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4. Vart über mer

4.3 Gegner und Förderer der Pilgerfahrten

Die in der frühchristlichen Zeit in Palästina lebenden Christen haben die Lehre des Heilands früh in Büchern verfasst und die „Heiligen Schriften“ dienten ihnen als von den Augenzeugen sowohl historisch als auch inhaltlich beglaubigte, gerechtfertigte Beschreibung des Lebens und der Auferstehung Jesu. Die Evangelien, die Apostelgeschichte und die Apostelbriefe berichteten auch von den Orten, wo Jesus einst predigte, Wunder vollbrachte und diese wurden von den Christen als heilige Stätten verehrt. Nicht nur die in den Büchern des Neuen Testaments überlieferten Worte, sondern die Steine und Gebäude Palästinas erzählten von Jesu, von seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung. Diese Tradition blieb ununterbrochen unter den in Jerusalem und in der Umgebung lebenden Christen, und je mehr Gläubiger besuchten diese Orte, desto mehr verbreitet war sie.

Nach den beiden römischen Belagerungen gerieten etliche Stätten in Jerusalem unter dicken Schutt, und das öffentliche Gebet war an diesen Orten in der Zeit der Christenverfolgungen gefährlich. Trotzdem blieb das Christentum lebendig und 272 entschloss das Konzil von Antiochia, Ostern zu feiern.148 Nachdem Konstantin der Große 313 das Edikt von Mailand erließ, konnten die Christen die heiligen Stätten freier als zuvor besuchen. Noch mehr Wirkung übte die wunderbare Auffindung des Heiligen Kreuzes in Jerusalem aus, dessen Teile hier und in Konstantinopel zu sehen waren. Der Tag der Inventio Crucis am 14.

146 BERG 1912, S. 3.

147 BECK p. 1.

148 BOZSÓKY 1995, S. 25f.

29 September wurde um 350 als Festtag anerkannt und die Pilger strömten nach Jerusalem.149 Seither wurden in Jerusalem und überall im Heiligen Land Wallfahrtsorte gegründet, die von den Pilgern besucht werden.150

Der Kirchenvater Hieronymus (347/348-419/420) hat sich in Palästina angesiedelt und empfahl anderen Christen, die heiligen Stätten zu besuchen. Im Brief XLVII bittet er Desiderius, ihn aufzusuchen und mahnt, es sei eine aus dem Glauben stammende Pflicht, am Ort zu beten, wo einst Christus stand und sich die noch frischen Spuren seiner Geburt, seines Kreuzes und seines Leides anzusehen.151 Wie man das Lateinische in Rom, das Griechische in Athen erlernen soll, so kann man die christlichen Tugenden in Jerusalem erreichen.152 Möglichkeit zum Beten bot sich da überall: er kannte so viele Stätten in Jerusalem, wo man beten kann, dass nicht einmal ein Tag reicht, alle aufzusuchen.153 Hieronymus fügt doch hinzu, dass das Reich Gottes in den Menschen selbst zu finden ist und heilige Männer auch anderswo leben.154

Im Brief 58 schrieb er dem Presbyter Paulinus dagegen, dass die Gläubigen Gott in ihrer Seele und nicht an irgendwelchem Ort, z.B. in Jerusalem anbeten sollen. Die Mönche aus Armenien, Cappadokia und Ägypten waren nie in Jerusalem, jedoch steht vor ihnen das Tor des Paradieses offen. Paulinus’ Glaube soll, fügt Hieronymus hinzu, nicht kleiner sein, weil er Jerusalem nicht besuchte und er soll Hieronymus nicht deshalb hochachten, weil er in Jerusalem Wohnung hat. Gott belohnt die Christen gleichermaßen, seien sie in Jerusalem oder anderswo. Im Weiteren empfahl er Paulinus Fasten, Gebet und das Lesen heiliger Bücher.155

Andere Kirchenväter waren nicht davon überzeugt, dass eine Pilgerfahrt nach Jerusalem unbedingt nützlich sei. Sie warnten die Gläubigen vor den Versuchungen, die sie während der Reise erfahren können oder vor den Schwierigkeiten. Ihre wichtigste Argumentation war die

149 BOZSÓKY 1995, S. 27.

150 CARDINI 2004, S. 78.

151 Hortorque vos et precor per Domini caritatem, ut nobis vestros tribuatis aspectus, et per occasionem sanctorum Locorum, tanto nos ditetis munere. [...] Adorasse ubi steterunt pedes Domini, pars fidei est; et quasi recentia nativitatis et crucis ac passionis vidisse vestigia, PL XXII, 493 (Epistola XLVII, 2).

152 Nec summam, ut dicitur, manum accepisse virtutum, nisi in illis Christum adorassent locis, de quibus primum Evangelium de patibulo coruscaverat, PL XXII, 487 (Epistola XLVI, 9).

153 Venum ut ad villulam Christi, et Mariae diversorium veniamus (plus enim laudat unusquisque quod possidet) quo sermone, qua voce speluncam tibi possumus Salvatoris exponere?, PL XXII, 490f. (Epistola XLVI, 11).

154 [...] regnum Dei intra nos esse, et sanctos viros etiam in caeteris esse regionibus, PL XXII, 490 (Epistola XLVI, 10).

155 Antonius, et cuncta AEgypti, et Mesopotamiae, Ponti, Cappadociae, et Armeniae examina Monachorum nin viderunt Jerosolymam: et patet illis absque hac urbe paradisi janua. [...] Videlicet ne quidquam fidei tuae deesse putes, quia Jerosolymam non vidisti: nec nos idcirco meliores aestimes, quod hujus loci habitaculo fruimor: sed sive hic, sive alibi, aequalem te pro operibus tuis apud Dominum nostrum habere mercedem. PL XXII, 581f.

(Epistola LVIII, 3-4).

30 Betonung des persönlichen Treffens mit Christus, was man in der Seele und nicht an irgendwelchen geographischen Punkt erleben kann.

Gregor von Nyssa (335/340 – nach 394) nahm Stellung gegen die Reisen nach Palästina in seinem Brief II. Er würde die Pilgefahrt für notwendig halten, wenn Christus diese in einem Gebot verordnet hätte. Da Jesus von einer solchen frommen Tätigkeit in keinem Gebot redete, und weil die Fahrt nach Jerusalem einen weder glücklich macht, noch dem Königtum nützlich ist, empfahl Gregor den Gläubigern, lieber zu Hause zu bleiben. Er erklärt, dass das heilige Leben sowohl Männern als Frauen empfehlenswert ist, und diese Lebensart von Bescheidenheit oder Sittsamkeit geprägt ist. Bescheidenes Leben kann man nur in kleinen Gemeinschaften führen, in denen sich Männer und Frauen voneinander getrennt versammeln.

Geht es um eine Pilgerfahrt oder um ein anderes Reiseunternehmen, werden die Geschlechter untereinander gemischt und Bescheidenheit wird nicht mehr gepflegt: eine Frau kann infolge ihrer natürlichen Schwachheit eine solche Reise allein nicht durchführen, sie ist z. B. unfähig, ohne Hilfe zu reiten. Wählt sie einen Bekannten oder einen Unbekannten als Begleiter, verletzt sie das Gesetz des richtigen Verhaltens. Die Herbergen und Gasthäuser des Ostens zeigen viele Beispiele der Laster und Gregor fragt, wie könnte man diese Länder befahren, ohne Sünde zu begehen. Und was wäre der Vorteil einer solcher, unter leiblichen und seelischen Gefahren geleisteten Reise? Wenn man sich aus sichtbaren Zeichen auf die Gegenwart Gottes schließen kann, so sollten die Einwohner Jerusalems keine Sünde begehen;

trotzdem gibt es keine Form der Sünden, die man in dieser Stadt nicht vorfindet: Schurkerei, Ehebruch, Diebstahl, Giftmord, Streiterei, Mord sind verbreitet, und nirgends lebt noch ein Volk, das so bereit ist zu töten.156

Deshalb findet er die irdische Pilgerfahrt unnötig, da man Gott in der Seele treffen soll:

“Überall, wo du bist, wird Gott zu dir kommen, wenn die Herberge deiner Seele so befunden wird, daß der Herr in dir wohnen und wandeln kann. Wenn du aber den innern Menschen angefüllt hast mit schlechten Gedanken, so bist du, auch wenn du auf Golgatha, auf dem Ölberge und an dem Grabe der Auferstehung wärst, doch so weit entfernt, Christus in dich aufzunehmen, als die, welche nicht einmal den Anfang (des Glaubens) bekannt haben. Rate daher, Geliebter, deinen Brüdern, aus der Fleische zu Gott anstatt aus Kappadozien nach Palästina zu pilgern.“157

156 On Pilgrimages, in: Nicene and Post-Nicene Fathers, Series II, Vol. V. New York, 1893, S. 382f, vgl. VANYÓ 1983, S. 794ff.

157 Zitiert in: MAIER, Johannes: Die Eucharistielehre der drei großen Kappadozier des hl. Blasius, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa. Freiburg im Breisgau 1915. S. 21.

31 Trotzdem besuchte er selbst die Stadt Jerusalem und die heiligen Stätten, er wehrt sich aber damit, dass er aus Notwendigkeit, wegen den Angelegenheiten der arabischen Kirche hinreisen sollte und er an das Menschenwerden Christi auch ohne den Besuch der Heiligen Stätten, an die Auferstehung ohne die Besichtigung des Golgota glaubt.

Die Ansichten des heiligen Hieronymus sind populärer als die der anderen Kirchenväter geworden und die Zahl der Pilgerfahrten vermehrte sich. Bis zum 5. Jahrhundert errichtete man mehr als 200 Klöster und Hospize in der Umgebung Jerusalems.158 Die Blütezeit dauerte nicht lang: nach der persischen und islamischen Eroberung Palästinas in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts wagten nur die mutigen und tapferen Männer an einer Pilgerfahrt teilzunehmen. Einer von ihnen war der Bischof Arculf, der die Heiligen Stätten um 670 aufsuchte, oder der Angelsachse Willibald (um 700-787), der mit seinen Gefährten zuerst das Apostelgrab in Rom, dann das Heilige Land besuchte. Nach seiner fast zehnjährigen Reise kehrte er 729 nach Italien zurück und konnte sich trotz der vielen Leiden glücklich fühlen, weil viele Pilger während der Fahrt ums Leben gekommen sind.159

Den Rittern ähnlich hatten die Pilger verschiedene Gründe, eine Fahrt nach Jerusalem zu unternehmen. Willibald wollte Abraham, Jesu und den Aposteln ähnlich alles verlassen und sich von der irdischen Sicherung lösen. Diese asketische Heimatlosigkeit war das Leitbild des altkirchlichen und frühmittelalterlichen Mönchtums und Willibald war entschlossen, „die Heimat, die Eltern und die Verwandten zu verlassen, den Boden der Pilgerschaft zu betreten und unbekannte Länder in der Ferne aufzusuchen.“160 Die Entschlossenheit Willibalds und seiner Begleiter war von den Worten des Heilands begründet, der das ewige Leben versprach jenen, die um seinen Namens willen alles verlassen.161 Nachdem sie das Grab Petri in Rom besuchten, verlangten sie „nach einer höheren und härteren Lebensweise“162 und brachen nach Palästina auf. Ihr Ziel war, das Land Jesu kennenzulernen, um durch das Nacherleben der Schicksale Christi ihre Seele zu retten.163 Ihre Pilgerfahrt ist als Bußfahrt zu verstehen, aber auch als eine Erfüllung des Wunsches, den Boden zu berühren, „wo Seine Füße standen“

und „mit Augen zu sehen, wovon das Ohr gehört und der Mund gesprochen hat“.164

158 RUNCIMAN 1999, S. 44f.

159 BOZSÓKY 1995, S. 31f.

160 BAUCH 1982, S. 14.

161 Und ein jeglicher, welcher Häuser oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker um meines Namens willen verlassen hat, der wird es hundertfältig empfangen und das ewige Leben erben. Mt 19,29.

162 BAUCH 1982, S. 14.

163 Ebda.

164 SOMMERFELD 1924, S. 820.

32 Die allegorische Gleichsetzung des Lebens mit einer Pilgerfahrt motivierte die Pilger, die die loca sancta aus religiösem Eifer besuchten:165 wie ein Christ während seines Lebens immer nach Christus sehnt und durch die Schwierigkeiten des irdischen Lebens zu Ihm geht, um endlich Ihn zu treffen, so wanderten die Pilger durch die Hindernisse des fremden Landes bis zum Grab und zu den Stätten des Lebens Jesu, um ein persönliches Treffen zu erleben.

Viele Pilger benutzten später die Gelegenheit, ihre Abenteuerlust zu befriedigen, manche wollten das Rittertum des Heiligen Grabes erwerben.166 Conrad Beck hat die vermutlich seit langem gewartete Möglichkeit genutzt, als sein Herr Hans Truchsess zu Waldburg eine Pilgerfahrt plante, und bat ihn, mitfahren zu dürfen. Eine solche Reise hätte er aus eigenen Kräften gewiss nicht leisten können, aber sein Herr war – wie Fabri berichtet – Veranlasser und Triebkraft der Pilgerfahrt und kümmerte sich um die Mitreisenden wie ein Vater.167

Bernhard von Breidenbach, der an derselben Reise wie Beck und Fabri teilnahm, schreibt:

„...ich, Bernhart von Breydenbach [...] bekenne und vergyhe andern menschen eyn exempel damit zu geben, daz nach dem ich myne jungen tag hab volfuret (als gewonlichen geschicht) yn torheyten etc, hab ich mich selber und myne weg baß angesehen und erkennet auch mir fur gevasset mich zu enderen und zu besseren (Gott wolle, daz ich dem selben nach komme).

Also under anderen sachen so zu besserung des lebens wol furderen ward mir allermeynst yn gebildet dise fart ob beruret understan zu volbringen beweget darzu alleyn luterlichen uß begird myner selenheil zu schaffen und die arbeyt diser sweren reyß fur myne sunde zu thun...“.168 Er wollte also eine Bußfahrt leisten und die Seele retten.

Seit dem 14. Jahrhundert ist die Pilgerfahrt ins Heilige Land auch zur fürstlichen und familiären Tradition geworden.169 Die Basler Patrizier Hans und Peter Rot – Vater und Sohn – pilgerten z. B. nach Jerusalem, der Ältere 1440, der Jüngere 1453 und hinterließen beide einen Bericht mit den Namen der Pilgerbrüder und der Kopie des mit dem Schiffspatron geschlossenen Vertrages.170

Die Zeitdauer, die auf die Besichtigung der heiligen Stätten und auf den Aufenthalt im Heiligen Land verwendet wird, wurde vergleichsweise immer kleiner. Im 8.-12. Jahrhundert haben die Pilger sogar mehrere Jahre in Palästina verbracht, im 14.-16. Jahrhundert weilten sie da nur einige Wochen. Es soll aber auch überlegt werden, dass die Bewegungsfreiheit vor

165 Ebda.

166 BERG 1912, Ältere S. 3.

167 FABRI, S. 64.

168 BREIDENBACH 1486, p. 9r. Vgl. VL2 Bd. 1, Sp. 752ff.

169 NOLTE 1997, S. 66.

170 BERNOULLI 1882, S. 54ff und S. 95f.

33 und während der Kreuzzüge größer war, als später.171 Die kurze Zeit verband sich mit schnellerer Route: Felix Fabri unternahm 1483 eine zweite Reise nach Palästina, weil er seinen ersten Besuch 1480 zu schnell, zu kurz beurteilte: er verbrachte nur 9 Tage in Jerusalem. Während der zweiten Reise verbrachte er mit seinen zahlreichen Pilgerbrüdern rund 5 Monate im Heiligen Land und in Ägypten und kehrte aus Alexandria nach Venedig zurück.172

171 SOMMERFELD 1924, S. 825.

172 RÖHRICHT 1900, S. 161ff.

34 5. Das Weltbild der Pilger

Jerusalem war aber nicht nur als wichtigster Ort der Heilsgeschichte, nicht nur als Prestigeobjekt des gegen den Islam geführten Krieges angesehen, sondern auch als Zentrum der Welt, Mittelpunkt der Erdoberfläche. Im christlichen Abendland wurde die Stadt seit dem 7. Jahrhundert nicht nur als religiöses, sondern auch als geographisches Zentrum der bewohnten Erde verstanden.173 Schon in der Antike verbreitete sich der Horizont der europäischen Menschheit über die Küsten des Mittelmeers, Kaufleute und andere Reisende berichteten über fernliegende Gebiete, wie Arabien, Indien, Ostafrika, die schon im Alten Testament erwähnt wurden. Bis Ende des Mittelalters waren aber nur drei Kontinente bekannt, Asien, Afrika und Europa.174 Die Weltkarten, die jene drei bewohnten und bekannten Kontinente darstellten, versuchten auch deren Größe und Bedeutung wiederzugeben. Asien war den Christen wohl der wichtigste Erdteil, nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch wegen der in der Heilsgeschichte erfüllten Rolle: Sowohl das Paradies, als auch das Heilige Land, der Ort des Leben Jesu liegen in Asien. Auch die Luxusgüter kamen aus diesem Kontinent, die Bedeutung und das Interesse waren also nicht nur geistlich, sondern auch materiell. Zum dritten Aspekt zählen alle sagenhaften, wunderbaren Geschichten, Umstände und Kreaturen, die – oft von den Arabern weitergeleitet – in die europäische Tradition eingeflossen sind, wie die fabelartigen und in Bestiarien aufgeführten Tiere, die Geschichten von sagenhaften Inseln im indischen Ozean, wo alle Pflanzen zweimal im Jahr Früchte tragen, oder dem Magnetberg, der die mit eisernen Nägeln gebauten Schiffe an sich zieht.175

Dieses Weltbild wurde durch die mittelalterlichen Weltkarten, mappae mundi veranschaulicht, die – den modernen Landkarten unähnlich – keine tatsächliche Größe- und Entfernungsverhältnisse wiedergeben sollten. Die Reisenden und Pilger bedienten sich mit Itinerarien, die Schiffsleute verwendeten zur Navigation an Meeresküsten sogenannte Portulanen. Diese Seekarten wurden zwischen ca. 1150 und 1250 entwickelt und stellen die Küsten des Mittel- und Schwarzen Meers dar. Einige Portulanen wurden untersucht und die auf den Karten gezeichneten Punkte (Orte, Kaps oder Flußmündungen) weisen einen Fehler von ±40 km auf. Die astronomische Meßgenauigkeit, die diese Seekarten beweisen, liegt

173 SIMEK 1992, S. 95f.

174 SIMEK 1922, S. 56.

175 SIMEK 1992, S. 56f.

35 unter 10 Minuten, einem erstaunlichen Wert.176 Diese Genauigkeit ermöglichte eine zuverlässige Fahrt im Mittelmeerraum: Kapitäne, die im Dienst der Krone von Aragón standen, waren seit dem 14. Jahrhundert verpflichtet, zwei Portulanen mit sich an Bord zu haben.177 Fabri erwähnt auch, dass die Schiffsleute solche Mappen mit sich hatten: Er schreibt, diese haben eine Karte, die eine Elle breit und lang ist, und die Seeleute kennen dank den auf der Karte gezeichneten Linien und Punkten auch im Nebel, wenn die Sterne nicht zu sehen sind, ihre Position.178

Abb. 1: Portulan von Vesconto Maiollo, Genua 1541

Die Weltkarten waren dagegen als erhellende Illustrationen zur Sachliteratur, seien sie historiographische oder astronomische,179 auf dem Pergament gezeichnet und nicht als praktisches Hilfsmittel der Reisenden genutzt.180 Die mittelalterliche Kartographie war nicht an Distanzen und der Wiedergabe topographischer Details interessiert, sondern sah sie in den

176 LINDGREN 1997, S. 407.

177 LINDGREN 1997,S. 406.

178 FABRI Bd. I. S. 124.

179 Die Weltkarte von Hereford, die um 1290 entstanden ist und deren Durchmesser 132 cm ist, enthält insgesamt ca. 1000 teils ausführlich illustrierte Legenden in verschiedenen Schichten, wie topographische, bauliche und ethnisch-zoologische. Vgl. SIMEK 1992, S. 155.

180 SIMEK 1992, S. 59.

36 Karten Hilfsmittel z. B. der Geschichtsschreibung (s. Abb. 3).181 Deshalb wurden die bekannten und bewohnten Kontinente – die Ökumene – und die bekannte Erdoberfläche auf der Weltkarte schematisch dargestellt, und der Kreis, in dem diese schematische Darstellung eingetragen wurde, gibt die Rundung der Erdkugel auf dem Blatt wieder.182 Die Karten waren so geortet, dass Osten immer am oberen Rand des Kreises liegt.183

Aus dieser schematischen Darstellungsweise kommt, dass Asien der – in jeder Hinsicht – größte Kontinent die ganze Osthälfte der bewohnten Erde einnahm, und Europa im nordwestlichen, Afrika im südwestlichen Viertel der Ökumene lag, d. h. dass Asien in dem oberen Teil des Kreises, Europa in dem unteren linken, Afrika in dem unteren rechten Teil dargestellt wurde.184 Die so entstandene Darstellung der Ökumene war also ein in einem Kreis (O) gezeichneter, durch ein aus dem Mittelmeer und dem Fluß Don gebildetes T in drei Teilen geteilter Abriß. Die nach diesem verbreitetsten Schema gezeichneten Karten heißen T-O-Karten.185

Abb. 2: Eine schematische T-O-Karte

181 SIMEK 1992, S. 62.

182 SIMEK 1992, S. 57f.

183 Der Ausdruck Orientierung kommt aus dieser Herkunft. S. SIMEK 1992, S. 59.

184 SIMEK 1992, S. 62.

185 SIMEK 1992, S. 154.

37 In der Mitte der Karte, d. h. auf Westen Asiens und im Angelpunkt der drei Kontinente186 liegt Jerusalem, die Mitte der Welt, die Adamnan (um 628-704) im 7. Jahrhundert als Nabel der Welt, umbilicus terre nannte.187 Er berichtet, dass es mitten in Jerusalem eine hohe Säule stehe, die bei Sommersonnenwende keine Schatten werfe, woher man glaube, dort sei die Mitte der Erde.188 Diese mathematisch-geographische Auffassung verbreitete sich ab Ende des 11. Jahrhunderts und ab Anfang des 12. Jahrhunderts: Robert von Reims (um 1055-1122) zitiert Urban II (um 1035-1099), der vor den in Clermont versammelten kirchlichen und weltlichen Herren so aufgerufen haben sollte: „Jerusalem ist der Nabel der Welt, die königliche Stadt, in der Mitte des Erdkreises gelegen.“ Auch wenn diese Äußerung nur eine später zugedichtete Redewendung ist, zeugt sie von der Verbreitung dieser Idee, die später, während den Kreuzzügen eine gewaltige Popularität gewann.189 Jerusalem wurde als „Christi Erbgut und Stammburg“, als „Herz der Welt“, als der Ort, „wo die Füße des Herrn standen“

bezeichnet. Die Pilgerberichte erzählen von einem Ring, der das Grab Jesu umgibt und dieser Ring liegt in der Mitte der Welt, wie der Herr selbst gesagt habe.190 Fulcher von Chartres (1059-1127), der Kaplan des späteren Königs von Jerusalem Balduin II. (vor 1080-1131) nennt die Stadt umbilicus des Heiligen Landes, welche Benennung er bei Josephus fand, und welche Benennung auch auf den Kosmos ausgeweitet wurde.191 Fabri schreibt „von dem Ort, von dem gesagt wird, er sei das Zentrum der ganzen Welt“192, und dieser Ort ist der Chor der Grabeskirche. Auch den Ritterschlag erhielten die Pilger an dieser Stelle.193 Der Pilgerführer von Eschenloer beschreibt einen viereckigen, durchlöcherten Stein im Chor, der den Ort bezeichntet, wo Jesus „das mittel der welte“ gezeigt hat.194

186 BREIDENBACH beschreibt die aus drei Teilen zusammengesetzte Welt in seinem Reisebericht auch: „Disse insel Candia ligt ynn Grecia zwuschen der sonnen uffgang und nydergang gar ein wytten zug oder weg ußgestrecket, dannach sage der poeten, lyget sie yn mittel der welt, die in dry teyl ußgeteylet ist, eyn mittelwesen der selbigen dry teylen, das ist Asye, Affrice und Europe.“ BREIDENBACH 1486, p. 22r.

187 SIMEK 1992, S. 104, vgl. TOBLER/MOLINIER 1879, S. 157. In der Beschreibung Adamnans wird die Lage Jerusalems medio terre und nicht medio mundi, wie SIMEK behauptet, bezeichnet.

188 MÜLLER 1961, S. 53.

189 MÜLLER 1961, S. 53.

190 NEUMANN 1868, S. 223f. Vgl.: Cod. St. Georgen 71, 116r: Dar nach wist man uns die statt, da die juden

190 NEUMANN 1868, S. 223f. Vgl.: Cod. St. Georgen 71, 116r: Dar nach wist man uns die statt, da die juden