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GRAF LAJOS BATTHYÁNY (1807-1849)

(EINFÜHRUNG)

Ungarns erster Ministerpräsident stammte aus einer alten und vermö-genden Familie des Hochadels. Ihre Abstammung soll bis zum Zeitalter der Landnahme zurückreichen, im 12. Jahrhundert besaß das Geschlecht Län-dereien im Komitat Zala. (Den Namen erhielt die Familie nach der Siedlung Battyán im Komitat Fejér.) Später spielten einige Familienmitglieder eine herausragende Rolle in den Kriegen gegen die Osmanen, wobei ihre Ver-dienste durch neue Donationen belohnt wurden. 1630 erwarb die Familie den Grafentitel. Einer von ihnen, Graf Lajos Batthyány (1696-1765), erklomm die höchste Position, die einem ungarischen Adeligen möglich war: Er wurde 1761 zu Ungarns Palatin, d.h. zum Stellvertreter des Königs. Ein anderer Fami-lienzweig – der Märtyrer-Ministerpräsident gehörte diesem nicht an – erwarb 1764 sogar den Fürstentitel, der auf der Linie der erstgeborenen Söhne vererbt wurde. (Dieser Linie entstammte ein entfernter Verwandter des Minister-präsidenten, Graf Kázmér Batthyány, der 1849 Außenminister war.)

Lajos Batthyány wurde am 10. Februar 1807 in Pressburg geboren. Sein Vater diente kurze Zeit hindurch als Offizier, danach bewirtschaftete er den Landbesitz und verstarb in jungen Jahren (1812). Die Erziehung des fünfjährigen Sohnes und seiner um zwei Jahre älteren Schwester oblag von da an der Mutter, Borbála Skerlecz, die sich allerdings nicht viel darum kümmerte, sondern ein mondänes Leben in Wien führte. Das enorme Vermögen, das ihr durch Nutznießungsrechte zugefallen war, wurde von ihr verschwendet, den Sohn brachte sie in einem Erziehungsheim unter, wo er von Trost- und Lieblosigkeit umgeben war. Hier wuchs er letzten Endes als ein Waisenkind auf, und hier reifte auch sein widerspenstiger und verschlossener Charakter heran, der Widerspruch nur schwer erdul-den konnte. Nach erdul-den Jahren im Erziehungsheim erhielt er von aufge-klärten Wiener Privatlehrern Unterricht in Sprachen und in Philosophie – damit waren die Fundamente seiner liberalen Weltansicht gelegt. In der

Regel nahm die Erziehung von hochadeligen Kindern damit ein Ende, der 18jährige Batthyány dagegen inskribierte sich an der juristischen Akademie in Zagreb (wo die Unterrichtssprache Latein war) und wurde danach Kadett in einem in Italien stationierten ungarischen Husarenregiment; seine Stu-dien führte er währenddessen weiter. Fünf Jahre lang war er Offizier, einen höheren Rang als den eines Unterleutnants erreichte er nicht. Eine Militär-karriere strebte er nicht an, sondern er suchte nach der Möglichkeit einer unabhängigen Existenz. Von Wien und seinen Erziehern endlich befreit, wurde er leichtsinnig, amüsierte und verausgabte sich, machte Schulden;

vielleicht ist seine Jugend mit jener von István Széchenyi vergleichbar.

Schließlich schaffte es Batthyány, sich diesem Strudel, der ihn in mora-lischen und finanziellen Verfall zu stürzen drohte, zu entreißen. Um das väterliche Erbe zurückzuerlangen, leitete er einen Prozess gegen seine Mut-ter ein. Auf Vermittlung der ungarischen Hofkanzlei hin, trafen MutMut-ter und Sohn 1830 ein Abkommen: An seinem 24. Geburtstag, dem 10. Februar 1831, konnte der volljährige Batthyány die Verwaltung seiner mit Schulden belasteten Besitzungen übernehmen. Er schied aus dem Militär aus und ließ sich in Ikervár, dem Zentrum seiner Landgüter, nieder. Die ungarische Sprache beherrschte er zu dieser Zeit noch nicht. Einige Jahre verbrachte er damit, seinen Landbesitz in Ordnung zu bringen. Er legte die Grund-stücke zusammen oder tauschte sie gegen nebeneinander liegende ein; er baute Gutshöfe und Getreidespeicher, errichtete Straßen und Brücken und experimentierte mit neuen landwirtschaftlichen Verfahren. In Ikervár bewirtschaftete er etwa 10.000 Joch Land, er besaß aber auch Güter außerhalb des Komitats Vas, so zum Beispiel in Zala, Fejér, Somogy und in Oberungarn. Eine bedeutende Neuerung bestand im Anbau von Zuckerrü-ben auf seinen Grundstücken. Für die Verarbeitung der Ernte errichtete er auf seinem Besitz eine Zuckerfabrik. Trotzdem blieb ihm noch Zeit für die Selbst- und Weiterbildung. Seine Bibliothek und seine Lektüren deuten darauf hin, dass er sich auf eine Laufbahn als Politiker vorbereitete; er studierte vor allem juristische, politische und historische Schriften. Seine jeweils mehrere Monate dauernden Reisen führten ihn von der Türkei bis nach England.

1834 heiratete er die für ihre Schönheit bekannte Gräfin Antónia Zichy, die nicht nur ein beträchtliches Vermögen, sondern auch beachtliche ge-sellschaftliche Beziehungen in die Ehe einbrachte. Die vermögende und vornehme Familie Zichy nahm regen Anteil an Ungarns öffentlichem Leben – es ist anzunehmen, dass Batthyánys Einführung in die Politik ihr

zuzuschreiben war. Batthyány durchschritt nämlich nicht die übliche, überwiegend oppositionell gesinnte politische Schule des Komitats. Er nahm auch nicht an den adeligen Generalversammlungen des Komitats Vas teil und erhielt von ihr auch kaum Aufträge. In den 1830er Jahren lernte er Széchenyi kennen, den er möglicherweise beneidete und dem zu folgen er sich bemühte, doch es ist unwahrscheinlich, dass er sich auf Einfluss Széchenyis hin dem Reformlager anschloss. Vielmehr waren es die Lektüren, die Verwandtschaftsbeziehungen – nicht zuletzt seine Ehefrau Antónia, die von romantischer Begeisterung erfasst war – und seine Freunde aus dem Komitat, die ihn dazu bewogen, sich als einer der wenigen Hoch-adeligen der Gruppe der Reformoppositionellen anzuschließen.

1839 betrat Batthyány die politische Bühne im Pressburger Landtag:

geistig gewappnet und unerwartet – sowohl für sein eigenes Umfeld als auch für die politische Öffentlichkeit des Landes. Als geborener Hoch-adeliger bekam er eine Einladung zur Magnatentafel, wo er mit bereits ausformulierten Vorschlägen erschien. Sein Programm war eine klare, nicht im Geringsten vorsichtige politische Zusammenfassung der Vorstel-lungen der Reformopposition. Das Wichtigste aber war folgendes Er-kenntnis: Für ein solches Programm musste – vor allem im Magnatenhaus – ein entsprechender organisatorischer Hintergrund geschaffen werden.

In diesem Sinne stellte er der hochadeligen Opposition, die im Begriff war, sich zu einer Gruppe zu formieren, als Gastgeber seine Pressburger Woh-nung zur Verfügung, später gründete er speziell für diesen Zweck einen geschlossenen Klub. Von seinen Mitstreitern holte er sich die Zustimmung zu den von ihm ausformulierten grundsätzlichen politischen Forderungen, die gemeinsame Ausarbeitung der politischen Taktik bildete den nächsten Schritt. Danach besprachen sie, wer sich zu welchem Punkt der Tages-ordnung in welchem Tonfall äußern würde und wie die Gespräche mit den oppositionellen Politikern des Unterhauses geführt werden sollten. Die Hochadeligen konnten sich nur schwer an die „Parteidisziplin” gewöhnen (früher verreisten sie sogar für mehrere Wochen, wenn sie der Unterhand-lungen überdrüssig waren), doch Batthyánys Organisationstalent, seine ge-schickte Agitation, die er mitunter bis zur Aufdringlichkeit steigerte, zeitig-ten schließlich ein erstaunliches Ergebnis. In den Berichzeitig-ten der Geheimpolizei wurde die Opposition der Magnatentafel als besser organisiert erachtet als jene des Unterhauses, das wiederum auf die Vorarbeit mehrerer Jahrzehnte zurückblicken konnte. Die oppositionelle Gruppierung der Magnatentafel zählte höchstens dreißig oder vierzig Aristokraten, doch die Tatsache, dass

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diese als gut organisierte oppositionelle Kraft auftraten, und der Umstand, dass im Magnatenhaus sachliche Diskussionen geführt wurden, die manch-mal zugunsten der Reformoppositionellen ausfielen, bewirkten einen qua-litativen Wandel im politischen Leben. Batthyány hatte sich nicht die Wahrung der Position des Hochadels zum Ziel gesetzt, sondern er strebte, ganz im Gegenteil, die Aufhebung der Privilegien an; die Gruppierung der Aristokraten sollte als Instrument dazu dienen. Damit der oppositionelle Kreis noch breitere Wirkung erzielen konnte, regte Batthyány die Publi-kation der Protokolle der Magnatentafel an.

Nach der Schließung des Landtags im Jahre 1840, mit dem Erscheinen von Kossuths ZeitungPesti Hírlap, entstand eine neue politische Situation:

Die Reformpolitik war von da an keine Angelegenheit von kleineren oder größeren Elitegruppen mehr, sondern von tausenden politisch interes-sierten Menschen und somit der öffentlichen Meinung, die gerade im Entstehen begriffen war. Batthyány reagierte auf die neue Zeitung und ihren Tonfall – ähnlich wie Széchenyi – mit Eifersucht und Abneigung.

Nach einer kurzen Phase der Unschlüssigkeit, nahm er jedoch in der großen Debatte zwischen Széchenyi und Kossuth für Letzteren Stellung.

Er erkannte, dass die Zeit der von Klubs und Vereinigungen gesteuerten Politik alten Typs abgelaufen war und eine neue Ära eingesetzt hatte: die Zeit – wenn auch nicht der Massenpolitik – des Politisierens auf breiterer Basis, in der gesellschaftlichen Organisationen eine außerordentlich große Rolle zukommen sollte. Diese Erkenntnis verleitete ihn zur Zusammen-arbeit mit Kossuth, auf dessen Einladung hin er zuerst den Posten des Vorstands des Industrievereins annahm. Später nahm er in weiteren, neu gegründeten Organisationen – wie z.B. der Gesellschaft für die Gründung von Fabriken – eine Führungsrolle ein. (Vorstand des 1844 gegründeten Schutzvereinswurde allerdings Graf Kázmér Batthyány.)

Im Landtag von 1843-1844 erschien Lajos Batthyány bereits als landes-weit bekannter Politiker. Er reorganisierte die oppositionelle Vereinigung der Magnaten und nahm aktiv an den Unterhandlungen teil. Er meldete sich mehr als zweihundert Mal zu Wort. Die ungarische Sprache beherrschte er noch immer nicht gut genug, also verfasste er seine Reden auf Deutsch, ließ sie ins Ungarische übersetzen und lernte sie auswendig. (Vorlesen war damals nicht erlaubt.) Es lag aber nicht an den Sprachschwierigkeiten, dass er kein guter Redner war, seine Stärke lag eher im Organisieren und Disku-tieren. Man betrachtete ihn einhellig als Parteiführer, als den Leiter beider Kammern, sowohl des Magnaten- als auch des Abgeordnetenhauses. Im

Landtag standen die Religionsfrage, die Modernisierung der Rechtspre-chung und der Verwaltung der königlichen Freistädte auf der Tages-ordnung. Die Debatten in der Magnatentafel wurden von Batthyány geleitet. Entschlossen kämpfte er für die Durchsetzung der allgemeinen Steuerpflicht, doch das Magnatenhaus stimmte nur im Grundsatz zu, über die Bewilligung einer konkreten Steuer wurde keine Entscheidung getrof-fen. Batthyány ergriff mehrere Male das Wort gegen die absolutistische Wiener Regierung, die sich gegen die Reformen sperrte. „Ich hatte nie Vertrauen zu der Regierung”, erklärte er, „also konnte ich es auch nicht verlieren.” In diesem Landtag äußerte er erstmals seine Meinung, wonach die Politik des Reiches umfassend geändert werden müsste, indem auch die westliche Reichshälfte eine Konstitution erhalten sollte. Die Regierung sollte auf einem System beruhen, das in West-Europa bereits Anwendung fand, nämlich aus dem Parlament gegenüber verantwortlichen Ministern.

Nach der Schließung des Landtags, Mitte der 1840er Jahre, begann Bat-thyány, die Opposition als eine Partei zu organisieren, wodurch der insti-tutionelle Rahmen für ihre Tätigkeit geschaffen wurde.

1844 übersiedelte Batthyány nach Pest. Seine Aktivitäten in den Vereinen brachten sowohl Erfolge als auch Misserfolge, sie konnten aber eine politi-sche Vereinigung und die Erarbeitung eines Parteiprogramms keinesfalls ersetzen. Ferenc Deák, der im Komitat Zala lebte, mahnte wegen dieser Schwierigkeiten zur Vorsicht und riet zum Abwarten: Ein allzu allge-meines Programm würde sie von den Konservativen nicht abgrenzen, ein kämpferischer Oppositionsgeist hingegen könnte die Unentschlossenen abschrecken. Batthyány bewirkte, dass die Zeitung Pesti Hírlap, die zu dieser Zeit in der Hand der so genannten zentralistischen oppositionellen Gruppierung war, zum Organ der gesamten Opposition wurde. Danach besuchte er Deák und überzeugte ihn davon, dass es an der Zeit war, sich zu einer Partei zu formieren. Der Graf berief eine Tagung am 15. März 1847 in Pest ein, auf der schließlich die Gründung der Oppositionspartei erfolgte.

Zum Vorstand wurde – für die Zeitgenossen selbstverständlich – Lajos Batthyány gewählt. Mitte 1847 erschien das Kurzprogramm der Partei, die Oppositionserklärung, deren grundlegenden Text Kossuth formuliert hatte.

Dass das Programm vervielfältigt und auch im Ausland verbreitet werden konnte, wurde durch die großzügige finanzielle Unterstützung von Bat-thyány ermöglicht. Die politische und finanzielle Unterstützung des Grafen trug auch dazu bei, dass Kossuth Ende 1847 zum Delegierten des Komitats Pest in den Landtag gewählt wurde. Die Oppositionsführung gedachte ihm

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die Rolle des Wortführers („Fraktionsführers”) im Unterhaus zu, Batthyány jene in der Magnatentafel.

Der letzte ständische Landtag (1847-1848) eröffnete einen Frontalangriff gegen die Regierung. Batthyány äußerte sich vor allem zu außenpolitischen Fragen und betonte erneut die innere Widersprüchlichkeit des politischen Systems, nämlich dass in der einen Reichshälfte absolutistisch regiert wurde, in der anderen Hälfte (Ungarn) wiederum – zumindest theoretisch – Verfas-sungsmäßigkeit herrschte. Batthyány drängte auf eine Umstellung zur kons-titutionellen Regierungsweise im gesamten Reich.

Der zensurierten Presse war es zu dieser Zeit bereits erlaubt, über die Verhandlungen im Landtag zu berichten. Der Parteivorsitzende Batthyány erließ mehrere Rundschreiben, in denen er ausführliche Informationen gab, und er bezog die Komitate durch seine Anträge in die Arbeit des Landtags ein. Im Februar 1848 gelangten die Unterhandlungen im Landtag aufgrund des Widerstands von Wiener Regierungskreisen an den toten Punkt. Auf die Nachricht der Pariser Revolution hin entschieden sich Kossuth und Batthyány dafür, die Initiative zu ergreifen: Sie schlugen vor angesichts der außenpolitischen Situation vor, eine Adresse an den Herrscher (d.h. an die Wiener Regierung) zu richten und darin die Erfüllung ihrer Forderungen zu erbitten. Es war nicht einfach, die Zustimmung der Führung der Opposition zu diesem Antrag zu erwirken, schließlich konnte ihn aber Kossuth am 3.

März 1848 im Abgeordnetenhaus im Namen der gesamten Opposition einbringen. Damit nahmen die revolutionären Umwälzungen ihren Anfang.

Der Landtag entsandte am 15. März 1848 – d.h. zwei Tage nach der Wiener Revolution – eine Delegation nach Wien mit der Absicht, die Ziele der (von Kossuth formulierten) Adresse durchzusetzen. Am Morgen dieses Tages, unmittelbar vor ihrem Aufbruch nach Wien, stellte Kossuth in Pressburg, vom Balkon des Gasthofs Zöldfa aus, Batthyány bereits als Ungarns künftigen Ministerpräsidenten vor. (Der Balkon ist heute in Cegléd zu sehen.) Die Delegation erzielte einen Erfolg, der nicht zuletzt auf die Wirkung der Nachricht der Pester Revolution am 15. März zuzuschrei-ben war. Erzherzog Stephan, Palatin von Ungarn, ernannte Lajos Bat-thyány – kraft seiner vom Herrscher erteilten Vollmacht – am 17. März in Wien zu Ungarns Ministerpräsidenten.

Zur Arbeit der neuen ungarischen Regierung fehlte noch die rechtliche Grundlage. Im letzten ständischen Landtag in Pressburg begann nun fieber-haft die Gesetzgebungsarbeit. Neben der Umbildung des Regierungssystems mussten Gesetze zur Bauernbefreiung, der Volksvertretung, der Union mit

Siebenbürgen und zu weiteren grundlegenden Fragen der bürgerlichen Umwandlung erlassen werden. Diese Arbeit wurde hauptsächlich von Batthyány als designiertem Ministerpräsident geleitet. Er überzeugte im-mer wieder die Konservativen innerhalb der Magnatentafel des Pressbur-ger Landtags und reiste mehrere Male nach Wien, um den immer wieder neu aufflammenden Widerstand seitens der Regierungskreise zu brechen.

Er wollte vollendete Tatsachen schaffen und die Gesetzgebungsarbeit beschleunigen, indem er am 23. März (noch vor deren Ernennung) die Namensliste seiner Regierung publik machte. Nach heutigen Begriffen bildete er eine Koalitionsregierung. Ihre Mitglieder waren der konserva-tive Fürst Pál Esterházy (als Minister am kaiserlichen Hof), der Zentralist Eötvös, der Munizipalist Deák, Klauzál, der die Opposition des vorange-gangenen Landtags angeführt hatte, sowie der parteiunabhängige Lázár Mészáros, Berufsoffizier und Kriegsminister. Die Rechte der Opposition, die zu den Konservativen neigte, war durch Verkehrsminister Széchenyi vertreten, die Linke, die sich an den Demokraten orientierte, durch Finanz-minister Kossuth und InnenFinanz-minister Szemere. Durch die Veröffentli-chung der Liste wollte Batthyány Druck auf den Hof ausüben. Am 7. April wurden seine Vorschläge in Wien notgedrungen akzeptiert. Dieselbe Poli-tik der vollendeten Tatsachen betrieb er, als er am 23. März einen Runder-lass an die Komitate richtete, in dem er anordnete, die Bauernbefreiung zu verkünden. Mit diesem Schritt zwang er in der wichtigsten Frage der gesellschaftlichen Umwandlung sowohl die Konservativen als auch den Wiener Hof zum Rückzug. (Den Grundbesitzern half er durch seinen Vorschlag zur Errichtung einer Bodenkreditanstalt, die bittere Pille zu schlucken.)

Am 11. April 1848 wurden die so genannten Aprilgesetze, die die Grund-lagen für die bürgerliche Umwandlung festlegten, vom König in Pressburg feierlich sanktioniert. In Ungarn wurde damit die Wirtschafts- und Rechts-ordnung des Feudalismus aufgehoben, das Land wurde in ein konstitutionelles Königreich umgewandelt, das auf einer Volksvertretung und einer ihr gegen-über verantwortlichen Regierung beruhte. Der gemeinsame Herrscher war zwar nicht der einzige Faden, durch den Ungarn mit dem Reich verbunden war, doch wenn er sich nicht im Lande aufhielt (und König Ferdinand V. lebte bekanntlich in Wien), trat laut Gesetz der Palatin, Erzherzog Stephan, als dessen mit großer Vollmacht ausgestatteter Stellvertreter an seine Stelle.

Die Regierung Batthyány, die ihre konstituierende Sitzung am 12. April in Pressburg abhielt, zog einige Tage später nach Pest-Buda und nahm dort

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ihre Tätigkeit auf. Der Ministerrat tagte fast jeden Tag, denn die angehäuften Aufgaben und deren Komplexität erforderten kontinuierliche Beratungen.

Der Großteil der Minister war in der Staatsverwaltung und im jeweiligen Geschäftsbereich versiert. Batthyány mischte sich in die Arbeit der einzelnen Ressorts nicht ein, doch es war für ihn keine einfache Aufgabe, die Meinun-gen der Regierungsmitglieder, die in zahlreichen FraMeinun-gen unterschiedliche Standpunkte vertraten, in Einklang zu bringen. Der Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten umfasste die Außenpolitik, die Bereinigung der strittigen Angelegenheiten mit dem österreichischen Reich und Kroatien sowie die Or-ganisation der Streitkräfte.

Die verfassungsmäßige Grundlage war also durch die Aprilgesetze ge-geben und gefestigt. Der Ban von Kroatien, Jellaèiæ – der einige Tage vor Batthyánys Amtsantritt ernannt wurde – war der einzige, der die Regierung nicht anerkannte und jegliche Beziehung mit Pest-Buda abbrach. Im neuen, nach dem Prinzip der Volksvertretung gewählten Landtag, der Anfang Juli in Pest zu tagen begann, erlangte die Regierung Batthyány die überwiegende Mehrheit. Einstweilen zeigte sich die außenpolitische Situation als günstig.

In der Frankfurter Paulskirche trat die Nationalversammlung zusammen.

Ihre Aufgabe war es, alle Staaten des zu einem zusammenzuschließen. Es war zu hoffen, dass die (westlichen) Kronländer des Habsburgerreiches in die neue deutsche Einheit eingegliedert würden. In diesem günstigen Fall könnte das historische Ungarn – meinten zumindest Batthyány und seine Mit-streiter –, das an sich schon eine Mittelmacht darstellte, weitere Gebiete des Habsburgerreiches, die von der deutschen Einigung ausgeschlossen blieben (Galizien, Kroatien und Dalmatien), und in weiterer Folge auch die Länder, die am Unterlauf der Donau von der osmanischen Anhängigkeit befreit wurden (Serbien, die Walachei und die Moldau), um sich scharen. Diese Vorstellung, die nachträglich als „großungarisches” Konzept bezeichnet wurde, war nicht frei von nationalistischen Ideen, dennoch müsste sie eher als eine außenpolitische Konstruktion betrachtet werden, die sich aus der durch die erhoffte deutsche Einheit entstandenen Situation notwendiger-weise ergab. Sie war natürlich die günstigste Version der ungarischen Außen-politik, und man muss hinzufügen, dass sich Batthyány diesen Wandel unter der Führung eines Mitglieds der Habsburger-Dynastie vorstellte. Doch die deutsche Einigung scheiterte, und die erhoffte große mitteleuropäische Umwandlung blieb aus. Ende Sommer 1848 war das Programm schließlich auf das Minimum reduziert: auf die Bewahrung der im April erlangten Eigenständigkeit.

Das größte Problem stellte der Umgang mit der Nationalitätenfrage dar.

Diesbezüglich war die Regierung Batthyány vom ersten Tag ihrer Tätigkeit an mit entschlossenen Gegenbestrebungen konfrontiert. Anfangs waren die Forderungen als Punktationen (Volksversammlungsbeschlüsse) formuliert, später, im Sommer 1848, griffen die serbischen Aufständischen mit

Diesbezüglich war die Regierung Batthyány vom ersten Tag ihrer Tätigkeit an mit entschlossenen Gegenbestrebungen konfrontiert. Anfangs waren die Forderungen als Punktationen (Volksversammlungsbeschlüsse) formuliert, später, im Sommer 1848, griffen die serbischen Aufständischen mit