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Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts Bd. 2.

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Academic year: 2022

Ossza meg "Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts Bd. 2."

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DEUTSCHLANDS

G E S C H I C H T S Q Ü E L L E N

IM MITTELALTER

BIS ZUR MITTE DES DREIZEHNTEN JAHRH

V O N

W. WATTE NB AC

I N Z W E I B A N D E N .

ZWEITER BAND.

UMGEARBEITETE AUFLAGE

BERLIN.

V E R L A G V O N W I L H E L M H E R T ZT (BESSEBSCHE BUCHHANDLUNG.)

1894.

(2)

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. IV. DIE ZEIT DER SALIER.

Von der Wahl Konrads II bis anf Heinrichs V Tod.

• Seite

§ 1. Allgemeines 1

§ 2. Konrad. IL Wipo 11

§ 3. Nieder - Altaich nnd Hildesheim. Godehard. Benno von

. Osnabrück 18

§ 4. Paderborn. Annalen. 'Meinwerk 35

§ 5. Hermann von Reichenau " . 41

§ 6. Die Klöster des Schwarzwaldes 47

§ 7. Berthold und Bernold 53

§ 8. Constanz. Augsburg 59

§ 9. Regensburg. Freising . . . . .'. ,''. '_. . '. ··. . . 64

§ 10. Salzburg und Passau ; · · i • · ; ; 74

§ 11. Sachsen. Adam von Bremen . / . . . 78

§ 12. Das östliche Sachsen. Bruns Sachsenkrieg 83

§ 13. Die Lobredner Heinrichs IV und Heinrichs V 88

§ 14. Lambert von Hersfeld 97

§ 15. Mainz. Marianus Scottus . 110

§ 16. Lothringen. Trier. . 1 . . . . . · . · . . ; '.' . . . . 117

§ 17. Metz . 123

§ 18. Toul 127

§ 19. Verdun. Der Abt Richard und seine Schüler. Hugo von

Flavigny . . 131

§ 2 0 . Cöln •••:''V':·· . .h 136

§ 2 1 . Lüttich . . :?>>":;· · -V 141

§ 2 2 . Gembloux v ' l . . . 154

§ 23. Cambrai und Tournai. Mastr.icht . . . . . . . , . i 164

§ 24. Albert von Aachen . . .*· .·."·'.·. ... 178

§ 25. Franken " . . - . ' ISO

§ 26. Ekkehard 189

§ 27. D i e E r f u r t e r AnDalen 198

§ 28. Böhmen. Polen. Ungern · 201

(4)

IV Inhalt.

• Seite

§ 29. Prankreich 212

§ 30. Italien. Farfa 219

§ 31. Die Pabstgeschichte 221

§ 32. Unteritalien 233

§ 33. Die Lombardei 240 V. WELFEN UND WEIBLINGER.

Von Heinrichs V Tod bis zur Mitte des dreizehnten Jahrhunderts.

§ 1. Allgemeines 245

§ 2. Die Zeit Lothars und Konrads 251

§ 3. Die Prämonstratenser. Albero von Trier. Wibald . . . . 261

§ 4. Otto von Freising und seine Fortsetzer 271

§ 5. Ligurinus . 286

§ 6. Gotfried von Viterbo 290

§ 7. Salzburger Quellen 299

§ 8. Gerhoh von Reichersberg. Oesterreichische Annalen . . . 308

§ 9. Böhmen 319

§ 10. Italienische Quellen 323

§ 11. Weifische und niederdeutsche Litteratur 335

§ 12. Localgeschichte. Sachsen 348

§ 13. Thüringen 365

§ 14. Baiern und Oesterreich ' . . 372

§ 15. Franken 383

§ 16. Schwaben und Elsafs 38S

§ 17. Das Rheinland 401

§ 18. Lothringen 415

§ 19. Die Reichsgeschichte 432

§ 20. Kaiserchroniken "453

§21. Die Dominicaner 459

§ 22. Martin von Troppau 466

§ 23. Die Lieder der Vaganten und andere Dichtungen 472

§ 24. Die Novelle 482

BEILAGE.

Alte und neue Fälschungen 489 Nachträge und Berichtigungen . 501

(5)

IY. Die Zeit der Salier.

Von der Wahl Konrads II bis auf Heinrichs V Tod.

§ 1. A l l g e m e i n e s .

D i e besten Regenten des früheren Mittelalters, Karl der Grofse wie seine Vorfahren, Heinrich I, Otto I, Konrad II, haben keine gelehrte Bildung gehabt; noch waren die beiden Kreise des Lebens so ge- schieden, dass eine Vereinigung kaum möglich war, und eine Er- ziehung durch Cleriker brachte fast unvermeidlich ein solches Ueber- gewicht des geistlichen Einflusses und der kirchlichen Ideen mit sich, dafs das Reich davon Schaden litt. Doch hat Heinrich II ein kräftiges Regiment geführt, so sehr er auch der Kirche ergeben war; er brachte das fast ganz zerrüttete Reich durch unablässige Anstrengung wieder in Ordnung, und auf dieser Grundlage baute K o n r a d rüstig fort: es ist kein kleiner Ruhm für ihn, dass seine gerechte und feste Herrschaft die Zeitgenossen an Karl den Grossen erinnerte. -

Um Gelehrsamkeit und "Wissenschaft aber kümmerte Konrad sich nicht viel; dagegen war seine burgundische Gemahlin, die kluge G i s e l a , der Geistlichkeit und ihren Künsten zugethan1), und sie liess auch ihren Sohn H e i n r i c h in solcher Weise erziehen2).

Nach dem Bischof Bruno von Augsburg (1007—1029), Kaiser Heinrichs II Bruder, übernahm Bischof Egilbert von Freising die Aufsicht über den königlichen Knaben, der unter seiner Leitung sorgfältig gebildet wurde. Als sein Lehrer wird ein italienischer

J) Sie liefs sich die Werke Notkers des Deutschen von St. Gallen abschreiben, MG. SS. H, 58, 11. Ekkeh. ed. Meyer v. Knonau p. LXXXVIII.

Vgl. dazu Scherrers Verz. d. Stiftsbibl. S. 9.

2) Hierzu vgl. E. Steindorff, Jahrbb. unter Heinrich III, I (1874) S. Uff.

Ueber die zweifelhafte Angabe der Ann. Altah. min., dafs er auf der Burg Andechs gelebt habe, S. 430. Auch E. v. Oefele in der neuen Ausgabe S. IX erklärt es für einen werthlosen Zusatz Aventins.

Wattcnbach, Gescbicbtsquellen II. 6. Aufl. . \

(6)

2 IV. Salier. § 1. Allgemeines.

Mönch genannt, Almerich der B ä r , aus dem Kloster St. P e t e r ad Coelum aureum in P a v i a , den Heinrich 1039 zum A b t von F a r f a ernannte1). Ohne Zweifel hat aber auch Konrads Caplan Wipo, auf den wir bald zurückkommen werden, grofsen Antheil an seiner E r - ziehung gehabt. In der Novaleser Chronik (App. c. 17) wird Hein- rich im Gegensatze zu dem idiota Konrad als bene peritia lüterarum imbutus bezeichnet. Mit 'Berno von Reichenau stand er in littera- rischem V e r k e h r , und in Tegernsee liefs er Bücher f ü r sich ab- schreiben2). Der französische Mönch Arnulf widmete ihm und der Kaiserin, als ihr Sohn Heinrich IV schon König war, eine poetische Bearbeitung der Sprüche Salomonis, welche er Deliciae cleri nannte3).

Williram, den er in jungen J a h r e n (1048) aus Fulda nach dem armen Ebersberg versetzt hatte, r ü h m t in der Widmung seiner Paraphrase des Hohen Liedes, die an den eben erwachsenen Heinrich I V ge- richtet ist, dafs dessen Vater ihn immer unterstützt habe4).

Vorzüglich erscheint Heinrich III als Gönner der Wissenschaft und ihrer Verehrer in der seltsamen Schrift des A n s e l m von B e - s ä t e5) , der sich seihst als Peripatetiker bezeichnet. Aus vornehmer lombardischer Familie, mit den angesehensten Bischöfen verwandt, selbst ein Mitglied der Mailänder Geistlichkeit, Schüler des gefeierten Lehrers Drogo von P a r m a , . durchzog er mit der von ihm verfafsten Rhetorimachia, welche Drogo gebilligt hatte, Italien, Burgund und Deutschland, wo er Basel, Augsburg und Bamberg hervorhebt, und bestand in Mainz, das er diadema regni nennt, eine philosophische Disputation mit deutschen Gelehrten. Dem Kaiser aber die Schrift zu überreichen, in seine Capelle einzutreten, war sein Hauptzweck.

W a s weiter aus ihm geworden ist, wissen wir nicht, niemand nennt

•) Históriáé Farfenses, MG. SS. X, 559.

2) S. Strehlke im Archiv d. Wiener Akad. XX, 193.

3) Sigeb. de scriptt. eccl. c. 157 erwähnt ihn; Fabricius nennt ihn Mönch von Corbie, ohne Angabe der Quelle. Neue Ausgabe von J. Huemer in Vollmöllers Roman. Studien, n , 211—246; Berichtigungen und Nachweis der Quellen von E. Voigt ib. S. 383—390.

4) H. Reichau, Williram Abt zu Ebersberg (Magd. Progr. 1877) hält diese Widmung für unecht: es ist aber gar nicht einzusehen von wem und zu welchem Zweck sie in späterer Zeit erdichtet sein sollte.

5) Nach den früheren Mittheilungen von Hauréau (der die Disputation nach Paris verlegt) und Jos. Klein, hat E. Dümmler sich der mühevollen Ausgabe und Erläuterung derselben unterzogen: Anselm der Peripatetiker, nebst anderen Beiträgen zur Litteraturgeschichte Italiens, Halle 1872. Ueber Anselms Rechtskenntnifs Fitting: Zur Geschichte der Rechtswissenschaft (1875) S. 9, und Die Institutionenglosse des Gualcausus (1891) über eine Rechtsschule in Pavia, wo in Anselms Lehrer Sichelm von Reggio der Verfasser einer Schrift vermuthet wird. Urkundlichen Nachweis über seine Abstammung und Verwandtschaft giebt H. Brefslau, NA. n i , 419.

(7)

Blüthe der Studien unter Heinrich HI. 3 ihn: trotz seiner Belesenheit und Ruhmredigkeit konnte er mit seinem geschmacklosen und grammatisch mangelhaften Machwerk einen Vorrang vor den deutschen Gelehrten der Zeit nicht behaupten.

Auch einen Dichter, ungewöhnlich begabt und belesen, aber auch gesucht u n d oft schwer verständlich, hatte, wie es scheint, der Ruf von Heinrichs Hof angezogen, A m a r c i u s , welcher in Speier, wo die Studien in hoher Blüthe standen, sich längere Zeit aufge- halten hat, und in bissigen Satiren die habsüchtige Geistlichkeit und die fremden Abenteurer am Hofe verfolgte. Heinrich III preist er vorzüglich wegen seiner Mildthätigkeit1). Vielleicht war er, wie Traube vermuthet, selbst ein Zögling der Speierer Schule.

Heinrichs I I I Gemahlin A g n e s von Poitiers war ebenfalls im Besitz der gelehrten Bildung der Zeit und begünstigte gern littera- rische Studien, bis sie als Witwe mehr und mehr in ascetische Frömmelei verfiel2).

Auch H e i n r i c h IV war durchaus nicht ungebildet; sein Psalter war von vielem Gebrauch ganz abgenutzt, und Briefe,' die an ihn gerichtet waren, konnte er selbst lesen und verstehen, was bei Laien sehr selten war3). E r wufste auch die Vortheile einer gelehrten

') Nach früheren fragmentarischen Mittheilungen vollständig 1888 her- ausgegeben von M. Manitius: S. Amarcii Galli Piosistrati Sermonum libri VI. Ree. v. Traube, Ztg. f. D. Alt. XXXIII, Anz. S. 195—202, von G. Voigt, Wochenschr. f. klass. Phil. 1889, Sp. 1381, von Wattenbach D. Litt. Ztg.

1889 No. 38. Büdinger setzte die Abfassungszeit 1044, und erklärte die von Hugo von Trimberg angegebene Heimath „Turiaca provincia secus Alpes" nicht als Zürich, sondern als Churrhätien. Traube verwirft diese Angabe gänzlich als nur mifsverständlich aus I, 352 entnommen, und setzt die Abfassung nach 1046. — Eine Hs. war in Marienfeld, NA. XI, 428. Bekanntschaft mit ihm vermuthet Manitius in dem gleichfalls von ihm herausgegebenen Messias des sog. E u p o l e m i u s , Roman. Forsch. VI.

509—559, merkwürdig durch Herleitung griechischer Mythen aus jüdischen.

— Aehnlich pedantisch gelehrt und geziert sind die Gedichte des W a r - n e r i u s B a s i l i e n s i s , s. Huemer in den Roman. Forsch. III, 316—330 u. Zts.

f. class. Philol. XIV (1892) S. 156—160; Haurcau, Not. et Extr. VI, 7 8 - 8 5 .

2) Vgl. Giesebrecht i n , 1089. 1098 (5. A. 1096. 1105). — Der Anonymus Haserensis nannte den ersten Theil seines Werkes Libellus Agnetis Impera- tricis, MG. SS. Vn,, 264. Ihre Capläne Gundechar 1057 Bischof von Eich- stedt, Altmann 1065 Bischof von Passau. Ein Brief von ihr an Altmann in Mangolds Schrift gegen Wenrich c. 27, an Abt Albert von Fructuaria bei Giesebr. III, 1240 (1255) ex Bibl. Sebusiana. Johannes, den Mabillon für den Abt von Fécamp hält, widmete ihr sein Buch de contemplatione animae, Mab. Anal. I, 133; ed. II, p. 120; vgl. Archiv VIII, 810; X, 674 (abgedr. im Arch. d. Wiener Ak. III, 367) heifst er im Prolog Joh. pauper.

Denis II, 1525 (danach Tabulae codd. Vind. I, 256) hielt irrig die nicht genannte Kaiserin für Kunigunde. Auch Petrus Damiani richtete Briefe

an Agnes. .

3) Ebonis Vita Ott. Bab. I, 6, Bibl. V, 594. Herbord ib. p. 699 setzt eigenmächtig hinzu et faceret. Auch nach Will. Malmesb. Gesta Regum

1*

(8)

4 IV. Salier. § 1. Allgemeines.

Umgebung sehr wohl zu schätzen1): hatte er doch seine K ä m p f e nicht allein mit weltlichen Waffen zu führen. Noch deutlicher sehen wir das bei seinem Sohne H e i n r i c h V hervortreten, der sogar einen eigenen Historiographen auf seinem Römerzuge mit sich führte und E k k e h a r d zur Verfassung einer Geschichte des fränkischen Reiches aufforderte. Sehr merkwürdig sind die anerkennenden Worte, mit welchen Wibald der gewichtigen Männer „de contu- hernio et disciplina imperatoris Heinrici senioris" g e d e n k t , die er bei seinem Eintritt in die königliche Kanzlei um 1122 noch vor- gefunden hatte: genau kannten sie die Form der an den P a b s t zu richtenden Schreiben und duldeten keine Abweichung3).

Die Herstellung äufserer Ordnung und Sicherheit durch Hein- rich II und Konrad, sowie die Begünstigung der Geistlichkeit unter Heinrich III und seine erfolgreichen Bemühungen f ü r die Herstellung einer strengeren Kirchenzucht, kamen in gleichem Mafse der Litte- ratur zu gute. Man r ü h m t e bald sein Zeitalter als das goldene:

viele Männer, heifst es in den Augsburger Annalen, gelangten durch seine Unterstützung zu hohem Ansehen in Wissenschaft u n d K u n s t ; die Studien waren überall im blühendsten Zustande3). Vornehme Knaben wurden auch j e t z t noch am Hofe erzogen, die kaiserliche Capelle vereinigte zu allen Zeiten eine Anzahl ausgezeichneter Män- ner von gründlicher Bildung, doch tritt die Hofschule nirgends be- deutend hervor, und es war auch nicht nöthig, denn jene Schulen, deren Anfänge wir im vorigen Abschnitt betrachteten, hatten sich überall zu selbständigem Gedeihen entwickelt und trugen nun ihre volle Frucht. .

Noch war die ganze Bildung geistlich; als etwas aufserordent- liches wird es wie Heinrich IV, so auch dem Pfalzgrafen Friedrich Angl, n i c. 288 (MG. SS. X, 475) war Heinrich IV „neque ineruditus neque ignarus." · -

') (Heinricus IV) „more patris sui clericos et maxime litteratos ad- haerere sibi voluit, hosque honorifice tractans nunc psalmis nunc lectione vel collatione sive scripturarum ac liberalium artium inquisitione secum familiarius occupavit." Ekkeh. a. 1106, MG. SS. VI, 239.

3) Ep. ad Eberh. Babenb. Bibl. I, 502.

3) „Hujus astipulatione et industria plurimi eo tempore in artibus, in aedificiis, in auctoribus, in omni genere doctrinae pollebant. Studium ubique famosissimum." Ann. August, ad a. 1041. Mailänder Cleriker pflegten damals „in Burgundia, in Teutonica aut in Francia" zu studieren, Land. Med. H, 35, MG. SS. VIII, 71. Auffallend ist die gleichzeitige Klage Willirams, die aber besonders auf die Entfremdung der Gram- matiker von theologischen Studien und die Unwissenheit der frommen Leute geht. Er hofft Besserung von dem Einflufs Frankreichs. Vgl.

Giesebrecht II, 687.

(9)

Unwissenheit der Laien. Portschritt geistlicher Bildung. 5 von Sachsen (f 1088) nachgerühmt, dafs er, wie man sich erzähle, Briefe, die für ihn anlangten, selbst habe lesen und verstehen kön- n e n ; so weit habe er es in der Schule zu Pulda gebracht1). Das war eine grofse Ausnahme. Die Heiligenleben zeigen es zur Ge- nüge, dafs in der Regel der Entschlufs, • den Sohn lesen und, was identisch war, Latein lernen zu lassen, ihn zugleich zum geistlichen Stande bestimmte. Die Mütter thaten es oft heimlich, und die Väter wurden dann sehr zornig, wenn sie es erfuhren2). In dieser Beziehung ist man gegen die frühere Zeit zurückgeschritten. Sehr merkwürdig ist in Beziehung darauf die E r m a h n u n g , welche Wipo an Heinrich III richtete; er stellte ihm vor, wie nachtheilige Folgen es habe, dafs in Deutschland niemand etwas lerne, der nicht zum Geistlichen bestimmt, sei, ja dass man es für schimpflich halte. E r räth ihm geradezu durch ein Gesetz zu verordnen, dafs auch in Deutschland wie in Italien jeder vornehme Mann seine Söhne zur Schule schicken solle.

Das geschah nun freilich nicht, und noch bei Sebastian Münster finden wir dieselbe Klage wiederholt3). Dagegen aber zeichnete sich die Geistlichkeit unter Heinrich III durch einen hohen Grad von Bildung aus. Die Bischöfe und Aebte, auf denen seit Otto dem Grofsen das Reich zum grofsen Theil beruhte, besafsen jetzt grofse und reiche Gebiete, welche sie mit aller Sorgfalt pflegten, und wohl zu keiner anderen Zeit galt so sehr wie damals der Spruch, dafs unter dem Krummstabe gut wohnen sei. W a r bei manchen die Baulust übertrieben, hatten Prunkliebe und Wohlleben in manchen Stiftern alles ernstere Streben erdrückt, so waren doch immer auch

1) Chron. Gozec. I, 19, MG. SS. X, 148. Ganz dasselbe rühmt Orde- ricus Vitalis von König Heinrich I Beauclerc von England. Heinrich von Stade (j- 1016) der Gründer von Rosenfeld, war „litteratus et in divino servitio valde studiosus," Annal. Saxo, SS. VI, 661.

2) Ein Beispiel giebt die Kindheitsgeschichte Dietrichs von St. Hubert, MG. SS. XII, 39. Indem der Bastard Sbignew von seinem Vater Wladi- 'slaw von Polen in Krakau litleris dalus wurde, war er zum geistlichen

Stande bestimmt, Chron. Pol. II, 4. In der Schrift de Kar. Magni sanc- titate II, c. 8 (aus der Descriptio p. 109) heisst es von diesem: „psalmos can- tare inchoavit. Sciebat enim litteras."

3) Peter von Andlo de imp. Rom. II, 11 c. a. 1460 tadelt auch die ausschliefsliche Geltung von Ahnen und Jagd bei den Deutschen, und fügt hinzu: „Quin immo id moris apud eos irrepsit, ut dedecori habendum sit, nobilium filios litteris scientiae et virtutum exercitio imbui." Vgl. auch das Vorwort zuWilwolts von Schaumburg Geschichten (Stuttg. 1859) aus dem Jahre 1507, nebst den Klagen Ulrichs von Hutten und Siegmunds von Herberstein. Am Ende des 12. Jahrhunderts klagt auch Walter Map de nugis curialium Dist. I. c. 10 „quod generosi partium nostrarum (Eng- land) .aut dedignantur aut pigri sunt applicare litteris liberos suos."

(10)

6 IV. Salier. § 1. Allgemeines.

andere, in denen die Wissenschaft eifrige Beförderung fand. Die bedeutende politische Stellung der Kirche aber weckte gerade den geschichtlichen Sinn und führte mit N o t w e n d i g k e i t auch zur Be- schäftigung mit der Vergangenheit und zur Aufzeichnung der Be- gebenheiten der Gegenwart.

Von den Fesseln der Schule macht man sich j e t z t frei; die lateinische Sprache ist nicht mehr eine fremde, mühsam erlernte, in der man die vorliegenden Muster ängstlich nachahmt, sondern sie ist die gewöhnliche Sprache aller geschäftlichen Verhandlungen, aller Wissenschaft und Kunst, die Sprache des feineren geselligen Verkehrs. E s bildet sich eine eigene, den Bedürfnissen und Zu- ständen der Zeit angemessene Ausdrucksweise, in der man sich mit Leichtigkeit bewegt. Einen sehr bedeutenden Einflufs auf diese Sprache übt natürlich der kirchliche Gebrauch; nicht nur finden wir überall die Ausdrücke der Bibel und der Kirchenväter angewandt, sondern man erkennt auch nicht selten den Chorgesang wieder in dem rhythmischen Klang der Prosa; häufig sind sogar die Satz- theile mit unvollkommenen Endreimen versehen, eine E n t a r t u n g die schon im vorigen Zeitraum hin und wieder sich zeigt.

Unbestritten war j e t z t der römische Kaiser das weltliche H a u p t der Christenheit; er und seine Räthe hatten fortwährend die man- nigfachsten und entferntesten Verhältnisse im Auge zu behalten, und der gesicherte Zustand der Heimath erlaubte es auch dem Gelehrten in seiner Zelle, den Blick von den nächstliegenden Vorfällen zu erheben u n d nach dem Zusammenhange der Dinge zu forschen.

Man beschränkte sich nicht mehr wie unter den Ottonen auf einen engen Gesichtskreis; damals hatte man nach und nach begonnen, den Ereignissen der Gegenwart den weltgeschichtlichen Stoff in der Form rohester Compilation voranzustellen, jetzt aber suchte man sich dieses Stoffes wirklich zu bemeistern. Otto hatte durch die Herstellung des Kaiserthumes an die alten Traditionen wieder an- geknüpft, und man fühlte sich wieder im Zusammenhange der Weltgeschichte. Die zunehmende wissenschaftliche Ausbildung aber und der gröfsere Reichthum an Büchern gaben zugleich die Mög- lichkeit ein klareres Bild der Vorzeit zu gestalten, und so entstan- den jetzt die grofsen Weltchroniken, in denen man zunächst chro- nologisch eine wirkliche Uebersicht der Begebenheiten zu gewinnen strebte und dadurch der Folgezeit die Lehrbücher g a b , auf denen fufsend nun Männer wie Otto von Freising den Versuch wagen konnten, auch philosophisch des ganzen Stoffes Herr zu werden.

Zugleich erweiterte sich auch in räumlicher Beziehung der Ge-

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Erweiterter Gesichtskreis. Folgen des Investiturstreits. 7 sichtskreis der Chronisten. Selbst die Localgeschichte wurde über- all berührt von dem alles durchdringenden Einflüsse des römischen Pabstes, von seinem wechselnden Verhältnifs zum Kaiser; wer aber die Geschichte im gröfseren Zusammenhange betrachtete, der konnte unmöglich sich ferner auf den eigenen Stamm beschränken, denn die ganze Christenheit erschien jetzt als ein organisch verbundenes Ganzes; in den Kreuzzügen kam dieses am deutlichsten zur Er- scheinung, und diese Kreuzzüge trugen wieder ungemein viel dazu bei, den Blick zu erweitern. Kaiser und Pabst erschienen als die beiden Häupter, der Christenheit, die Ländesgeschichte trat dagegen zurück, und diese Auffassung gab der Geschichtschreibung ihren Gesichtspunkt.

Aber als der Kreuzesruf die ganze christliche W e l t in Bewe- gung brachte, waren jene beiden H ä u p t e r bereits in Zwietracht ge- rathen. E s trat der lange und unheilvolle Kampf ein, der nament- lich auf Deutschland, wo auf dem einträchtigen Wirken des Kaisers und der von ihm gesetzten Bischöfe die ganze Organisation des Reiches r u h t e , im höchsten Grade erschütternd und zerstörend wirkte. Jetzt, klagt Gozechin, Scholaster in Mainz, gilt nur noch Geld und Gewalt, die Wissenschaft führt zu nichts und mufs in den Schenken betteln gehen. Durch die Folgen dieses Kampfes verlor Deutschland seinen Vorsprung vor Frankreich und Italien.

Nichts war jetzt mehr geschätzt als canonistische Gelehrsamkeit und dialectische Gewandtheit, und für dièse Seite der Ausbildung hatte Frankreich immer die beste Schule dargeboten. Schon unter Heinrich III lassen sich Klagen über das Eindringen französischer Moden vernehmen1). Schon von Bischof Heribert von Eichstedt (1021—1042) wird gesagt, dass er seinen· Scholaster Gunderam für

') Sigifridi Gorziensis epistola, zuerst angeführt von M. Gerbert, Hist.

nigrae Silvae 1,343; jetzt vollständig bei Giesebrecht II, 702 (5. A. 714).

Vgl. auch Amarcius ed. Büdinger p. 34, II, 526 ff. Man. Guibert von No- gent bezeugt einen grofsen Aufschwung der französischen Schulen gegen 1100, Monod. I, 4 (Opera p. 460): „Erat paulo ante id temporis et adhuc partim sub meo tempore tanta grammaticorum Caritas, ut in oppidis paene nullus, in urbibus vix aliquis reperiri potuisset, et quos inveniri contigerat, eorum scientia tenuis erat nec etiam moderni temporis clericulis vagantibus comparari poterat." — Ueber die Schulen in Frankreich gegen die Mitte des zwölften Jahrhunderts vgl. auch Schaarschmidt, Joh. Saresberiensis, Leipz. 1862; Léon Maitre, Les écoles épiscopales et monastiques 768—1180, Paris 1866. Für diese Zeit pafst nicht mehr der Brief NA. III, 410, mit welchem G o s b e r t zwei Parisern einen Auszug aus Priscian übersandte, weil in Frankreich die Grammatik vernachlässigt werde; er selbst hatte sie in Italien gelernt; vielleicht ist er doch identisch mit dem Vf. der Verse Poet. Lat. n , 620, saec. IX. . .

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8 IV. Salier. § 1. Allgemeines.

nichts geachtet habe, weil er in der Heimath erzogen war und nicht am Rhein oder in Gallien seine Studien gemacht h a t t e , wo die Deutung des Wortes Gallia zweifelhaft ist1); Heriberts Vetter Willi- ram aber bezeugt, dafs damals zahlreiche Schüler aus diesen Gegen- den den Lanfrank im Kloster Bec aufsuchten. Maurilius aus Reims, in Lüttich gebildet, lehrte einige Jahre in Halberstadt als Dom- scholaster, bis ihn der zunehmende kirchliche Eifer ins Kloster Fecamp trieb, endlich aber 1055 zum Erzbisthum Rouen führte3).

Grofsen Ruhm erwarb sich dagegen in Frankreich der deutsche Magister Manegold, früher Lehrer Dietgers von Metz, der um 1070 nach Frankreich ging, wo er Wilhelms von Champeaux Lehrer wurde; seine Frau und seine Töchter unterstützten ihn in seinem Lehrberuf, um 1090 aber ist er in ein Kloster eingetreten3). Auch Bischof Reinhard von Halberstadt (1107—1123), aus der Familie der späteren Grafen von Blankenburg, soll in Paris studiert und von St. Victor die .Vorliebe für den Orden der Regulierten Chorherren mitgebracht haben, welche er in Sachsen einführte. Sein Neffe Hugo wurde in Hamersleben erzogen u n d t r a t gegen den Wunsch der Seinigen in den Orden ein; als der Krieg mit Heinrich V entbrannte, begab er sich auf den Rath seines Oheims nach Paris, w u r d e 1115 Chorherr von St. Victor, und bald ein hochgefeierter Lehrer, bis er 1140 starb4). Ein Mönch von Abdinghof trug um 1100 Gedichte, welche um eben diese Zeit in Auxerre verfafst waren, in eine Hand- schrift seines Klosters ein5). Später erschien es als so selbstver- ') „Non juxta Renum seu in Gallia doctus." Anon. Haserensis, MG.

SS. VII, 261. Dümmler, Auselm S. 9 bemerkt richtig, dafs nach dem ge- lehrten Sprachgebrauch der Zeit Gallien das Rheinland bezeichnen kann;

vielleicht ist Lothringen gemeint. Auch die Briefe in Sudendorfs Registr.

III, 1—3 zeigen eine lebhafte Verbindung mit Frankreich um die Mitte des elften Jahrhunderts; die zugesetzten Namen aber sind schwerlich richtig. Um 1110 hatte ein Mönch bei Barisy unweit Coucy zwei vor- nehme deutsche Knaben bei sich, um ihnen die französische Sprache bei-

zubringen; Guib. Novig. Monod. III, 5 (Opera p. 500). '

3) Acta Archiepp. Rothomag bei Mab. Anal. p. 224. Gallia Chr. XI, 30. Von Halberstadt heifst es: Qui locus in Saxonia ditissimus habetur."

Von Fecamp begab sich Maurilius in eine Einsiedelei des Appennin, wurde Abt von S. Maria in Florenz und zog sich von da wieder nach Fecamp zurück; in Halb, mag er daher um 1040 gewesen sein, unter BurchardI (1036 — 1059). Ordericus Vitalis (MG. SS. XXVI, 19) nennt ihn wobl irrig genere Moguntinum. Gerühmt wird er von Guil. Pietav. MG.

SS. XXVI, 822.

3) Zu unterscheiden von Manegold von Lautenbach, wie W. v. Giese-

brecht gezeigt hat, SB. der Mühchener Akad. 1868 S. 308. •

*) Derling (praes. G. G. Keuffel) Diss. de Hugone a. S. Victore, Heimst.

1745, 4.

5) Dümmler, NA. I, 183. .

(13)

Besuch französischer Schulen. 9 ständlich, dafs auch in der Vita des Bischofs Adalbero von "Würz-

burg (SS. XII, 130) von diesem, irrig wie es scheint, erzählt wird, dafs er nach Paris geschickt sei, „ubi tunc, sicut et nunc, omnium floruit peritia artium." So berichtet auch die Halberstädter Chronik (SS. XXIII, 98) von Hildebrand, dafs er in Francia artes liberales gelernt habe, ehe er in Toledo Nigromantik studierte.

Die Lothringer besuchten von jeher französische Schulen, wie Olbert, von 1012 bis 1048 Abt von Gembloux, der zu Paris im Kloster des h. Germanus, in Troyes und in Chartres studiert hatte1), und zu i h n e n , besonders nach Lüttich kam zahlreich die lernbe- gierige J u g e n d aus dem ganzen Reiche.

Gegen das E n d e des elften Jahrhundert hörte Friedrich von Schwarzenburg im Nordgau (1100—1131 Erzbischof von Cöln) in Frankreich den Gerhard, später (1101) Bischof von Angoulême, welcher damals in Angoulême, Périgueux und auf dem Lande Schule hielt2). Im Anfange des folgenden Jahrhunderts ging Eberhard, später (1147) Erzbischof von Salzburg, von Bamberg aus, Otto von Freising3), Gebhard, 1122 Bischof von Würzburg4), nach Frankreich, und Vicelin, der schon Scholasticus in Bremen war, verliefs sein Amt um ebenfalls in diesem Lande sich weiter auszubilden5). U m 1110 schrieb ein deutscher Cleriker D. aus Paris einen Brief voll Begeisterung für seinen Lehrer Wilhelm von Champeaux6), und wenig später' zog Abaelard auch deutsche Schüler in grofser Menge an7). Ein Bruder Gerhohs von Reichersberg, der in Polling ge- boren war, kehrte gegen 1130 von den Schulen Frankreichs zurück, und wurde Chorherr in Raitenbuch8). Von der Cölner Schule eilte Godschalk, später Abt von Selau in B ö h m e n , nach Paris und stu- dierte dort, bis er 1135 in das Kloster Steinfeld eintrat9). Auch

') Die Scholaren aus Brügge studierten 1127 in Laon, Galberti Passio Karoli c. 12, SS. XII, 568.

. 2) Gesta Pontiff. Engolism. bei Labbe, Nova Bibl. II, 259.

3) Mit ihm soll Heinrich aus der Herzogsfamilie von Kärnten in Mori- mund Mönch gewesen sein; er wurde Abt von Villars und 1145—1169 Bischof von Troyes; s. Gallia Chr. XII, 500.

4) „In Franciam causa studii iveram," ,jm Cod. Udalrici, Bibl. V, 406.

Auch von Wichmann, des Grafen Gero von Seeburg Sohn, später Erzb. v.

Magdeburg, wird es behauptet, doch finde ich keinen Beweis.

5) Helmold I, 45. 73. Schirren freilich bezweifelt es.

6) Cod. Udalrici, Bibl. V, 286, wo auch der schon verstorbene Mane- gald erwähnt wird.

7) Folconis prioris Diogil. ep. ad Abael. in Opp. Petri Ab. ed. Consin I, 704.

8) B. Pez Thes. V, 2040.

9) Gerl. ad. a. 1184, SS. XVII, 695.

(14)

1 0 IV. Salier. § 1. Allgemeines.

Bruno, der Bruder des Grafen Adolf von Berg, befand sich der Studien halber in Paris, als die Cölner Erzbischofswahl ihn 1131 zur raschen Heimkehr veranlafste'). Adalbert von Saarbrücken begab sich mit glänzendem Gefolge von der Hildesheimer Schule nach Reims, wo, wie zu Gerberts Zeiten, die logischen Studien ihren Hauptsitz hatten. Als seinen Lehrer verehrte er vorzüglich jenen Albricus, der auch "Wibalds Lehrer w a r , 1136—1141 E r z - bischof von Bourges. Auch viele Engländer hielten sich der Studien halber in Reims auf; sie geriethen bei den "Weihnachtspielen in einen Kampf mit Franzosen und Deutschen, den Adalbert stillte.

Weiter begab sich dieser nach Paris, hörte auch noch die gelehrten Aerzte zu Montpellier, und kehrte in die Heimath z u r ü c k , bevor am 13. J u n i 1137 sein Oheim Erzbischof Adalbert I gestorben war, dem er im folgenden Jahre auf dem Mainzer Stuhle nach- folgte2). Wibald r ü h m t aufser Albricus noch Anselm von Laon, Wilhelm von Champeaux und Hugo von St. Victor3). Albero von Trier (1131—1152) war selbst ein Franzose und holte sich auch von dort seinen Scholasticus Balderich. Von der Halberstädter Schule soll Ludolf aus Kroppenstedt nach Paris geeilt sein und dort 20 Jahre (c. 1139—1159) studiert haben4); 1192 wurde er Erzbischof von Magdeburg und wird als vir litteratissimus bezeichnet5). In Böhmen spricht schon Cosmas von den jungen Philosophen, die voll von Franciens Schätzen heimkehrten, und Bischof Daniel von P r a g (1148—1167) hatte in Paris studiert, Lucas von Gran dort den Girardus Puella gehört6). Immer entschiedener wurde Frankreich das Hauptland der Kirche, der Sitz aller theologischen Gelehrsamkeit, wie auch von dort die neuen Mönchsorden ihren U r s p r u n g nahmen, und Deutschland konnte seine frühere Geltung den Nachbarn gegen- über nicht mehr behaupten.

Die Geschichte Deutschlands erklärt es zur G e n ü g e , dafs die aller Orten so reich und kräftig erblühenden Studien nur in wenigen glücklichen Fällen den Sturm überdauern konnten; gerade die geistlichen Stifter, die Sitze der Bildung, wurden von der unheil- vollen Spaltung in ihrem ^morsten Kerne ergriffen und zerrissen, und in Deutschland blieb alles stumm,, wenn der Clerus schwieg.

0 Balderici Gesta Alberonis cap. 11. MG. SS. VIII, 249.

2) Vita Adelberti II bei Jaffe, Bibl. III, 565—603.

. 3) Bibl. I, 278, ep. 167.

' 4) Gesta archiepp. Magd. SS. XIV, 417. Scboeppenchr. S. 122.

5) Chron. Montis screm ad a. 1203.

6) Cosm. III, 59. Gerl. ad a. 1167. Gualt. Map de nugis curialium ed.

Wright II, 7.

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Wipo. 11 Diese traurigeu Folgen traten aber erst später ans Licht; als der Kampf zuerst ausbrach, brachte er vielmehr neues Leben und neue Bewegung in die Litteratur. Man kämpfte nicht minder mit der Feder als mit dem Schwerte, und es erwuchs in kurzer Zeit eine reiche Fülle von Streitschriften, die zum Theil mit grofser "

Kunst und Gewandtheit verfafst sind1). Aus der Geschichte wie aus dem eben jetzt mit neuem Eifer ergriffenen Studium des römi- schen Rechts werden die Waffen entlehnt, und Stil und Sprache wurden auch für diesen Zweck sorgfältig geübt, theils in den Kanz- leien der geistlichen und weltlichen Herren, theils in den jetzt in Italien und Frankreich entstehenden eigenen Schulen zur Erlernung des Geschäftstils3).

Versuchen wir es nun, das umfangreiche geschichtliche Materila dieser Periode zu überblicken. Die geographische Eintheilung, wel- cher wir bisher folgten, läfst sich hier nicht mehr allein festhalten, weil der Verkehr und die gegenseitige Einwirkung sich zu sehr ge- steigert haben: wir werden uns von den Hauptwerken leiten lassen und diesen die übrigen gruppenweise anreihen.

§ 2. K o n r a d II. W i p o . '

Wiponis Opera ed. Pertz, MG. SS. Xi, 2 4 3 - 2 7 5 . Bes. Abdruck, Hann. 1 8 5 3 ; cd. Brefs- lau 1878. Uebersetzung der Vita von Bnchholz (mit Lambert) 1 8 1 9 ; v. W. Pflüger, Berlin 1877. 2. Ausg. 1888 (Geschichtschr. XI, 3, 41. Bd.) G. H. Pertz, Ueber Wipos . Leben und Schriften, in den Abhandlungen der Berl. Ak. 1851. Stenzel II, 20.

. 4 1 — 4 9 . Waitz in Schmidts Zeitschrift II, 104. Schubiger, Die Sängerschule . St. Gallens (Eins. 1858) S. 9 0 - 9 5 . W . Giesebrecht, Kaiserzeit II (5. A.), S. 560.

Vgl. auch SteindorlT, Heiur. III, I , 127. W . Arndt, Wahl Konrads II, 1871.

Fr. Wagner desgl. Jul. Harttung, Studien zur Geschichte Konrads II, Bonn. Diss.

1876. W. Pflüger im NA. II, 1 2 9 - 1 5 6 . H. Brefslau ib. 5 8 0 - 5 9 5 . Harttung u.

May, Forsch. XVI11, 6 1 2 - 6 2 4 . May, NA. IV, 413 n. 4 1 5 ; dazu Brefslau NA. V, 1 9 5 und im Jahresbericht der Gcschichtswiss. I, 144. Harttung, Untersuchungen zur Gesch. Konr. II, 1 8 9 0 ; vgl. Steindorff, GGA. 1891, N. 21. Den Fl. Atis, c. 14, er- klärt Cipolla, Arch. Stor. Lomb. XVIII, 157 IT. als die Adda. Stellen, wo Einli. V.

Caroli u. alte Schriftsteller von ihm benutzt sein sollen, stellt Manitius zusammen, NA. XI, 4 5 — 6 6 . Halbversc in den Gesta Chuonr. u. Verbess. zum Tetralogus von A. May, Offenburger Gymn. Progr. 1889. Phantasieen von G. Pagani abgewiesen NA.

XVIII, 351. 703. •

Ueber Wipos Herkunft und Leben ist uns nichts bekannt, als was aus seinen Schriften hervorgeht. Er war Priester und Caplan ''.Konrads II, bei dessen Wahl er zugegen gewesen ist; vielleicht fand er damals Gelegenheit in den Hofdienst einzutreten. Seine Kränk-

•) S. darüber Stenzel, Frank. Kaiser I, 496 ff. Floto, Heinrich der Vierte 11,283 — 303. Helfenstein, Gregors VII Bestrebungen nach den Streit- schriften seiner Zeit, Frankf. 1856. Sammlung derselben in der Abth. der MG. Libelli de lite Imperatorum et Pontificum saeculis XI. et XII. conscripti I. 1891. II. 1892.

2) S. über diese Dictatorenschulen'Wattenbach im Archiv d. W. Ak.

XIV, 29—94. Rockinger, Ueber Formelbücher vom dreizehnten bis sech-

(16)

1 2 IV. Salier. § 2. Konrad II. Wipo.

lichkeit verhinderte ihn aber häufig, dem kaiserlichen Hoflager zu folgen, und er scheint dann in seiner Heimath zurückgeblieben zu sein, nämlich in Burgund, denn die specielle Berücksichtigung dieses Landes in. seinen Schriften und die Berufung auf den Bischof von ' Lausanne als seinen Gewährsmann lassen kaum daran zweifeln, dafs er dort zu Hause war. In besonders nahem Verhältnifs stand er schon bei Kaiser Konrads Lebzeiten zu dessen Sohne und Nachfolger Heinrich, an dessen Hofe er in gleicher Stellung blieb, und 'dem er auch die Lebensbeschreibung seines Vaters überreichte. E s ist wohl nicht zu bezweifeln, dafs er auch an der Erziehung Heinrichs An- theiJ gehabt hat.

"Wir wissen nicht, wo Wipo seine Bildung erhalten h a t ; er war offenbar mit der classischen Litteratur vertraut und behandelte die Sprache der damaligen Zeit mit grofser Leichtigkeit und Sicher- heit. Eine besondere Vorliebe hatte er für rhythmische gereimte Dichtung, und auch darin zeigt er Geschmack und Gewandtheit;

noch j e t z t hat sich im kirchlichen Gebrauche die von ihm verfafste schöne Ostersequenz Victimae pascJiali laudes erhalten1). Manches von seinen Gedichten ist verloren; erhalten sind seine 1027 oder 1028 für Heinrich III als Knaben verfafsten Denksprüche, Proverbia, in ihrer Art vortrefflich2), und der Tetralogus, welchen er demselben als König Weihnachten 1041 in Strafsburg überreichte3), in fliefsen- den Hexametern, die nach damaligem Geschmacke gereimt sind.

In anmuthiger und geschickter Weise ist hier das Lob des Königs mit guten Ermahnungen gemischt, und darunter befindet sich auch der oben (S. 5) schon erwähnte gute Rath, er möge doch seine Grofsen dazu anhalten, ihre Söhne in die Schule zu schicken und sie Recht und Gesetz kennen zu lehren4). Bei jeder Gelegenheit zehnten Jahrhundert als rechtsgesehichtliche Quellen, München 1855, und dessen Einleitung zu der Sammlung: Briefsteller und Formelbücher des elften bis vierzehnten Jahrhunderts (Quellen und Erörterungen IX), Mün- chen 1864. Ueber eine aus Italien nach Frankreich gekommene Ars dic- taminis des Magister Bernhardus gegen die Mitte des 12. Jahrh. in einer Staveloter Handschrift, Anz. d. Germ. Mus. XVI, 189—194.

·) S. Schubiger S. 93 u. Tab. VIII. Opera ed. Brefslau p. 51.

•) Z. B. Decet regem discere legem.

Legem servare, hoc est regnare.

Notitia• litterarum lux est animarum.

Bene credit qui neminem laedit'.

Ueber Anklänge an die Vulgata May, NA. V, 196. Die von B. Pez be- nutzte Tegernseer Handschrift, wo der Vf. Henricus genannt wird, ist jetzt Cod. lat. Monac. 19411, NA. XH, 447. XVII, 35.

3) Steindorff, Jahrbücher unter Heinrich III, I, 127.

4) Scherers hieran geknüpfte Vermuthung widerlegt Dümmler, Anselm

S. 12 n. 1. Die Verse lauten: .

(17)

Wipo. Seine Verse. Konrads Leben. 1 3 k o m m t Wipo darauf zurück, dass Recht und Gesetz die wahre Grundlage des Thrones sind, wie er denn auch jene Ermahnungen dem Gesetze selber in den Mund legt, und König Heinrich als ehrendsten Beinamen die Bezeichnung Richtschnur der Gerechtigkeit (Linea justitiae) beilegt. Mit Wahrscheinlichkeit ist Wipo neuer- dings eine rhythmische lateinische Dichtung zu Ehren Konrads des Saliers zugeschrieben1) und eine zweite ganz ähnlicher Art auf Heinrichs III Königskrönung2); besonders schön und von wahrem Gefühl erfüllt ist endlich die Todtenklage um Kaiser Konräds Tod3).

Aufser diesen noch jetzt erhaltenen Gedichten hat aber Wipo auch noch Konrads Winterfeldzug nach Burgund im Jahre 1033 und seine Heldenthaten im Wendenlande 1035 besungen und eine gröfsere Dichtung unter dem Titel Gallinarius verfafst, die sich ebenfalls auf Konrad II bezog4). Diese Schriften sind uns leider alle verloren; wir wissen davon nur, was Wipo selbst anführt, der mit einiger Selbstgefälligkeit ihrer gern gedenkt, indem er mit leich- tem Schleier den Verfasser nur als einen der Unsrigen bezeichnet.

Mancher einzelne Yers, der mitten in Wipos Prosa vorkommt, mag auch wohl aus diesen Dichtungen stammen; seine Vorliebe für sol- chen 'Schmuck tritt häufig hervor, sowie er auch seinen Geschmack an Sprichwörtern hier nicht verleugnet5). Andererseits ahmt er

Tunc fac edictum per terram Teutonicorum, Quilibet ut dives sibi natos instruat omnes Litterulis, legemque suam persuadeat illis, Ut cum principibus' plaeitandi venerit usus, Quisque suis Ii bris exemplum proferat illis.

Moribus his dudum vivebat Roma decenter, His studiis tantos potuit vincire tyrannos:

Hoc servant Itali post prima crepundia cuncti, Et sudare scholis mandatur tota juventus.

Solis Teutonieis vacuum vel turpe videtur, Ut doceant aliquem nisi clericus accipiatur.

') Voces laudis, in der Cambridger Handschrift, von W. Arndt in der Gött. Diss. (1861) Die Wahl Conrad II, S. 46—52. Gedr. Opp. ed. Brefs- lau p. 78.

2) 0 rex regurn aus ders. Hs. bei Brefslau p. 80.

3) Auch bei Schubiger S. 91. Pertz hat ihm auch den (verlorenen) Rhythmus auf den Ungernkrieg 1044: Vox haec melos pangal zugeschrie- ben, welchen Otto Fris. VI, 32 anführt ü. Herrn. Contr. beilegt, und es spricht dafür, dafs Otto den Wipo nicht kennt und sein Werk Hermann zuschreibt, die Form aber für Wipo besser pafst. Von Strehlke u. Stein- dorff ist dagegen bemerkt, dafs Wipo es angeführt haben würde, wo er von diesem Kriege spricht, aber das geschieht nur c. 1 in einer kurzen eingeschobenen Bemerkung.

4) Er führt daraus die vierte Satire an; Vita Chuonr. cap. 6.

5) Rhythmische Dichtungen geschichtlichen Inhalts sind aus diesem Zeitalter wenig vorhanden: auf die Einnahme Roms 1084 Venite cuncti po-

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1 4 IV. Salier. § 2. Konrad II. Wipo.

auch den sentenziösen Stil des Sallust nach, u n d daraus ist eine etwas seltsame Mischung entstanden; wo er aber einfach erzählt, ist seine Sprache dem Gegenstande angemessen und frei von der gesuchten Classicität anderer.

Das einzige gröfsere W e r k , welches wir von W i p o besitzen, ist sein Leben Konrads II, um so schätzbarer, weil über diese Zeit nur wenig Quellen vorhanden sind. Eben so vereinzelt steht an- dererseits diese Schrift da als eine der sehr wenigen weltlichen Biographieen, welche im Mittelalter verfafst sind. E s berührt an- genehm, dem Schwalle stereotyper Phrasen zu entgehen, die in keiner Legende fehlen. Einhard, mit dem wir Wipo zunächst ver- gleichen müssen, übertrifft ihn freilich an K u n s t der Darstellung und Reinheit der Sprache, dafür hat Wipo aber mehr frische Natür- lichkeit, und während Einhard in fast ängstlicher Nachahmung Suetons auch den Kategorieen desselben folgt, berichtet Wipo ein- fach nach der Zeitfolge über das Leben Konrads. Hierbei legte er, wie Steindorff nachgewiesen hat1), eine annalistische Reichsgeschichte zu Grunde, dieselbe, welche sich in den Annalen von St. Gallen ausgezogen und mit Localnachrichten vermehrt findet3). Manches liefs er weg, wie er selbst sagt, anderes fügte er hinzu, u n d er- weiterte namentlich die kurzen Umrisse durch recht dankenswerthe Ausführungen. Schon allein die Schilderung der Wahl Konrads, welcher er beiwohnte, sichert ihm unsere Dankbarkeit, so wenig sie sich auch bei genauerer Untersuchung als genau und zuverlässig erweist3). Wipo selbst sagt, dafs Läufig Krankheit ihn vom Hofe puli in Sudendorfs Reg. I, 55, Lib. de lite I, 433. Auf Lanfranks Tod 1089, Eheuploret Anglia Du Meril (1847), 251. — Auf die Eroberung von Jerusalem Jerusalem laetare, ib. 255. —· Auf Heinrich V Gewaltthat gegen Paschalis 1111 Dum floret, ed. Dümmler, Forsch. XVI, 577, wozu die metrische Klage über Rom. Habsucht um 1110 gehört: Roma Caput mundi, Giesebrecht III, 1263, 5. A. 1278 (vgl. oben I, 412, Anm. 3). Von den zahlreichen metrischen Epitaphien erwähne ich hier die anf Heinrich III und Leo's IX Tod: Quic- quid in orbe und Concidit Heinricus, ed. Dümmler, ΝΑ. I, 175—180, wo er auch das auf Lothar bezogene Caesar tantus eras für Heinrich III in Anspruch nimmt und Varianten dazu giebt.

') Forschungen VI, 477—493. VII, 559—572. Wir kommen noch dar- auf zurück.

2) Der Abschnitt 1025—1044 der Ann. S. Gall. maj. ist in einem Zug ge- schrieben, und wie Steindorff gezeigt hat, nur in den letzten Jahren gleich- zeitig. Bei der Ausg. von Brefslau u. der Uebers. des Wipo ist er beigegeben.

3) Vgl. Brefslau, Jahrbücher unter Konrad II, I, 18 ff, Doch auch Scheffer-Boichorst in d. Mitth. d. Instituts VI, 52—60, wo er die Nachricht von der Anwesenheit sächs. Bischöfe vertheidigt. Paul Hasse aber hat die Verschmelzung der ursprünglichen Absicht, die hervorragenden Reichs- fürsten zu nennen, mit der Darstellung des Wahltags behauptet (s. ΝΑ. XIII, 654) und darnach ist die Uebersetzung des Cap. 1 von mir gestaltet.

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Gesta Heinrici III. 1 5 fern hielt, und daher ist er nicht überall gleich gut unterrichtet;

es ist nicht zu verwundern, dafs mancher ' I r r t h u m sich einge- schlichen h a t ' ) . Im allgemeinen aber schreibt er mit vollständiger Kenntnifs seines Gegenstandes und mit warmer Liebe zu seinem Helden. Doch ist er weit entfernt, ein blofser Lobredner zu sein;

er berührt auch die. Schwächen des Kaisers, wenn auch nur in schonender Andeutung, wie das in seinen Verhältnissen und in einem Werke, das dein Sohne und Nachfolger gewidmet war, nicht anders sein konnte.

W i r können wohl sagen, dafs Wipo seine Aufgabe gut gelöst hat; er giebt uns freilich keine tiefer gehende geschichtliche Auf- fassung der damaligen Weltlage, des Verhältnisses des Kaisers zu den Fürsten und zur Kirche, der Deutschen zu ihren Nachbaren, aber er giebt uns ein frisches, lebensvolles Bild des thatkräftigen, verständigen und in jeder Beziehung tüchtigen Kaisers, der vor allem rücksichtslos das Recht handhabte und ganz für seinen hohen Beruf lebte, und das eben war Wipos Zweck und Absicht.

. Eigentlich jedoch beabsichtigte er, die Thaten beider Herrscher in seinem W e r k e zu behandeln; darauf ist das W e r k angelegt, dafür der Prolog geschrieben, nach Konrads T o d , aber vor Heinrichs Kaiserkrönung. Dann aber hat er das Leben Konrads ausgesondert und Heinrich III, der nun (Weihn. 1046) Kaiser geworden war, überreicht. Damals sind einige kleine Zusätze gemacht, nicht ohne dadurch die Ordnung etwas zu stören, und ist die Zueignung geschrieben, in welcher Heinrich als Kaiser angeredet wird2). Be- kannt ist sein Werk nur wenig geworden; nur bei Otto von Freising und bei dem Zwettler Fortsetzer der Annalen von Melk finden wir es benutzt3).

Wiederholt spricht Wipo die Absicht aus, auch Heinrichs I I I Geschichte zu schreiben; er sagt, dafs er fortwährend dafür sammele:

wenn er als der früher geborene auch früher sterben werde, so möge, ein anderer auf dieser Grundlage fortbauen. E r beschwört seinen Nachfolger, den Grund, welchen er lege, nicht zu ver-

') So im Cap. 33; s. Waitz, Forsch. VII, 397—401.

2) Giesebr. II, 562. Brefslau im NA. II, 590. Die nicht passende Ueberschrift der Widmung kann recht wohl aus den ersten Worten der- selben später ungeschickt entnommen sein. '

3) Angeführt werden Gesta Chonradi bei dem Streit des Bischofs von Basel mit St. Blasien unter Heinrich V (s. H. Brefslau, Diplomata C. p. 187), aber bei Wipo ist nichts darauf bezügliches zu finden, wie denn auch damals St. Blasien noch nicht gestiftet war. Doch hält Brefslau in d. Vorr.

d. Ausg. p. V n i daran fest, dafs Wipo gemeint sei; durch dessen Chrono- logie habe die Unechtheit des betr. Diploms erwiesen werden können.

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16 IV. Salier. § 2. Konrad II. Wipo.

schmähen. D a nun von einem solchen "Werke nichts b e k a n n t ist, dagegen aber Hermann dem Lahmen ein Werk über K o n r a d I I und Heinrich H I zugeschrieben wird, so h a t Pertz die Y e r m u t h u n g auf- gestellt, dafs wohl Wipo bald nach der Vollendung seines H a u p t - werkes1) gestorben sein, Hermann die hinterlassenen Aufzeichnungen überarbeitet haben möge. Man hat eine Zeit lang auch geglaubt, Spuren dieses Werkes bei dem Sächsischen Annalisten u n d Chro- nographen nachweisen zu können. Allein diese ganze Hypothese beruhte auf einem Irrthum. Yon Hermann nämlich sagt sein ver- trauter Schüler Berthold: „Libellum hunc chronicorum ab incar- natione Domini usque ad annum suum undecunque laboriosa dili- gentia collegit; gesta quoque Chounradi et Heinrici imperatorum pulcherrime descripsit." D a fragt es sich zunächst, was denn der

„annus suus" bedeuten soll, und ich denke, es ist die von ihm selbst erlebte Zeit: so weit hat Hermann die Geschichte mühsam aus vielen Quellen gesammelt. Davon aber unterscheidet Berthold die weit ausführlicher behandelte Zeitgeschichte. H e r m a n n starb ja vor Heinrich III: wie hätte er dazu kommen sollen, aufser seiner

Chronik noch ein abgesondertes abgeschlossenes Buch über ihn zu schreiben? Einen weiteren Beweis dafür hat man freilich bei Otto von Preising gefunden, der über Heinrich III VI, 3 3 sagt: „Tarn ejus quam patris sui actus et virtutes Herimannus Contractus in libello quodam, quem ipsi destinavit, luculenter satis disseruit."

Das pafst aber ganz genau auf Wipo, der j a auch Heinrichs III Thaten berührt und das ausdrücklich als seine Absicht ausspricht, wie es auch im Titel der einzigen Handschrift steht. Otto hat das Buch gehabt, nennt aber Wipo nicht; von der Benutzung eines anderen Werkes ist bei ihm keine Spur, und es ist daher nicht zu bezweifeln, dafs er Hermann irrig für den Verfasser gehalten hat.

Deshalb glaube ich, dafs die vielbesprochenen Gesta niemals ge- schrieben sind, sondern nur Wipos Vorarbeit, deren Geschick uns unbekannt ist.

Wipo erzählt, dafs Konrad im· Jahre 1027 den Bischof W e r n - h e r v o n S t r a f s b u r g nach Constantinopel. sandte, einen gelehrten Mann, dem die Dombibliothek reiche Gaben verdankte2). Ueber

') Den Grund, weshalb Pertz hierfür 1048 oder 1049 annahm, wider- legt Steindorff, Forschungen VII, 563.

2j Darunter den berühmten Quintilian, Bandini II, 382_: Germaniei Caesaris Aratea, s. die Ausgabe von A. Breysig, Berl. 1867 p. XVII. An- dere Arch. VIII, 461, in Strafsburg verbrannt, und in Bern, worunter 2 Orosius; s. H. Hagens Catal. S. 104. 108. 180. 236. Wimpheling (s. I, 399) nennt S. 39 die von ihm geschenkten Bücher, welche zu seiner Zeit noch

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Wernher von Strafsburg. Lorscher Briefsammlung. 17 diese Gesandtschaft finden sich einige freilich fabelhafte Nachrichten in einer Schrift des zwölften Jahrhunderts über die K r e u z p a r - t i k e l z u D o n a u w ö r t h , welche Wernhers Begleiter, Mangold von Werd, damals soll erworben haben. Der Verfasser ist B e r t h o l d , ein Mönch, der um die Mitte des zwölften Jahrhunderts bei den Sanblasianern, welche in das von Mangold gestiftete Nonnenkloster später eingeführt waren, gute Aufnahme gefunden hatte, und zum Dank für den Abt Theoderich nach dessen Erzählungen, mit Be- nutzung von Ekkehards Chronik und einer Bulle Leos I X nicht ohne Geschick diese Schrift verfafste. Geschichtlich ist der von Fabeln erfüllte Bericht freilich wenig brauchbarl). Vorzüglich Mangold wird darin verherrlicht. Wir finden da auch die beliebte Geschichte, dafs der Kaiser, zur Mahlzeit geladen, verbietet, ihm Holz zu ver- kaufen, er aber die Speisen bei einem Feuer von Nüssen bereiten läfst. E s ist nicht ohne Interesse zu verfolgen, wie diese Geschichte mit geringen Abänderungen an den verschiedensten Orten auftaucht und beliebig auf andere Personen übertragen wird. Denn gleiches erzählt Robert Wace im Roman de Rou von Herzog Robert und dem griechischen Kaiser, Enenkel von Herzog Leopold und Kaiser Friedrich II, eine österreichische Reimchronik3) von den belagerten Wienern, u n d Thomas Ebendorfer von Rudolf IV und Karl IV.

Noch dürfen wir endlich nicht unerwähnt lassen, dafs sich in einer B r i e f s a m m l u n g zwei merkwürdige Berichte über Kaiser Konrad und seinen Hof erhalten haben, namentlich eine genaue E r - zählung von der Absetzung des Herzogs Adalbero von Kärnten, welche uns den Kaiser in seiner ganzen Heftigkeit und Schroffheit

vorhanden waren; vgl. auch Rhein. Mus. XXIII (1868) S. 144. — Nota Strasburgensis über eine Kirchweih des Bischofs Wilhelm 1035 SS. XIII, 46 ; ib. XV, 2, 995 eine Aufzeichnung über die Herstellung und neue Ausstattung des Nonnenklosters Eschau (Kr. Erstem), welches von B. Remigius (765—783) gestiftet, von den Ungern verwüstet, ν. B. Widerold (992—999) hergestellt und von Wilhelm (1030—1047) und Hezel (1047—1065) beschenkt war.

Die Kaiserinnen Rigardis und Adelheid hatten es auch begabt. Notitia fundationis et restaurationis mon. Ascoviensis. .

') Historia quomodo portio vivifice crucis Werdeam pervenerit. Oefele 1,332—336. Neue Ausg. v. Holder-Egger, SS. XV, 2, 767—770, wo die Fabel von seinen angeblichen Nachforschungen in Constantinopel wider- legt wird. Vgl. Giesebrecht II, 636; Brefslau, Forsch. X, 606—613; Stein- dorff I, 13—15; Steichele, Das Bisth. Augsburg III (1872) 833—840. Die Reliquie selbst in der sehr schönen, von Kaiser Max gestifteten, monstranz- förmigen Fassung besitzt der Fürst C. Fr. zu Oettingen Wallerstein.

2) MG. SS. XXV, 359. Vgl. hierzu die sehr lehrreiche Untersuchung von Gaston Paris: Sur un épisode d'Aimeri de Narbonne, Romania IX, 5 1 5 - 5 4 6 (ΝΑ. VII, 229).

W a t t e n b a c h , Geschichtsquellen II. 6. Aufl. 2

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18 rV. Salier. § 3. Altaich und Hildesheiin. Godehard. Benno.

zeigt, die' diesem gewaltigen Fürstenstamme eigen war1). Diese Sammlung s t a m m t ' a u s dem Kloster L o r s c h , ihrem U r s p r u n g nach aber aus W o r m s ; der Bischof Azecho (1025—1044), dann der zum Bischof von Arezzo beförderte Diaconus Immo (I, 375) treten be- sonders hervor. Die Hauptmasse ist schulmeisterlich, gesucht, oft unverständlich, alles irgend Brauchbare jetzt, wenn auch zerstreut, gedruckt2).

§ 3. N i e d e r - A l t a i c h u n d H i l d e s h e i m . G o d e h a r d . B e n n o v o n O s n a b r ü c k .

U m das J a h r 961 wurde einem Dienstmann des Klosters Nieder- Altaich, Namens R a t m u n d , ein Sohn geboren, der den Namen G o d e h a r d erhielt. Wir erwähnten schon früher (I, 405), dafs die Klosterzucht dort verfallen war und Kanoniker in freierer Weise an dem Orte lebten, dafs sie aber eine Schule von gutem Rufe hielten, welche von vornehmen jungen Geistlichen zahlreich besucht wurde.

Auch Godehard erhielt hier seinen ersten Unterricht und bildete sich dann weiter aus am Hofe des Erzbischofs Friedrich von Salz- burg, dem Nieder-Altaich auf Lebenszeit übergeben war u n d dem es seinen blühenden Zustand verdankte. Im J a h r e 990 aber gab der Erzbischof das Kloster vollends seiner alten Bestimmung zurück, gab ihm seine Selbständigkeit wieder und führte Benedictiner-Mönche aus Schwaben' dahin, wie es auch schon bei der ersten Stiftung 741 von Reichenau aus besetzt war. . Der Herzog Heinrieb von Baiern und Kaiser Otto III verhalfen der Abtei wieder zu ihren längst entfremdeten Besitzungen, und bald gedieh sie zu grofser Blüthe und zeichnete sich aus durch einen hohen Grad wissen- schaftlicher Bildung. Dem ersten Abte Erkenbert folgte 996 bis 1022 Godehard, welcher die Regel in ihrer vollen Strenge durch-

J) Giesebr. 5. Aufl. H, 712.

2) Vollständige Inhaltsangabe von P. Ewald, NA. III, 321—340 mit Angabe der älteren Abdrücke, weitere 27 bei J. v. Pflugk-Harttung, Iter Ital. p. 382—416, vgl. 719—727. — Ein Diaconus Theotroch schrieb an einen Presb. Ootbert, viell. in Lorsch, einen Brief „Qualiter officium missae agatur in monasterio Fuldae", NA. IV, 409—412. — Kleine gleichzeitige lócale Annalen von Lorsch, 936—978 gieht Bethmann SS. XVII, 33 als Annales S. Nazarii. Dieselben hei L. Delisle, Anc. Sacram p. 240. Die Namen der Mönche unter Abt Gerbodo (951 bis 972) Reifferscheid e. cod.

Vat. Wiener SB. LVI, 443. Lorscher Bibl. Cat. saee. X. XI. bei Becker, Catalogi bibliothecarum p. 82—125. Räthsel s. VIH. IX. aus einer Lorscher Hs. aber schwerlich dort entstanden, ed. Dümmler, Zeits. f. D. Alt. XXII, 258-263. '

(23)

Annales Altahenses. 19 führte und sich namentlich auch der Klosterschule ernstlich annahm;

Bald empfand man nun auch das Bedürfnifs geschichtlicher Auf- zeichnungen. E s liegen da zunächst ganz kurze dürftige Annalen von 741—1039 vor1), von welchen Th. Lindner2) nachzuweisen ge- sucht hat, dafs sie als der erste Versuch dieser Annalistik zu be- trachten seien. Ich habe mich früher seiner Ansicht angeschlossen, halte sie jedoch jetzt nach den Entgegnungen von Steindorff3) und Giesebrecht4), und nach wiederholter Prüfung der Annalen selbst nicht mehr f ü r haltbar, obgleich Lindner bei derselben beharrt6).

E s ist meiner Meinung nach nicht zu verkennen, dafs wir, wie Giesebrecht richtig bemerkt, hier ganz und gar die Ausdrucksweise Aventins vor uns haben, während eine solche Form für originale Aufzeichnungen aus dem Mittelalter unerhört wäre; Aventin hat seine Ausbeutung der Altaicher Annalen mit diesen kurzen Excerp- ten begonnen, aber im Verlauf der Arbeit ist ihm klar geworden, dafs diese Art zu ungenügend sei; er hat noch einmal von vorne angefangen, bis 898 sich wiederum auf Auszüge beschränkt, von da an aber eine vollständige Abschrift genommen. •

Hiermit entfällt nun· auch'Ader Grund, gerade bei dem Jahre 1039 einen Abschnitt anzunehmen; doch ist der Unterschied zwischen einer bis 1032 reichenden Compilation aus älteren Quellen und einer überwiegend aus originalen Mittheilungen bestehenden Fort- setzung unverkennbar, und wenn auch, wie z. B. Lamberts Beispiel zeigt, der Schlufs auf verschiedene Verfasser deshalb noch nicht geboten ist, so hat doch dafür Giesebrecht eine 1033 eintretende veränderte und ungenauere Art in der Benutzung der Hildesheimer Annalen geltend gemacht6). Ferner tritt hier der auffallende Um- stand hinzu, dafs jener erste Theil zwar in Altaich verfafst ist, zum Jahre 1007 aber der Verfasser als Hildesheimer spricht. Des- halb hat schon der erste Entdecker, Baron von Oefele, an W o l f - h e r e gedacht, welcher um diese Zeit bis gegen 1035 seine in Hers- feld begonnenen Studien in Altaich fortsetzte, und Giesebrecht hat sich dieser Vermuthung angeschlossen. Sie ist aber zurückgewiesen ') Breoes Annales Altahenses, MG. SS. XX, 774; 2. Octav-Ausg. S. VIII.

2) Ueber die Annalen von Niederaltaich, Forsch. XI, 529—560.

3) Jahrbücher unter Heinrich III, 1, 429—433.

4) Excurs über die Ann. Altah. majores, Kaisergesch. II, 583—589, in

" d. 5. Ausg. mit einem Zusatz, in welchem die inzwischen erschienenen Be- merkungen von Lindner, Zeifsberg, Brefslau berücksichtigt sind.

5) Forschungen XVI, 386—393. • · _

c) Der Grund freilich, dafs im Autograph der Ann. Hildesh. beim J. 1032 ein Abschnitt sichtbar sei, ist jetzt hinfällig geworden.

2*

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2 0 rV. Salier. § 3. Altaich und Hildesheiin. Godehard. Benno.

von Lindner und von Kurze1), welche jenen Umstand vielmehr durch gedankenloses Ausschreiben der gröfseren Hildesheimer Annalen er- klären.

Abgesehen von dieser sachlich unwesentlichen Frage nach dem Verfasser steht es fest, dafs als Grundlage der Arbeit vorzüglich die Hersfelder Annalen bis 984 benutzt sind, f ü r welche wir hier die reichste Quelle haben (I, 341), nebst den Hildesheimer, u n d zwar, wie Brefslau nachgewiesen und Kurze bestätigt hat, in ihrer voll- ständigeren Gestalt; dazu Alamanniche Annalen, ebenfalls nicht in derselben Form, in welcher sie uns vorliegen, und einheimische Auf- zeichnungen, Baierische Annalen, von denen uns leider so wenig erhalten ist. Gelegentlich sind auch aus anderen Quellen einzelne Notizen entlehnt2). Ob, wie Ehrenfeuchter3) nachzuweisen' sucht, auch aus der Fortsetzung des Regino und aus Thietmar einzelne Stellen genommen sind, ist zweifelhaft; Kurze verwirft beides, und ebenso L . Weiland. Dafs aus einem ausführlichen W e r k e nur ein- zelne kurze Sätze entnommen werden, findet sich öfter in solchen Annalen, und man darf nicht etwa einwenden, dafs der Verfasser, wenn er dieses W e r k gekannt hätte, es stärker ausgenutzt haben würde. E r schrieb eben für sein Kloster, und wenn man in diesem Kloster ein solches gröfseres Geschichtswerk schon besafs, so erschien es unnöthig, dasselbe an diesem Orte auszuschreiben.

Was nun die Fortsetzung betrifft, so ist diese von ungemein hohem Werthe. Schon unter Konrad II werden die selbständigen und eigenthümlichen Nachrichten reichlicher, und Heinrichs III Re- gierung ist in ausführlicher Erzählung dargestellt. W i r finden hier über diese Zeiten vortreffliche Aufschlüsse und zwar gerade über die Verhältnisse dieser Gegenden, über welche es sonst so sehr an Quellen mangelt, und über Heinrichs III Berührungen mit Ungern und Böhmen. Von 1054 an ist der Verfasser völlig selbständig, und über die ersten Zeiten Heinrichs IV gewährt er unerwartete Blicke in das Treiben der F ü r s t e n ; der sonst so gepriesene Otto von Nordheim erscheint hier, wo man ihn näher kannte, in sehr un- günstigem Lichte. Das Reich ist der Mittelpunkt seiner Darstellung, indem er allen Bewegungen des Hofes folgt, und auch in der Art der Darstellung schliefst er sich der Weise der alten Annalisten au,

•) Die Herzfelder und die gr. Hild. Jahrbb. bis 984 (Progr. d. Gymn.

zu Stralsund 1892) S. 6.

2) Die Notiz 857 über den Hund in der Trier Kirche findet sich, wie Dümmler bemerkt, fast gleichlautend in den Ann. Corbejenses.

3) Die Annalen von Nieder-Altaich, Göttingen 1870.

(25)

Annales Altahenses. 2 1 indem er in der Regel nur die Thatsachen reden läfst, und es ver- meidet, seine eigene Ansicht oder ein Urtheil über Personen und Ereignisse auszusprechen.

Den Anstois zur Geschichtschreibung gab hier offenbar, wie einst in den sächsischen Klöstern, die nahe Beziehung, in welcher Altaich in dieser Zeit zur Reichsregierung stand. So wurde 1038 der Altaicher Mönch Richer, schon früher zum Abt von Leno bei Brescia erhoben, zum Hersteller des sehr verwüsteten Klosters Monte Cassino berufen; eine Aufgabe, die er in ausgezeichneter Weise er- füllte, und es ist arg, dafs in den Annalen sein Tod nicht verzeich- net ist, da doch sonst die Wechsel in geistlichen Würden sorgsam eingetragen sind. Richer aber übergab 1055 die Abtei Leno seinem Klosterbruder Wenzel, und dieser erhielt 1063 vom König die Abtei Altaicb, welcher er bis zu seinem Tode 1068 vorstand. Diesen preist der Annalist sehr; nicht minder aber auch den Bischof Gun- ther von Bamberg, dessen Tod auf der Pilgerfahrt 1065 überall tiefen Eindruck machte. Wahrscheinlich ist auch der Verfasser selbst in Italien gewesen, was bei solchen Verbindungen nicht auf- fallen kann. Da ist es denn natürlich, dafs er uns von italienischen und kirchlichen Verhältnissen vielerlei zu berichten weifs, wie na- mentlich über die Synode von Mantua 1064, bei welcher der Abt Wenzel zugegen war, diese Annalen unsere Hauptquelle sind. Deut- licher als früher ist nach 1060 kenntlich, dafs alles im Zusammen- hang und im Rückblick auf einen schon vergangenen Zeitraum ge- schrieben ist; auch fehlt es im Anfang nicht an Fehlern. Natürlich treten hier trotz aller Loyalität lebhaftere Klagen über das Treiben am Hofe hervor, in dessen Verhältnisse der Verfasser jedoch wenig eingeweiht ist. Fast nur die anstöfsigen Verfügungen über geist- liche W ü r d e n werden erwähnt. Am Schlufs (1073) wird der Anlafs zum Aufstand der Sachsen in einer für diese günstigen Auffassung berichtet; ob eine weitere Fortsetzung sich daran geschlossen hat, wissen wir nicht. Nirgends aber verräth sich eine Kenntnifs der folgenden Ereignisse, und die Abfassung ist daher wohl in dieselbe Zeit zu setzen.

Auch über diese Fortsetzungen sind sehr verschiedene Mei- nungen ausgesprochen. Darüber freilich ist mán einverstanden, dafs nicht J a h r für J a h r die Nachrichten, wie sie dastehen, gleichzeitig aufgezeichnet sein können. Man hat aber versucht, Einschnitte zu machen, verschiedene Verfasser zu unterscheiden. Dagegen hält Giesebrecht diesen ganzen Theil von 1032 a n , wegen der Gleich- artigkeit der Auffassung sowohl als der Ausdrucksweise für das

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2 2 rV. Salier. § 3. Altaich und Hildesheiin. Godehard. Benno.

Werk eines Verfassers, und erklärt die verschiedene Reichhaltigkeit und Zuverlässigkeit der Berichte aus der verschiedenen N a t u r seiner Materialien, sei es nun, dafs er ältere Altaicher Aufzeichnungen, eigene Notizen, mündliche Berichte, vielleicht auch schriftliche fremde Quellen benutzt habe. Als sichergestellt erscheint ihm die Be- nutzung der Hildesheimer Annalen, welche auch Brefslau bestätigt, bis an das E n d e der ursprünglich Hildesheimer Aufzeichnungen 1040, und gerade hier beginnt erst, wie Weiland bemerkt, die eigentliüm- liche rhythmische Reimprosa. Man könnte diesen Umstand für das Eintreten eines neuen Autors geltend machen, wenn nicht auch das J a h r 1040 schon vom Anfang an diesen Character hätte. F e r n e r ist, was freilich Weiland auch bezweifelt, die Chronik des H e r m a n n u s Contractus benutzt, doch nachweisbar nur für die Fortsetzung. In

' o

Bezug auf diese Chronik hat J. G. Meyndt darauf hingewiesen, dafs bis zu dem E n d e derselben (1054) mehrere Ereignisse gerade aus den sonst so sorgsam beachteten Beziehungen zu Ungern auffallender Weise übergangen sind, vielleicht weil man sie in der anderen Chro- nik hatte, während von da an solche Lücken sich nicht mehr finden1).

Beim J a h r 1060 vermuthet H . Lorenz3) mit Lindner und Steindorff einen Wechsel des Schreibers, weil sich von hier an lebhafte kirch- liche Gesinnung zeige. Weiland dagegen nimmt einfach einheitliche Abfassung des ganzen Werkes um 1073 an.

Aufser dem Altaicher Abt Hermann haben, so viel wir wissen, nur die ungrischen Chronisten Simon von Keza und Johann von Thurocz diese Annalen benutzt; letztere jedoch mit äufserster E n t - stellung. Genau untersucht ist dieses Verhältniss von Zeifsberg3), welcher ein· Mittelglied annehmen zu müssen glaubt, eine Aufzeich- nung über die Ereignisse der Jahre 1041 bis 1046, welche entweder den Annalen entnommen oder vielleicht schon ihre Quelle war. Die Existenz eines solchen Werkes über die Ungernkriege Heinrichs III, welches in der verlorenen, aber aus Ableitungen bekannten alten Chronik, in der Bilderchronik von 1358, und noch von Aventiu be- nutzt ist, in die Annales Altahenses aber nur. auszugsweise aufge- nommen wurde, sucht 0 . Rademacher mit sorgfältiger .Beweisführung, festzustellen4).

Auch waren ja diese Annalen offenbar niemals zur Veröffent-

G Kaiser Heinrich HI u. König Andreas I (Diss. Lips. 1870) S. 28.

2) Die Annalen von Heesfeld (Diss. Lips. 1SS5.) S. 41. ·

3) Zeitschr. f. Oest. Gymn. 1875 S. 491—511.

4) Forsch. XXV, 397-406. Merseb. Schulprogr.1887. NA.XH, 559—576.·

(27)

Annales Altahenses. 2 3 lichung bestimmt, und schon aus diesem Grunde ist es sehr unwahr- scheinlich, dafs Lambert sie gekannt haben sollte.

Durch Aventin endlich nach langer Verborgenheit wieder ent- deckt, waren sie für die älteren baierischen Historiker eine Haupt- quelle; dann aber wurden sie unglücklicher Weise wieder verloren und blieben lange unbeachtet, bis Giesebrecht 1841 wieder darauf aufmerksam m a c h t e , und sie aus späteren Citaten grofsentheils wieder herstellte '). Eine glänzende Bestätigung seiner scharfsinnigen Arbeit, und eine schöne Belohnung ist ihm fast 30 Jahre später zu Theil geworden, indem der Freiherr E. von Oefele im Feb. 1867 die lange verlorenen Annalen in den Collectaneen seines Urgrofs- vaters, des berühmten Herausgebers der Scriptores Rerum Boicarum, in einer Abschrift Aventins auffand, und Giesebrecht diese nun mit dem Finder zusammen herausgeben konnte. Sie bestätigen durch- weg die früher aufgestellten Behauptungen, sind aber natürlich sehr viel reicher2). Gegen die Zuverlässigkeit und Vollständigkeit des durch Aventin überlieferten Textes haben Steindorff3) und Brefslau4) einige Bedenken geäufsert, gegen welche Giesebrecht II, ,S. 588, sich abwehrend verhält; in der neuen Ausgabe sind sie berück- sichtigt. .. • ;

Bemerkenswerth ist eine Untersuchung von Brefslau6), welche sich freilich auf verschiedene annalistische Werke bezieht, aber weil sie auch die Altahenses betrifft, hier erwähnt werden mag, nämlich über die häufig vorkommenden falschen Angaben der Orte, an welchen die Kaiser die hohen Feste gefeiert haben. Brefslau sucht den Grund dieser auffallenden Erscheinung darin, dafs diese Tage wegen der damit verbundenen Verhandlungen verschiedener Art

') Annales Altahenses. . Eine Quellenschrift des elften Jahrhunderts, hergestellt von W. Giesebrecht. Berlin 1841. Nachtrag in d. Litterar.

Zeit. 1841 S. 687. Ree. v. Waitz GGA. 1842 N. 38—41. Vgl. Auctarium Ekkehardi Altahense MG. SS. XVII, 360—365 und die Bemerkungen von Jaffe ib. p. 353. Hartmann Schedels werthlose Excerpta Altahensia MG.

SS. IV, 36 haben keine Beziehung zu diesen Annalen; über ihre Herkunft vgl. Wilmans im Archiv XI, 27.

2) Annales Altahenses majores, edd. W. de Giesebrecht et Edm. L. B.

ab Oefele, MG. SS. XX,· 7 7 2 - 8 2 4 nebst Sep.-Abdruck; dieser in 2. Ausg.

1891. Uebers. v. Weiland 1871, 1893, Geschiehtschr. 46 (XI, 8). Vgl.

Giesebrecht: Ueber einige ältere Darstellungen der D. Kaiserzeit, 1867.

Wiederholt, Deutsche Reden S. 91—118. Kaisergesch, n , 569. 583-589.

III, 1029 (5. A. 1033). B. v. Simson über klass. u. bibl. Anklänge NA. XIV, 607. Chroust, Ortsbestimmung von Hengistiburc (St. Marg. bei Wildon) NA.

XV, 587.

3) Jahrbücher Heinrichs III. II, 443—445.

4) Jahrbücher Konrads H. I, 297, II, 431—435.

6) Ebenda S. 4 2 5 - 430. ·

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