeiller bezieht sich hier auf folgenden Reisebericht: Wenner, Adam: Ein gantz new Reysebuch von Prag auß biß gen Constantinopel. Nürnberg: Halbmayer 1622.

11 Zeiller, Martin: Neue Beschreibung des Knigreichs Vngarn. S. 171

12 Schweigger, Salomon: Ein newe Reyßbeschreibung auß Teutschland Nach Constantinopel und Jerusalem. Nürnberg: Lantzenberger 1608.

im Bereich der griechischen Philologie und mit dem Schweigger später enge Freundschaft schloss. Crusius interessierte sich darüber hinaus für die unter dem türkischen Joch lebenden Griechen. Seine Erkenntnisse und Ansichten prägten die Meinung seines Studenten und Freundes in hohem Maße.

Im September 1576 beschloss Schweigger, sein Studium vorzeitig zu beenden und sich am 26. des Monats der Gesandtschaft Joachim von Sinzendorfs, des Botschafters Kaiser Rudolphs II., an die Hohe Pforte anzuschließen und als Reise- und Gesandtschaftsprediger mitzuwirken. Nach seinem mehr als dreijährigen Aufenthalt in Konstantinopel und mit dem Ende der Mission Sinzendorfs trat Schweigger in der Gesellschaft deutscher Mitreisender eine weitere, diesmal eine kurze Pilgerfahrt nach Jerusalem an, von der er – nach etlichen Abenteuern – im November 1581 glücklich heimkehrte. Es folgten Jahre im Dienst der Kirche, zunächst in Nürtingen und Grötzingen später in der Nürnberger Frauenkirche.13 Erst im Jahr 1608 gab Schweigger seinen Reisebericht erstmals in Druck. Diesem folgten Dank seiner hohen Beliebtheit bei der Leserschaft zahlreiche Neuauflagen, die jüngste der Zeit im Jahr 1665.

Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass Schweigger als erster deutscher Übersetzer des Korans gilt, wobei bekannt ist, dass er eine mangelhafte itali-enische Fassung Andrea Arrivabenes als Grundlage benutzte. Wichtig ist hierbei nicht der Aspekt der Genauigkeit oder Ungenauigkeit der Übersetzung, diese Kritik an einer missverständlichen Übersetzung, vermischt mit der Überlieferung von Legenden, die nicht in dem Koran zu finden sind, hat sicher-lich ihre Berechtigung. Doch dem grundsätzsicher-lichen Interesse Schweiggers für Quellen und der Offenheit gegenüber fremden religiösen Schriften gebühren ein gewisser Respekt. Schweigger starb am 2. Juni 1622.

Was den inhaltlichen wie formalen Aufbau des Reiseberichtes betrifft, so folgt Schweigger dem Geist seiner Zeit. Es erstaunt nicht, dass die Reiseroute, die er beschreibt, identisch ist mit den meisten Routen hin zur Hohen Pforte.

Die reisebuchartige Beschreibung der Reiseerlebnisse und Eindrücke in Konstantinopel findet ihre Gliederung in Kapiteln, wobei einige dieser Kapitel z.T. für den Autor nennenswerten historischen Rückblicken gewidmet sind.

Sämtliche Editionen des Werkes sind mit schönen Holzschnitten ergänzt, die auf Grundlage Schweiggers selbst angefertigten Zeichnungen entstanden

13 Vgl. Heyd, Wilhelm von: Schweigger, Salomon. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Bd.

33. Leipzig: Duncker & Humblot 1891, S. 339-340.

und von der ersten bis zur letzten Ausgabe erhalten geblieben sind. Stilistisch betrachtet ist das Werk recht durchwachsen, doch dem Autor scheint es nicht darauf anzukommen, einem literarischen Trend der Zeit gerecht zu werden.

Vielmehr möchte Schweigger unterhalten und Bericht erstatten – nicht wissen-schaftlich, sondern informativ und „nah am Geschehen“. In ihrem Nachwort14 zur jüngsten Neuausgabe der Schweiggerschen Reiseberichtes sagt Heidi Stein über den Reisebericht Schweiggers:

Die spontane Art seines Erzählens führt zu einer gewissen Uneinheitlichkeit in Inhalt und Form, die hin und wieder regelrechte Stilbrüche verursacht. Der Autor tritt uns sozusagen in verschiede-ner Gestalt gegenüber: einmal als aufgeschlosseverschiede-ner, interessierter Beobachter einer fremdartigen Kultur, zum anderen als humanis-tisch Gebildeter, für den die antiken Schriftsteller neben der Bibel wichtigste Quelle der Belehrung sind, und zum dritten als Theologe und Prediger, befangen im religiösen Denken seiner Zeit.15

Die Eindrücke, die der Reiseprediger bei seiner Beschreibung des Aufenthalts zu Ofen zu Papier bringt, können als geradezu schöpferisch bezeichnet werden.

Er haucht dem, was wir bei Zeiller als „statische“ Gebilde und längst vergan-gene Historie erfahren, Leben ein. Auch er fasst – unter der Verwendung der gleichen Quellen, wie Zeiller sie auch benutzte – Geschichtliches zusammen, Fakten, die er hinsichtlich der aktuellen Geschehnisse für wichtig erachtet.

Doch eben dadurch stellt er zusammen mit seinen persönlichen Eindrücken eine Kohärenz her, aufgrund derer er seinem Lesepublikum ein unmittelbar-authentisches Erlebnis vermittelt. Womöglich ist dies mit ein Grund für die außerordentliche Beliebtheit seines Reiseberichtes, die dieser im Laufe des gesamten 17. Jahrhunderts erfahren hat.

14 Schweigger, Salomon: Zum Hofe des türkischen Sultans. Bearbeitet und herausgegeben von Heidi Stein. Reihe Klassische Reisen. Leipzig: VEB F. A. Brockhaus Verlag 1986. S. 210-223. Dieser Ausgabe liegt ein Faksimile-Neudruck der Erstausgabe der Grazer Akademischen Druck- und Verlagsanstalt aus dem Jahr1964 zugrunde.

15 Ebda., S. 219-220.

Neue Beschreibung des Knigreichs Vngarn / und