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Möglicher Hintergrund: Mikrographie und Figurengedicht

In document Deutung I. & Quelle (Pldal 49-53)

Eine Luther-Darstellung aus dem Jahre 1817

2 Möglicher Hintergrund: Mikrographie und Figurengedicht

Bei der Darstellung Luthers verwendete Theodor Goetz die drei Glau-bensbekenntnisse in Mikrographie. „Mikrographien bestehen aus winzig kleinen Buchstaben, Wörtern und Sätzen, die oft nur mit einer Lupe les-bar sind.”5 Bei Theodor Goetz ist vor allem das das Gewand Luthers dar-stellende Athanasische Glaubensbekenntnis nur mit Hilfe der modernen Technik lesbar.

2 Schriftliche Mitteilung von Gyula Greschik am 27. Juli 2017.

3 Greschik 2011 und schriftliche Mitteilung von Gyula Greschik am 31. Juli 2017.

4 Schriftliche Mitteilung von Gyula Greschik am 27. Juli 2017.

5 juedisches-leben.erfurt.de.

Als Hintergrund der Darstellung können die Formen der „Textver-bildlichung“ dienen, die in den verschiedenen Kulturen der menschlichen Zivilisation vorkommen, von der arabischen bis zur japanischen Kultur.6 Zu unserer Darstellung können zwei Traditionen genannt werden, die hebräische Mikrographie und die Figurengedichte, die beide „eine Kon-tinuität von der Antike bis zur Gegenwart“7 zeigen und einander wahr-scheinlich auch beeinflusst haben.

2.1 Hebräische Mikrographie

Als Vorläufer der jüdischen Schreibertradition können die seit der Antike bekannten Elemente der jüdischen Religion, die sog. Mesusa und die Te -filin, betrachtet werden. Es geht hierbei um mit winzigen Buchstaben auf Pergament geschriebene Texte aus der hebräischen Bibel, die in Schrift-kapseln an den Türrahmen befestigt oder in Kapseln der Gebetsriemen getragen werden.8

Zwar sind die Entwicklungsphasen der hebräischen Mikrographie schwierig zu rekonstruieren, es werden aber als erste Belege solcher Tex-te die „zwischen den Zeilen geschriebenen oder ganze SeiTex-ten ausfüllen-den“ linguistischen Kommentare der „zwischen dem 7. und dem 11. Jahr-hundert v. Chr. wirkenden jüdischen Linguisten“, der Masoreten, be-trachtet. Diese Texte wurden wegen Platzmangel von den mittelalterli-chen hebräismittelalterli-chen Schreibern mit „winziger, halbkursiver hebräischer Schrift“ in die mittelalterlichen hebräischen Bibelcodices kopiert. „Später wurden diese Texte zu verschiedenen Gestalten und Schmuckmotiven geformt“ und konnten „rituelle Gegenstände und Gebäude, pflanzliche, tierische oder menschliche Gestalten sowie abstrakte Formen“ abbilden.9 Es wird vermutet, dass die Wahl des Schreibers, welche Gestalten er aus den Texten formte, unter dem Einfluss der kulturellen Umgebung stand.

So wurden in den auf islamischen Gebieten entstandenen Handschriften

6 Ernst 2000: 213.

7 Berzeviczy/Pfändtner/Tamási 2010: 25.

8 Ebd.

9 Ebd.

vor allem geometrische, pflanzliche, oder seltener stilisierte Tiermotive dargestellt, hingegen erschienen auf dem europäischen Gebiet oft Tier- und Menschenmotive, literarische und sogar auch groteske Abbildun-gen.10 Zwei Typen von Mikrographien sind aus der jüdischen Tradition überliefert: Die eine Form der jüdischen Mikrographie bilden Schrift-bilder, bei denen „der Text das Bild nicht ausfüllt, sondern seine Außen-linien markiert“. Vor allem diese werden als aus der masoretischen Tra-dition stammend betrachtet.11 Die andere ist

die weniger bekannte Form, in der übereinander angeordnete Schriftli-nien von unterschiedlicher Länge eine bestimmte Form ergeben. Dieser Typus ist mit den paganen und christlichen Kaligrammen [sic] der Antike vergleichbar und wahrscheinlich auch von dort inspiriert.12

Nach der Meinung anderer Forscher ist aber die hebräische Mikrographie eine „unabhängige, selbstständige, jüdische, künstlerische Form“.13

Dass dieser Typus auch noch im 18. Jahrhundert bei den europäischen jüdischen Schreibern bekannt war, zeigen die fünf sog. Megilloth- Hand-schriften14 von Aaron Wolf Herlingen, einem kaiserlich-königlichen Bib-liotheksschreiber in Wien, von denen eine in der Ungarischen National-bibliothek aufbewahrt wird.15 In der Frühen Neuzeit wurde die Technik der Mikrographie auch von nicht-jüdischen Künstlern benutzt.

2.2 Figurengedichte

Die Geschichte der Figurengedichte reicht von der Antike bis in die Ge-genwart, Ulrich Ernst unterscheidet drei Grundformen dieser Gattung:

10 Ebd., S. 26.

11 juedisches-leben.erfurt.de. 12 Ebd.

13 Berzeviczy/Pfändtner/Tamási 2010: 25f.

14 Die fünf Megilloth (‘Rollen’) sind: die Bücher Ruth, das Hohelied, Ecclesiastes (Ko-helet), Ester und die Klagelieder des Propheten Jeremia.

15 Mehr zu dieser und zu den anderen Megilloth-Handschriften Aaron Wolf Herlin-gens bzw. Abbildungen siehe Berzeviczy/Pfändtner/Tamási 2010.

1) eine „mimetisch-ikonische Form“, bei der die Anordnung der Schrift-zeilen einen Gegenstand nachbildet

2) die „steganographische Form“, bei welcher in einem Basistext andere Intexte enthalten sind, die mit Hilfe einer besonderen Lesart einen Metatext ergeben, hierher gehört z.B. das Mesostichon

3) und schließlich die „kombinatorisch-aleatorische Form“, wobei ein

„rechteckiges Textfeld in Kästchen eingeteilt wird, denen Schriftzei-chen eingeschrieben sind“, die ein kombinatorisches Lesen voraus-setzen.16

Das neue Medium des Druckes im 15. Jahrhundert prägt auch die Pro-duktion von Figurengedichten, da sich ein Wandel vom handschrift-lichen, „chirographischen zum typographischen Figurengedicht“ voll-zieht.17

In der Frühen Neuzeit werden nicht nur die mittelalterlichen Figuren-gedichte beachtet, sondern die Humanisten wenden sich zu griechischen Formen, die in der ‚Anthologia greca‘ und in den Handschriften der Bu-koliker tradiert sind. Diese werden ediert, kommentiert, übersetzt und nachgeahmt.18 Im 17. Jahrhundert erleben dann die Figurengedichte eine Blütezeit im Sinne des Horazschen Satzes „ut pictura poesis“, „demzu-folge ein Gedicht ‚redende Malerei‘ und ein Gemälde „‚stumme Poesie‘

sein sollte“.19

Im 16. Jahrhundert kam die Mikrographie im deutschsprachigen Raum in Mode und wurde im 17. Jahrhundert „ebenfalls für die Gestal-tung von Porträts herangezogen“. Bei der Mikrographie wird „die Tra-dition der bildlichen Textgestaltung eines Figurengedichtes oder Typo-gramms mit der kunsthandwerklichen Fertigkeit der Kalligraphie“ ver-bunden.20

Im Laufe der Zeit hat aber das Figurengedicht auch aus der im 15.

Jahrhundert erfundenen neuen Technik des Kupferstiches, später

16 Ernst 2000: 214.

17 Ebd., S. 220.

18 Ebd.

19 Polleross 2009: 261.

20 Ebd., S. 262.

stiches profitiert.21 Zu dieser Richtung gehören Theodor Goetz’ Luther-Darstellung und auch seine Vorläufer, wie z.B. die Luther-Bilder des Kupferstechers Johann Michael Püchler d.J. Im 17.–18. Jahrhundert ist auch die Tätigkeit des berühmten Ansbacher Kalligraphen und Zaubkünstlers Matthias Buchinger (Ansbach, 1674 – Cork/Irland, 1739) er-wähnenswert. In seinem Selbstporträt hat er die Haarlocken aus mit win-zigen Buchstaben geschriebenen Psalmentexten und dem Text des Vater-unsers geformt. Anfang 2016 wurde seinen Werken vom New Yorker Metropolitan Museum of Art eine Ausstellung gewidmet.22

In document Deutung I. & Quelle (Pldal 49-53)