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RUNDSCHAU UNGARISCHE

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Academic year: 2022

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(5) UNGARISCHE. RUNDSCHAU FÜR HISTORISCHE UND SOZIALE WISSENSCHAFTEN UNTER MITWIRKUNG VON VIKTOR CONCHA, JOSEF HAMPEL, LUDWIG. VON THALLOCZYHERÄUSGEGEBEN VON Prof. Dr.. GUSTAV HEINRICH. GENERALSEKRETÄR DER UNG. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. II.. JAHRGANG. o. 1913. VERLAG VON DUNCKER & HUMBLOT MÜNCHEN UND LEIPZIG.

(6) Alle Rechte vorbehalten.. 90/. Ussz ^^^^/TV. OFTOr"". 'Z. Altenburg Pierersche Hofbuchdruckerei. Stephan Oeibel. &. Co..

(7) Inhalt des. II.. Jahrganges.. Aufsätze: Seite. An gyal, David,. Die diplomatische Vorbereitung der Schlacht von Varna (1444). Barabäs, Abel von, Petöfi als Naturphänomen Bertha, Alexander de, Nikolaus Zrinyi, der Dichter (1610—1664) Berzeviczy, Albert von, Paul von Szinyei-Merse. 518 596. 356 24 293. 788. Griechische Reiseskizzen. I. II Friedrich Schlegel. am Bundestage in Frankfurt .... 639. 858 Bodenstein, Gustav, Das Statut der Belgrader «Deutschenstadt» von 1724 3% 85. 316 Csänki, Desider, Matthias, König der Ungarn 384 Darkö, Eugen, Die letzten Geschichtschreiber von Byzanz Ferdinandy, Geza von, Die Thronfolge im Zeitalter der Könige aus dem Bleyer, Jakob,. Arpadenhause Forster, Julius, Das Grab der Königin Gisela. 757 in. Passau. 505. Fraknöi, Wilhelm, Die Thronfolgeordnung im Zeitalter der Arpäden Die Heiratspolitik Ludwigs des Großen Gragger, Robert, Lenaus ungarische Sprachkenntnis Hegedüs, Stephan von. Die griechische Quelle zu Shakespeares zwei .. .. .. Freiheitskampfes der Griechen gegen. 436. die Perser. Neuere ungarische Forschungen zur Sylvesterbulle Heller, Bernhard, Das Schwert Gottes Kassowitz, Theo d. Bruno, Eine Quellensammlung der Geschichte Albaniens im Mittelalter Kenczler, Hugo, Die niederländische Porträtmalerei des XVI. Jahrhunderts.. Leffler, Bela, Petöfi. in. Schweden Professor Aurel von Török (1842. 818. 609 214 626. — 1912). Märki, Alex., Turaner in der Geschichte Asiens Matlekovits, Alexander von. Die Zollgemeinschaft Ungarns. mit Öster162 919. reich. Molnär, Ludwig, Siebenbürgische Geschichtsquellen Ortvay, Theodor, Maria von Habsburg, die Gattin König Ludwigs. II. von Ungarn Pecz, Wilhelm, Die Frage der Schriftsprache bei den heutigen Griechen Peisner, Ignaz, Graf Stefan Szechenyi in der Völkerschlacht Reiszig, Eduard, König Sigmund und die Johanniter Rubinyi, M., Das Problem der Weltsprache Szegh, Desiderius von. Die Grenzen Albaniens Szekfü, Julius, Die Servienten und Familiären im ungarischen Mittelalter Thienemann, Theodor, Deutsche und ungarische Sprachpflege. .. .. Briefe aus der Goethezeit. Tisza, Stefan, Graf, Auf der Schwelle der Wahlrechtsreform Tröcsänyi, Zoltän, Wer galt im XVI. Jahrhundert in Ungarn der Buchdruckerkunst?. 557. 115. Petöfi in Frankreich. Lenhossek, Mich, von,. 911. 68. (Mit 11 Abbildungen.) J.,. 180. 586. letzten Sonetten. Heinlein, Stefan, Die Anfänge des. Kont,. 135. 497. 340 218 898 922 189 415 524 44 823 1. als Erfinder. 229.

(8) Ungarische Rundschau.. IV. Seite. Tröcsanyi.Zoltan, Ungarische. Kultureinflüsse auf das. Rumänentum im XVI.. und XVII. Jahrhundert. Vargha, Julius von,. Ergebnisse der Volkszählung in Ungarn 1911 Weber, Artur, Die Novelle von der Treulosen Witwe in Ungarn Wertheimer, Eduard von. Zur Geschichte der ungarischen Altkonservativen.. .. .. .. .. 223 257 455 737. 1. Wertner, Moritz, Wer war. «Bavarin Herzog von Bayern» ? Eberhard von Windecke und die ungarischen Namen. Richtigstellungen. Zävodszky, Levente, Die Mitglieder der Familie Hederväry in deutscher. Gefangenschaft. 32 370. 904. Kleine Beiträge zur deutschen Literatur:. Bayer, Josef, Bauernfelds. Lustspiele auf der ungarischen Bühne Der Aufenthalt eines deutschen Malers in Pest im Jahre 1820 Das erste Faust-Drama auf der ungarischen Bühne. 230 252. Ungarische Calderon-Daten aus dem XVIII. Jahrhundert Irrige Bilderdeutung deutscherseits «Der Müller und sein Kind» in Ungarn Heinrich Becks Dramen auf der ungarischen Bühne Czeke, Marianne von. Das ungarische Shakespeare-Jahrbuch Fögel, Josef, Bohuslav Lobkovic von Hasistein unter den Humanisten von. 390 716 719 723 929. 696. Ungarn Förster, Aurel, Eine neue Ausgabe von Aristoteles De anima (Selbstanzeige) Gälos, Rudolf, Das Theater in Temesvär Gragger, Robert, Ein ungedruckter Brief Wielands aus 1777. 484 242. Lenaus Schulzeugnisse Lenaus Wohnhaus in Ofen (Buda). (Mit einer Abbildung.) Heinlein, Stefan, Die ältesten ungarischen Drucke. 487 720 705. Heinrich, Gustav, Ungarn in der «Weltliteratur» Hellebrant, Arpäd, Ungarns Bibliotheken Koväcs, Ludwig, Eine neue historische Zeitschrift. 690 244 692. in ungarischer Sprache.. Laban, Anton, Schleifer und Lenau Matlekovics, Alexander von, Die Gemeindebetriebe Pecz, Wilhelm, Pindars Tropen. in. Ungarn. ..... J., Die Anfänge der Zensur in Ungarn Die Temeser Gespanschaft und die Stadt Temesvär Racz, Ludwig, Graf Josef Teleki und Rousseau Sass, Andreas, Julie von Charpentier in Ungarn Tarnai, Johann, Ein posthumes Werk des Grafen Stefan Szechenyi .... Trostler, Josef, Drei Briefe des Grafen Mailäth an den Fürsten von Pückler-. Peisner,. Muskau Kari M. Kertbeny im Briefwechsel mit deutschen. Weber, Arthur, Theodor. ..... 930 246 706 250 478 706 729 732 393 945 695. Körners Braut. Wertner, Mor., «Carobert» Zävodszky, Levente, Das Thurzö. Schriftstellern. 937 242. 700. Wittenberger Rektorat des Grafen. Emerich 468.

(9) Auf der Schwelle der Wahlrechtsreform.. Vom. Wirkl. Geheimrat Grafen Stefan Tisza.. ;IE Vorarbeiten des Gesetzentwurfes über das Wahlrecht ^^^^ ^^ Zuge. Nur wenige Monate trennen uns von dem [ I [1 / : Zeitpunkte, da das öffentliche Leben Ungarns diese Frage auf konkreter Grundlage wird bewältigen und das : :.„. schwerste Problem wird lösen müssen, das der heutigen Generation :. ^_. [. gestellt. ist.. Eine ungeheuere Verantwortung wälzt sich auf unser aller Schultern.. Unser Werk wird von entscheidendem Einflüsse auf das Schick-. Geschlechter sein die Schwelle des zweiten Jahrtausends wird zum Ausgangspunkt einer schöneren Zukunft oder zum Beginne unrühmlichen Niederganges werden, je nach dem wir imstande sein werden, diese Fundamentierung der künftigen Entwicklung des nationalen Daseins zu vollbringen. Es wäre herzlose Frivolität, schnödes Spiel mit den heiligsten Interessen der Nation, wenn wir unsere Aufgabe leichtsinnig, unbedacht anpacken würden. Wir müssen unsere beste Geisteskraft aufbieten und mit jenem Verantwortlichkeitsgefühl, von dem jeder Patriot durchdrungen sein soll, wenn seine Tätigkeit ins Innerste sal später. ;. des nationalen Organismus einschneidet,. in ernster,. eindringender. Untersuchung die Lehren aus den ausländischen Beispielen ziehen und unsere eigenen Verhältnisse objektiv unter das Skalpell nehmen. Das letztere ist sogar noch wichtiger als das erste. Wir müssen ein Wahlrecht schaffen, das uns geziemt, das inmitten unserer zeitlich und räumlich gegebenen tatsächlichen Verhältnisse in Wahrheit zum Wohle der Nation gereichen kann. Diese Frage ist in ihrer Tragweite und Universalität erhaben über jeglicher Parteipolitik. Hinsichtlich der grundlegenden Gesichtspunkte unseres Wahlrechts müssen sich alle Ungarn, die auf nationaler Basis, auf der Grundlage der organisch-historischen Entwicklung stehen, in einem Lager zusammenfinden. Mit denjenigen, die die nationale Basis und die historische Entwicklung leugnen und in der Scheinwelt aprioristischer Schlagwörter leben, suchen wir keine Verständigung. Weder hier, noch anderswo. Es ist ja eben der Daseinsgrund und der Beruf des «Magyar Figye16». 1),. '). die auf der Feststellung der Tatsachen, der Lebenswirklich-. In dessen. II.. handlung erschien.. Jahrgange, Heft 17 (vom 1. September 1912) die vorliegende AbAnm. des Herausgebers.. Ungarische Rundschau.. II.. Jahrg.,. 1.. Heft.. 1.

(10) 1J. Ungarische RundschaUi. 2. -^. Lehren von Vergangenheit und Gegenwart aufgebaute die auf der richtigeren Auffassung des menschlichen Verstandes und Herzens beruhende tiefere Weltanschauung gegen das öde Zerstörungswerk Jener zu vertreten und zu verteidigen. Von deren Wirken droht nirgends größere Vernichtung, als auf dem Gebiete des Wahlrechts. Und wir bleiben nur uns selbst getreu, wenn wir mit den Lehren des realen Lebens in das verworrene Dunkel ihrer Theorien hineinleuchten. Wir tun es ohne jede parteipolitische Färbung, Tendenz und Gekeiten, der. echte Wissenschaft und. bundenheit, mit der vollkommenen Freiheit der wissenschaftlichen. Prüfung. Die nachfolgenden Darlegungen drücken die jeglichen Parteistandpunkts ledige, individuelle Überzeugung des Verfassers aus; er wünscht damit die richtige Beurteilung und Lösung der. Frage nach bestem Können zu fördern, ohne den Details des einzureichenden Gesetzentwurfes und der eigenen Stellungnahme diesen gegenüber irgendwie präjudizieren zu wollen.. Es versteht sich von selbst, daß keinerlei Parteidisziplin den Veranzunehmen, was nach seiner Überzeugung für die Nation gefahrbringend ist. Wer jedoch die Lösung der Frage ernstUch wünscht, muß sich sogar in wichtigen Details zu Kompromissen bereit halten, denn die befriedigende Erledigung des großen Problems läßt sich nicht denken ohne wechselseitige Kapazitierung und Nachgiebigkeit derjenigen, die inbetreff der Grundprinzipien übereinstimmen. Die Wissenschaft hat, wie erwähnt, hier zweifachen Aufklärungsdienst zu tun. Sie muß die Wirkung des demokratischen Wahlrechts im Auslande aufdecken und ein möglichst genaues Bild von jenem Menschenmaterial liefern, das in unserem Vaterlande Einfluß auf die Geschicke der Nation erlangen würde, je nach dem wir uns in der Bahn des demokratischen Fortschritts vorsichtiger oder radikaler vorwärtsbewegen. Daß wir uns dem Fortschritte nicht länger verschließen dürfen, darüber herrscht sicherlich kein Meinungsunterschied im Lande. Wir haben seit dem Zustandekommen unseres gegenwärtig bestehenden Wahlrechts grosse Wandlungen durchgemacht. Neue Kräfte sind entstanden und haben sich entwickelt. Ihr Bestreben, sich zur Geltung zu bringen, ist innerlich motiviert; es würde sich an der Nation rächen, wenn sie länger zurückgedrängt würden. Es fragt sich nur wie weit können wir gehen ? Wo ist die Grenze, die wir bei der Gewährung von Rechten nicht überschreiten dürfen, falls wir das Schicksal der Nation nicht unerprobten Händen anvertrauen wollen? fasser veranlassen könnte, etwas. :.

(11) t Stefan Tissa: In der früheren. Auf der. Schwelle der Wahlrechtsreform.. Entwicklung der Menschheit:. in. 3. der Geschichte. Griechenlands, Roms, der italienischen Städte und in vielen anderen Beispielen wiederholt sich fast mit der ehernen Gesetzlichkeit des. Fatums der typische Prozess, daß das Verfassungsleben der. frei-. heitsliebenden Völker von der patriarchalen Monarchie zur Aristo-. von dieser zu einer stets schrankenloseren Demokratie und zum Cäsarismus führt. Die Tyrannei der Aristokratien erweckt den Freiheitsdrang der Völker, die demokratischen Tendenzen; der Kampf und das Gleichgewicht der beiden bedeutet die Glanzperiode der Völker, und der zur ausschheßlichen Macht gelangte Demos gräbt der Freiheit das Grab. Das war der Gang der Entwicklung in der Vergangenheit. Muß er mit Notwendigkeit derselbe bleiben in der Zukunft? Ich glaube: nein. Denn die gesamte Entwicklung der menschÜchen Gesellschaft hat ja neue Richtungen eingeschlagen und birgt die Möglichkeiten einer schöneren und besseren Zukunft in ihrem Schöße. Die ganze wirtschaftliche, kulturelle Entwicklung der Neuzeit: alles, was auf materiellem und geistigem Gebiete von der Entdeckung Amerikas und der Reformation an, die französische Revolution hindurch, bis zu unseren Tagen geschehen ist, bietet die Vorbedingungen einer echten, auf bisher unerreichtem Niveau stehenden Demokratie. In der wirtschaftlichen und geistigen Evolution unserer Zeit tritt das Schicksal der großen Massen immer mehr in den Vordergrund, ihre Interessen gelangen immer mehr zur Geltung. Nicht kraft der lügnerischen Schlagwörter und der destruktiven Mittel des Klassenkampfes, sondern weil der Fortschritt der Naturwissenschaften und der Technik die Produktionsbedingungen umgestaltet und den wirtschaftHchen Grund zur öffentlichen Wohlfahrt gelegt hat; weil eine reinere, richtigere Auffassung die ganze menschUche Gesellschaft durchdringt, und die bessere Einsicht der führenden Klassen den Rahmen einer die Lage des ganzen Volkes verbessernden, dessen geistiges und sittliches Niveau hebenden Wirtschafts- und Kulturentwicklung gewährt. Die moderne Gesellschaft läßt die Masse des Volkes in solche wirtschaftliche, geistige und sittliche Lebensverhältnisse gelangen, die noch vor einem Jahrhundert bare Unmöglichkeiten, schwärmerische Utopien geschienen hätten. Damit sind der Ausbildung einer Demokratie die Wege geebnet, die über die zur richtigen Erledigung der öffentlichen Angelegenheiten erforderlichen wirtschaftlichen und kratie,. schließlich. kulturellen Kräfte verfügt. Es duldet keinen Zweifel: wir schreiten der Demokratie entgegen. Einer schöneren, besseren und mächtigeren Demokratie, als je. Einer Demokratie, welche die politische 1*.

(12) Ungarische Rundschat^.. 4. Macht in die Hände des an wirtschaftlicher Kraft, Bildung, sittlichem Werte undVerantwortÜchkeitsgefühl stetig zunehmenden Volkes legt. Es fragt sich nur. hält die soziale. :. Entwicklung mit der politischen. Richtiger gesagt: geht die soziale Entwicklung der poli-. Schritt?. tischen voraus?. Haben. jene Volksschichten, die Anteil erlangen an. der Bestimmung der Geschicke der Nation, die entsprechende Stufe. Entwicklung erstiegen? oder eilt umgekehrt die Entwicklung ihren eigenen notwendigen sozialen Vorbedingungen voraus, und die politischen Formen der Demokratie gelangen auf solche Schichten zur Anwendung, die dafür noch nicht der. sozialen. politische. reif. sind?. Ausschließlich hiervon hängt es ab, ob die Demokratie der Sache. der Freiheit, der allgemeinen Wohlfahrt, der Aufklärung und nationalen Größe, dem wirklichen Fortschritte dienen wird, oder ob sie, indem sie das Schicksal der Nationen und Staaten unbefugten Händen überläßt, die freiheitlichen Institutionen dem Niedergange, das Land der Zerrüttung und Gefahren entgegenführt und retrograden Tendenzen den Boden vorbereitet. Nun, wenn wir die Dinge von diesem Gesichtspunkte untersuchen, müssen wir inbetreff aller Kulturnationen die Wahrnehmung machen, daß, wie mächtig auch der Aufschwung der allgemeinen Bildung und der öffentlichen Wohlfahrt war, die soziale Entwicklung trotzdem noch nicht jene Stufe erreicht hat, welche die vollständige, unbeschränkte politische Demokratie ertrüge.. Dies. gilt selbst inbetreff. war doch nirgends. Englands.. Und. die soziale. Entwicklung. der Welt so kraftvoll, die politische Veränderung hielt nirgends so sehr Schritt mit der Hebung des materiellen und geistigen Niveaus der Massen. Die gesamten Lebensverhältnisse in. der unteren Volksklassen machten nirgends eine so rapide Wandlung durch, als während des letzten halben Jahrhunderts in England.. Wenn. auch die englische Arbeiterklasse noch. in. den vierziger Jahren. des verflossenen Jahrhunderts die abschreckendsten Beispiele des Elends, der Verwilderung, der Verlassenheit bot, heute stehen Er-. werb, Kleidung, Erscheinung, Wohnung, kulturelle Ansprüche, mit einem Worte: der gesamte Lebensstandard des engUschen Arbeiters hoch über jenem der Masse des kontinentalen Proletariats. Die Selbstverwaltung, welche die englische Arbeiterschaft in ihren mächtigen Vereinigungen hinsichtlich der Pflege ihrer vitalsten Interessen ausübt, bildet eine zweckmäßigere Schule des öffentlichen. Lebens,. als. sonst irgendetwas; und der Verkehr mit den übrigen. nähert sich nach Form und Inhalt viel mehr den Postulaten der wirkUchen Demokratie, als es sonst irgendwo. Gesellschaftsklassen.

(13) Stejan Tissa :. Schwelle der Wahlrechtsreform.. Der. 5. England ein größerer, kräftigerer, allgemeinerer, als in welchem andern europäischen Staate immer. Die politische Umgestaltung aber ist trotzdem eine stufenweise und vorsichtige. Die Reformbill von 1832 schließt die ärmeren Klassen noch absolut von der politischen Macht aus: bis 1867 besaß einzig die Mittelklasse politische Rechte, und die Wähler bildeten eine viel geringere Quote der gesamten männlichen Bevölkerung als bei uns. Erst im Jahre 1867 erlangten die in den städtischen Wahlkreisen wohnenden Arbeiter, 1885 die Arbeiter in den ländlichen Bezirken das Wahlrecht. Wohl in großer Anzahl, jedoch nicht sämtlich; denn selbst heute besitzen bloß diejenigen ein Wahlrecht, die über ein ständiges Heim, eine eigene Wohnung verfügen, so daß die Zahl der englischen Wähler nur etwa 2/3 der volljährigen männlichen Bevölkerung beträgt. Es gibt also selbst heute noch kein in vollem Wortsinne genommenes allgemeines Wahlrecht in England; es erstreckt sich auf. •. dem. Auf der. Festlande der Fall. ist.. soziale Aufstieg ist also in. —. —. bloß auf die ständigen Erwerb besitzenden, geregelteren Existenzen.. Dennoch scheint es selbst in England, als ob die politische Entwicklung im Verhältnisse zur sozialen eine zu rasche gewesen wäre. Die große Mehrheit der gebildeteren Schichten der Nation wendet sich von der heute über die Majorität verfügenden politischen Richtung immer mehr ab. Die Anschauung, Führereignung und politische Gedankenwelt der englischen Intelligenz büßt den bis dahin geübten Einfluß auf die Geschicke der Nation immer mehr ein, und unter dem Drucke der Verhältnisse greifen sogar die englischen Konservativen immer entschiedener zu den Schlagwörtern und Kniffen der radikalen Demagogie.. Das alles macht sich denn auch schon fühlbar. Wer das öffentliche Leben dieser großen Nation mit sorgfältiger Aufmerksamkeit verfolgt, kann vor zahlreichen bedenkenerregenden Zeichen des Rückgangs unmöglich die Augen verschließen. Das öffentliche Leben Englands hat wesentlich an innerem Gehalte verloren. Das staatsmännische Niveau der Führer ist gesunken, die Werbekraft der demagogischen Mittel und Schlagwörter gewachsen, und die Stelle des auf die vorausblickende, konsequente Pflege der großen nationalen Interessen. gerichteten Verantwortlichkeitsgefühls. mehr das Buhlen um. die. Massengunst. nimmt. immer. ein.. Erstaunlicherweise zeigt sich diese Erscheinung in noch größerem. Maße. in der Urheimat der modernen Demokratie, in Nordamerika. Die Umstände der Besiedelung der Vereinigten Staaten brachten naturgemäß die vollkommene politische Demokratie hervor. Die Persönlichkeit der ersten Einwanderer und deren sämtliche Lebens-.

(14) 6. Ungarische Rundschau.. Heimat zeitigten als natürliches Produkt Demokratie, die inmitten der einfachen Verhältnisse der ersten Zeiten einwandfrei funktionierte. Das änderte sich erst nach dem Unabhängigkeitskampfe. Anfänglich kaum merkbar, dann aber in Verbindung mit dem rapiden Aufschwünge der Vereinigten Staaten immer rascher. Die moderne wirtschaftliche Entwicklung, die komplizierten Lebensverhältnisse der mit märchenhafter Schnelligkeit emporwachsenden Großstädte, die berückenden Beispiele des raschen Reichwerdens und die immer allgemeiner werdende wilde Jagd nach dem Gelde und der damit Hand in Hand gehenden Macht, schließlich die Einwanderung, welche die bunte Masse aus allen Weltgegenden zusammenströmender Millionen in den Besitz politischer Rechte gelangen läßt: zerstören vom Grunde aus sämtliche Voraussetzungen der alten amerikanischen Demokratie. Neue Bestrebungen, neue Leidenschaften machen sich im öffentlichen Leben geltend, auf das nun alle Lebensprobleme einer in rapider Entwicklung begriffenen Weltmacht eindringen. Die Bahn öffnet sich dem politischen Streber, der in den durch die wirtschaftHche Entwicklung gebotenen ungeheuren Geldmitteln und den Millionen der mit dem Wahlrechte ausgestatteten neuen und schwächeren Elemente geeignete Werkzeuge für seine Unternehmungen findet. Die amerikanische Demokratie entfernt sich immer weiter von ihrem Ursprünge. Die Gestalt des Lüge und Korruption aufbietenden Abenteurers beherrscht immer mehr den Plan, und die Elite der Gesellschaft wendet dem öffentHchen Leben verdrossen den Rücken. Die Bezeichnung „Politiker" gilt fast als Ehrenbeleidigung. Um von anderem zu schweigen der gegenwärtige Präsidentenwahlkampf wirft ein solch erschreckendes Licht auf die öffentlichen Zustände und die Führer dieser großen Nation, daß die selbstbewußte Truppe unserer Radikalen sich denn doch zu einer kleinen Selbsteinkehr veranlaßt sehen dürfte. Amerika wird durch diese traurige Verderbnis seines öffentlichen Lebens nicht zugrunde gerichtet werden. Eine große, einheitliche Nation, in deren Gesellschaft so riesige Lebenskraft pulsiert, vermag selbst die Nachteile der elendesten Politik mit Leichtigkeit zu verwinden. Inmitten schwierigerer Verhältnisse lebende, von inneren und äußeren Feinden umgebene schwächere Nationen jedoch dürfen sich den Luxus eines solchen öffentlichen Lebens nicht gestatten und können der redlichen und besonnenen politischen Führung nicht entbehren. Wohin würde sie jene unbeschränkte Demokratie führen, die selbst in der reichen, gebildeten, selbstbewußten amerikanischen Gesellschaft derlei Früchte zeitigt? Verhältnisse in der neuen die politische. :.

(15) Stef(fn Tissa :. Auf der. Schwelle der Wahlrechtsreform.. .. 7. Nicht minder lehrreich ist die Wirkung der poHtischen Demokratie Die Führer des französischen Liberahsmus wurden vom RadikaHsmus der großen Revolution sehr rasch geheilt. Das Die Schreckensherrschaft erteilte allen ist nicht zu verwundern. in Frankreich.. den Traum der Volksfreiheit träumten, eine bittere die gesamte liberale öffentliche Meinung Frankreichs in der ersten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts die politischen Rechte auf die intelligenteren Schichten der Gesellschaft '^zu beschränken; man schoß dabei über das Ziel, und der hohe Zensus, .den man aufstellte, entfremdete die große Masse der Nation dem jenen,. die. Lektion.. Daher wünschte. Parlament und machte das konstitutionelle Leben zu einer verWurzeln im nationalen Boden besitzenden Treibhauspflanze. Diesem Zustande gegenüber tritt die parlamentarische Opposition für den gemäßigten Wahlzensus ein und es kommt zur Februarrevolution. Wie gewöhnlich kämpft das tatbereite Proletariat der Vorstädte den Kampf aus, und das Pfingstkönigtum der Radikalen proklamiert das allgemeine Wahlrecht. Was sie säten, erntet Napoleon, und der Cäsarismus spielt nahezu zwei Jahrzehnte hindurch die Massen, das allgemeine Wahlrecht gegen die liberalen Bestrebungen des aufgeklärten Mittelstandes aus. Erst der klägliche Zusammenbruch der Herrschaft Napoleons und die furchtbare Schande, Schaden und Gefahr, die er über die französische Nation gebracht hat, ändern an dieser Lage. künstelten, keine kräftigen. In den Tagen der nationalen Demütigung wendet sich das Vertrauen des schwergeprüften Volkes unwillkürHch seinen natürlichen Führern zu, und die große Mehrheit der Bezirke wählt, ohne sich. um. das politische Glaubensbekenntnis zu kümmern, diejenigen, Nähe sich der persönlichen Anhänglichkeit und des Vertrauens verdient gemacht hatten. In das erste Parlament der dritten Republik gelangen die hervorragenden Männer der französischen viel. die in ihrer. Gesellschaft in großer Anzahl sowohl aus. aus. dem. jeder neueren. Wahl drängt. sie. dem monarchischen,. Doch das währt die reaktionäre und. republikanischen Lager.. nicht lange.. als. Bei. die ultraradikale. Demagogie immer mehr zurück. Lange fließt der Kampf zwischen beiden mit zweifelhaftem Ausgange. In breiten Schichten des französischen Volkes schlummert, wie dies auch das Abenteuer Boulangers zeigte, der unbesiegliche Wunsch nach einer im Innern und auswärts imponierenden militärischen Autokratie. Vereint hätten Thron, Altar und militärische Gloire leichtlich die Majorität erwerben können. Frankreich wurde vor einem neueren monarchischen Abenteuer wahrscheinlich nur.

(16) Ungarische Rundschau.. 8. i^. durch den Wettstreit der verschiedenen einander paralysierenden Dynastien bewahrt. Die Lage ändert sich nur allmähHch. Das repubhkanische Regime wahrt die staathche Omnipotenz und die Zentralisation mit unverAn Zynismus der Parteiherrschaft hält sie änderter Starrheit. recht wohl den Vergleich mit dem zweiten Kaiserreich aus. Der beständige und konsequente Druck der Staatsgewalt trägt seine Früchte. Die monarchischen Parteien schrumpfen im französischen Parlament immer mehr zusammen und die äußersten radikalen und sozialistischen Gruppen reißen die Führung immer mehr an sich. Im Schöße der republikanischen Mehrheit haben sie die dominierende. Das gebildetere, gehaltvollere und freiheitsliebendere Element wird je länger, desto mehr in den Hintergrund gedrängt. Die Bahn politischer Erfolge verschließt sich völlig der Elite der französischen Gesellschaft, den Spitzen des liberalen französischen Mittelstandes. Die wechselseitigen Intriguen der mit den gröbsten Mitteln der extremen Demagogie arbeitenden Gruppen lenken die Geschicke der französischen Nation und verschaffen die Regierungsmacht mit wenigen Ausnahmen auf sehr niedrigem Niveau stehenden PoHtikern. Unter den günstigsten Umständen verwirklichte sich die Institution des allgemeinen Wahlrechts im Deutschen Reiche: im Schöße Rolle inne.. —. —. einer hochgebildeten, in konsolidierten Verhältnissen lebenden einheitlichen Nation, deren soziale und staatliche Entwicklung in der Vergangenheit verhältnismäßig ohne zahlreiche Erschütterungen. vor sich ging. Die staatliche Ordnung und der soziale Frieden verfügen in Deutschland über mehr Kraftquellen und sind weniger Gefahren ausgesetzt, als irgendwo sonst; Ordnungsliebe, Achtung vor dem Gesetze und der Obrigkeit haben im deutschen Volke tiefere Wurzeln gefaßt, als in den übrigen Nationen des Festlandes. Vor allem aber: Deutschland kennt nicht die parlamentarische Regierung. Die Wirren des parlamentarischen Lebens wirken auf den Regierungskurs und die Bestimmung der nationalen Geschicke nicht unmittelbar ein, und die auf dynastischen, parlamentarischer Beeinflussung entzogenen Grundlagen organisierte Exekutive vermag auch inmitten aller Krisen des Parlaments, gegenüber dessen Krankheit und Schwäche die Konstanz und Aktionsfähigkeit des nationalen Lebens zu schützen und zu sichern. Diesen Umständen ist es zu verdanken, daß die durch das allgemeine Wahlrecht verursachte Erschlaffung des deutschen Parlamentarismus dem nationalen Organismus keine tieferen Wunden.

(17) :. StefapTissa:. Auf der. Schwelle der Wahlrechtsreform-. 9. schlug. Welch nachteiligen Einfluß das allgemeine \X4ahlrecht auf den deutschen Parlamentarismus selbst ausgeübt hat, will ich hier nicht. im einzelnen zeigen. Ich verweise auf das Ergebnis meiner vor Monaten über diesen Gegenstand angestellten Untersuchung daß das allgemeine Wahlrecht den politischen Einfluß der großen deutschen aufgeklärten Mittelklasse vernichtet hat. Es hat von Wahlgang zu Wahlgang gerade jene Parteien immer mehr aufgerieben, in denen die für die Freiheit und die großen nationalen Interessen empfänglicheren, gereifteren, höheren Elemente der deutschen Intelligenz zur Geltung gelangt wären. Diese Parteien bilden gegenwärtig insgesamt bloß 14,6 o/o des deutschen Reichstags und verschwinden immer mehr gegenüber den bunten Heerscharen der reaktionären und radikalen Gruppen. Insbesondere einigen. sind es die Vertreter zweier großen, einheitlichen, wohldisziplinier-. ten Lager, die das allgemeine Wahlrecht in stets größeren Massen entsendet: die Sozialdemokraten und die Klerikalen. Diese beiden. Parteien bilden auch im protestantischen Deutschland die Majorität des Abgeordnetenhauses; von den Abgeordneten der katholischen und in diesem Belange zeigt Belgien genau dasselbe Länder aber. —. —. gehören wie die katholischen Länder des Deutschen Reiches 3/4 der klerikalen oder der sozialdemokratischen Partei an. Das Beispiel Deutschlands liefert den Beweis, daß das allgemeine Wahlrecht selbst unter so günstigen sozialen Verhältnissen, wie sie Bild,. Deutschland bestehen, die politische Macht der Intelligenz zerAufklärung und der mit der Ordnung vermählten Freiheit dienstbare hberale Richtung durch die Menge der Extreme erdrückt und ein Parlament hervorbringt, das in prinzipieller und persönlicher Hinsicht vollkommen unfähig ist, die Regierung einer großen Nation zu übernehmen und mit Erfolg zu führen. Auch in Deutschland hat ein großer Autokrat die Sintflut des allgemeinen Wahlrechts auf das Parlament losgelassen, um den Liberalismus des Mittelstandes zur Ohnmacht zu verdammen. Dies war die Absicht, mit der Bismarck das Schlagwort vom allgemeinen Wahlrecht in das öffentliche Leben des erstaunt aufblickenden Deutschlands schleuderte. Er erreichte sein Ziel; doch dann rissen die entfesselten Dämone ihn selbst mit sich, und in dem aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangenen deutschen Parlament haben die mit dem Staate, den nationalen Gemeininteressen wenig rechnenden Bestrebungen der extremen Parteien sich den Lenkern des Deutschen Reiches nicht nur einmal in den Weg gestellt. in. stört, die der. Einmal, unter geschickter Ausnützung außerordentlicher Umstände, gelang es Bülow, die deutschen bürgerUchen Parteien zu.

(18) :. 10. Ungarische Rundschau.. -. yt,. /. einem deutsch-i^ationalen Block zu vereinigen und gegenüber den klerikalen und sozialdemokratischen Parteien zum Siege zu führen. Aber auch dieser Erfolg erwies sich als ephemer. Der Bülowsche Block gehört bereits der Geschichte an, und die den extremen, radikalen und reaktionären Tendenzen zueilende, durch ihn für eine Weile unterbrochene Entwicklung setzt von neuem ihren Triumphzug fort. Wenn das allgemeine Stimmrecht in Deutschland solche Verhältnisse erzeugte, kann es uns wundernehmen, daß seine Wirkung inmitten der um so vieles verwickeiteren und ungünstigeren Verhältnisse Österreichs eine noch viel traurigere ist? Ich darf hier in Zusammenfassung meiner in zwei Artikeln über die Ergebnisse der österreichischen Reichsratswahlen 2) dargelegten Erörterungen kurz konstatieren, daß 1. das allgemeine Wahlrecht das Vertretungsverhältnis der einzelnen Volksstämme nur insofern geändert hat, daß es einen erheblichen Teil der deutschen Wahlkreise den internationalen Sozialdemokraten in die Hände spielte, während die sozialdemokratischen Vertreter der übrigen Volksstämme zugleich einen nationalistischen Charakter annahmen. Im Schöße der einzelnen Volksstämme aber drängte es die gemäßigteren, konzilianteren Elemente zugunsten der äußersten Tendenzen in den Hintergrund. Es verschärfte die nationalistischen Gegensätze und machte die Reibungen heftiger und brutaler. 2. Bei allen Volksstämmen, insbesondere bei den gebildeteren, drängte es die gemäßigteren, die Prinzipien und Auffassung der Intelligenz vertretenden Parteien zugunsten der die roheren Werkzeuge der Demagogie aufbietenden extremen Tendenzen in den Hintergrund, sodaß in das Lager der aufgeklärteren, gemäßigteren, politisch reiferen Richtungen bloß 19 0/0 der deutschen und 140/0 der czechischen Abgeordneten gehören, während 29, beziehungsweise 61 0/0 den radikalen und ultranationalistischen Parteien, 19, beziehungsweise 25 0/0 der sozialdemokratischen Partei angehören und 33 0/0 der Deutschen christlich-sozial sind. 3. In Ansehung der persönUchen Eignung, politischen Bildung und Schulung hat es das Abgeordnetenhaus auf ein unglaublich elendes Niveau hinabgedrückt. Kaum die Hälfte sämtHcher Abgeordneten hat eine Hochschule absolviert und kann als gebildet gelten und auch von diesen gehört der größere Teil den weniger ;. gebildeten Volksstämmen an.. 2). Magyar Figyelö vom. 16. Juli. und. 16.. Dezember. 1911,.

(19) \. '. ^^tefan^Tissa:. Auf der. Schwelle der Wahlrechtsreform.. ,11. Die Lage ist gerade bei den gebildeteren Deutschen und Czechen noch trostloser als im Durchschnitte. Die Zahl ihrer Abgeordneten mit Hochschulbildung übersteigt kaum Vs ihrer sämtlichen Abgeordneten. An poHtischer Schulung und an Gewicht aber sind selbst diese gebildeteren Elemente ganz unbedeutend. Es finden sich unter ihnen kaum. Männer, die eine besondere Eignung zur Führung des politischen Lebens einer Nation besäßen; die lange Reihe jener vorzüglichen Männer der österreichischen Gesellschaft, die durch ihre Vorstudien, ihre Talente und ihre politische Vergangenheit zur Leitung der österreichischen Politik, zur Regierung dieses Staates prädestiniert wären, ist seit der Einführung des allgemeinen Stimmrechts völlig aus dem Parlament hinausgedrängt v/orden oder behielt höchstens vermöge der Berufung ins Herrenhaus gewisse Reste ihrer politischen Rolle. Ob man das Programm und die richtunggebenden politischen Ziele und Bestrebungen der Parteien, oder die individuellen Qualitäten der im Vordergrunde stehenden Personen betrachte: das österreichische Abgeordnetenhaus ist die klägliche Karrikatur eines. nur geeignet, die Einrichtungen des freien Kon-. Parlaments. Es. ist. stitutionalismus. zum Gespötte zu machen und zu kompromittieren. die Nation, deren politisches Leben einen solchen Mittelpunkt, deren Bestrebungen einen solchen Exponenten, deren Selbstregierung eine solche Leitung besitzt, der Zerrüttung zuzuführen. Man vergleiche das österreichische Abgeordnetenhaus der sechziger und siebziger Jahre mit dem jetzigen, und man wird betroffen sein angesichts des erschreckenden Bildes des Niedergangs und des Verfalls sowohl in Ansehung der grundsätzlichen Richtungen der Par-. und. führenden Personen. nirgends zeigt sich ein tröstliches Moment, das für das Ver-. teien, als der. Und. lorene Ersatz böte! Viele waren der Meinung, das die Interessen der Massen vertretende Volksparlament werde die unfruchtbaren NationalitätenEine trügerische Hoffnung. Die interstreitigkeiten begraben. nationalen Schlagwörter des Klassenkampfes rissen bloß das industrielle Proletariat einzelner Großstädte mit sich. Überall sonst vibrieren die nationalen Bestrebungen. und lodern. die Leidenschaften. des Rassenhasses auch in der Seele der unteren Klassen. Der Weg zum Vertrauen des Volkes, zum Mandat für das Volksparlament führt entlang der Gefühlsskala nicht nur des hungrigen Magens,. sondern auch der nationalen Gehässigkeit. Der Klassenkampf verträgt sich aufs schönste mit dem nationalen Hasse. Die sozialistische Demagogie verbindet sich mit der nationa-.

(20) %. Ungarische Rundschau.. 12. Agitation in rührender Einträchtigkeit, höchstens mit Unterschiede, daß die internationale Sozialdemokratie auf das. listischen. dem. Selbstbewußtsein der fortgeschritteneren Volksstämme bei den auf niedrigerer Kulturstufe stehenden Stämmen auch der Sozialismus in die Hülle des extremsten Nationalismus schlüpfen muß. Die Kräfteverhältnisse verschieben sich also zugunsten der ungebildeteren kleineren, excentrischeren nationale. lähmend wirkt, während. Nationalitäten,. Diese Wirkung wird noch gesteigert durch den Umstand, daß die Macht der Demagogie zumindest im Anfange sich mit ganzer Kraft. gerade bei den relativ gebildeteren Stämmen geltend macht. Hier fegt sie die Intelligenz sofort hinweg. Die wirtschaftlich entwickelteren und verhältnismäßig gebildeteren deutschen und czechischen unteren Schichten werfen sich ohne Vorbehalt der extremsten Demagogie in die Arme. Sie wählen mit Vorliebe solche, die vermöge ihrer Bildungsstufe selbst zu den unteren Schichten gehören. Wirtschaftlich schwächere, zurückgebliebene Volksstämme hingegen bleiben zumindest einstweilen unter dem Einfluß der Intelligenz und wählen die Abgeordneten aus deren Reihen, sodaß nicht nur die polnischen, sondern auch die ruthenischen, südslawischen und rumänischen Abgeordneten im Durchschnitt einer höheren Bildungsstufe angehören, als die Deutschen und die Czechen. Auch dieser Umstand sichert den kleineren, exzentrischeren, zurückgebliebenen NationaHtäten wenigstens für einige Zeit eine gewisse Überlegenheit.. Alles zusammengefaßt: in Österreich, dessen Verhältnisse den unserigen so sehr ähnlich sind, zeigt sich unseren Blicken das Bild des hoffnungslosen, endgiltigen Bankerotts der nationalen Politik. und des Parlamentarismus. Das allgemeine Wahlrecht hat die Intelligenz vollkommen zugrunde gerichtet es hat diese eben bei den gebildeteren Volksstämmen um die politische Führung gebracht; es hat sämtHche zentrifugalen, destruktiven, extremen Tendenzen groß gezogen, alle Vortrefflichkeit aus dem Hause ausgeschlossen und ein Abgeordnetenhaus hervorgebracht, das die parlamentarische Regierungsform und eine selbstbewußte, ernste, erfolgreiche natio;. nale Politik in verfassungsmäßigen. Formen. in. der Tat total un-. möglich macht.. in. Wir wollen nun die Lehren des Auslandes reassumieren: Überall der Welt zeigt sich ein namhafter Fortschritt in der Richtung der. wirklichen Demokratie. Die materielle, geistige und ethische Kraft. der Gesamtheit der einzelnen Völker. ist in. steter Entwicklung be-.

(21) <. -. Stefan Tissa:. Auf der. Schwelle der Wahlrechtsreform.. 13. Die gebildeten Nationen nähern sich mit mächtigen Schritten jener Stufe der allgemeinen Wohlhabenheit und Bildung, welche die Errichtung der in politischem Sinne genommenen nationalen Demokratie ermöglicht. Wir nähern uns diesem Ideal, aber wir haben es noch nirgends erreicht. Und die übereilte Verwirklichung des wahrhaftig allgemeinen Wahlrechts hat sich ohne Ausnahme über-. griffen.. all. gerächt.. Selbst. die. höchstentwickelte. englische. Gesellschaft. findet sich nicht einmal mit der dort verwirklichten beschränkteren. Form der Demokratie ohne Übelstände ab. Die unbeschränkte Demokratie vollends hat das öffentliche Leben der Vereinigten Staaten und Frankreichs zum traurigen Schauplatz der Korruption und der demagogischen Streberei erniedrigt; sie bewirkte, daß die wertvollsten sozialen Elemente dieser beiden großen Nationen sich verdrossen vom öffentlichen Leben abwendeten, oder sie schloß diese geradezu davon aus. Sie hat die mächtige Intelligenz der deutschen zur politischen Ohnmacht verdammt und in Österreich dermaßen furchtbar klägliche Zustände geschaffen, daß eine ähnliche Lage für uns einfach nationalen Selbstmord bedeuten. Nation. würde.. Das Parlament vermag nur dann seinem Berufe zu entsprechen, Parteien die Auffassung und Überzeugung* der gebildetsten, zur richtigen Beurteilung der Probleme des Staatslebens, der großen nationalen Interessen geeignetesten Elemente Ausdruck findet, und wenn an der Spitze großer, aktionsfähiger Parteien die hervorragendsten, zur politischen Führung tauglichsten Männer das öffentliche Leben lenken. Die parlamentarische Regierungsform fördert nur dann den Fortschritt, die Aufklärung, die Freiheit und die nationale Größe, wenn sie der Elite der Nation die Macht verschafft. Ein jedes Wahlrecht, das die Feststellung der. wenn im Programm der. Ziele,. der Richtung, der. Prinzipien. der nationalen Politik nicht. nicht die hervorragendsten Staatsmänner an die Spitze des öffentlichen Lebens der Nation gelangen läßt, drängt die Selbstregierung der Nation auf schiefe Bahnen und entwertet den Parlamentarismus. Nun, die auf der ganzen Welt gemachte Erfahrung zeigt, daß das wirklich allgemeine Stimmrecht diese doppelte Selection heute noch in der umgekehrten Weise besorgt. Nur wem die Beschäftigung mit den Tatsachen, den Lehren des Lebens als mit seiner Würde unvereinbar erscheint, wird es noch heute leugnen, daß die Einführung des allgemeinen Wahlrechts überall den Niedergang des Parlamentarismus zur Folge hatte. Man pflegt hierauf freilich mit der Seelenruhe des Geschichtsphilosophen in die. Hände der. Intelligenz legt. und.

(22) Ungarische Rundschau.. 14. zu bemerken, daß den menschlichen Einrichtungen keine ewige Dauer beschieden sei, daß auch der Parlamentarismus verfalle. Ich vermöchte diesen Trost selbst dann nicht mit ziemlicher Seelenruhe hinzunehmen, wenn mich mein Schicksal als den Sohn einer großen Kulturnation hätte das Licht der Welt erbHcken lassen. Denn von allen bisher bekannten Regierungsformen dient ja die parlamentarische Regierung am besten dem Buride von Ordnung und Freiheit, der Aufklärung, der freien Entwicklung der Nationen. Gewiß, wie jede menschliche Einrichtung, hat auch der Parlamentarismus zahlreiche Schattenseiten. Doch wir kennen keine andere Institution, die imstande wäre, ihn auch nur einigermaßen zu ersetzen. Aber als Söhne einer großen Kulturnation könnten wir dann immerhin einen gewissen Trost finden in dem Gedanken, daß die Lebenskraft großer Nationen eine größere Macht ist, denn jede rechtliche Form: eine unverwüstliche, lebendige Realität, welche die Krisen der Verfassungseinrichtungen siegreich überleben wird.. Wir sind jedoch keine Engländer, keine Deutschen, keine Franzosen; wir sind Ungarn. Glieder dieser kleinen Nation, die nur in ihrem Parlament ein nationales Leben zu führen, ihren Willen geltend zu machen vermag. Unser nationales Dasein hängt von dem Blühen unseres Parlamentarismus ab. Für den Untergang unseres nationalen Daseins aber vermag uns nichts zu entschädigen auf der weiten Welt. Wenn wir Ungarn bleiben wollen, wenn wir als Nation fortbestehen wollen, müssen wir die parlamentarische Regierung Ungarns aufrecht erhalten und sie auf eine je höhere Stufe des Ansehens, der Schätzung und der Macht erheben denn sie ist der einzige Exponent ;. unseres nationalen Daseins, unserer nationalen Aktivität, und wenn unser Parlamentarismus einer unheilbaren Krankheit verfällt, so. geht daran die Nation zugrunde.. Gegenüber dieser Tatsache, gegenüber der hieraus quellenden quälenden Sorge vermag uns keinerlei Geschichtsphilosophie, keinerlei ausländisches Beispiel Trost zu spenden. Und wenn in uns auch nur ein Funken von dem Patriotismus und der staatsbildenden Kraft unserer Ahnen lebt, so muß bei sämthchen Problemen unseres nationalen Lebens, und in der aufgeworfenen grundlegenden Frage mehr als bei jeder anderen, vor allem der Gesichtspunikt für uns entscheidend sein: womit können wir das im ungarischen Parlamentarismus sich äußernde nationale Selbstverfügungsrecht befestigen, wirksamer gestalten? Dieser große, richtunggebende Gesichtspunkt. kräftigen,. stellt. uns vor eine.

(23) Stefan Tissa:. Auf <^er. Schwelle der Wahlrechtsreform.. 15. Wir müssen einerseits die nationale Selbstregiebreiteres Fundament stellen, wir müssen ihr die werk-. doppelte Aufgabe:. rung auf ein je tätige Sympathie je breiterer Schichten sichern, wir müssen einen je größeren Teil der nationalen Gesamtheit des Rechts und der Verantwortung teilhaftig machen. Andererseits aber müssen wir an der Grenze stille halten, jenseits deren wir die Bestimmung der Geschicke der Nation in die Hände hierfür noch nicht reifer Massen legen und die Nation Abenteurern, welche die Leichtgläubigkeit, die Illusionen und Leidenschaften der Massen mißbrauchen, ausHefern würden. Wir vernehmen oft den Vorwurf: es war ein schweres Versäumnis, daß wir auf diesem Gebiete seit 1867 nichts taten. Das ist vollkommen wahr. Auf uns allen lastet die Schuld einer großen und schweren Unterlassung. Auch deswegen, weil wir nichts für die stufenweise Ausdehnung des Wahlrechts getan haben. Jedoch nicht hauptsächUch aus diesem Grunde. In erster Reihe darum, weil wir unsere Pflicht, die natürlichen Vorbedingungen der echten Demokratie zu schaffen, unerfüllt ließen. Weil wir die Pflichten verabsäumten, die uns inbetreff des materiellen und kulturellen Fortschrittes, besonders inbetreff der politischen Erziehung der breiteren Volksschichten erwuchsen.. Was man. auch immer sagen möge: hinsichtlich der Erwerbsver-. hältnisse der unteren Volksklassen ist der Fortschritt ein sehr be-. trächthcher.. Die ungeheuere Erhöhung der Arbeitslöhne böte die. Möglichkeit, die Voraussetzungen der echten, für die politische Voll-. Demokratie zu verwirkHchen. Geschieht jedoch auch nur ein geringer Teil all dessen, was geschehen müßte, wenn wir ernstlich wollten, daß die Vorteile der höheren Arbeitslöhne in Wahrheit der Arbeiterklasse zugute kommen mögen? Befassen wir uns so, wie es sich gebührte, mit dem Auskommen der Arbeiterschaft? Geschahen auch nur halbwegs wirksame Verfügungen zur Beseitigung der skandalösen Budapester Wohnungsverhältnisse? Gewähren wir dem Arbeiter jene Vorbedingungen des anständigen Menschendaseins und Famihenlebens, mangels deren man von ihm vergeblich verlangt, daß er sein steigendes Einkommen zur Befriedigung höherer und reinerer Ansprüche verwende? Zwingt ihn nicht unsere Indolenz dazu, seinen Verdienst zum eigenen Ruine und zum Schaden des Gemeinwohls in der stickigen Atmosphäre von Branntweinschenken zu vergeuden? Doch gehen wir weiter. Haben wir genug getan zur Verbreitung der Kultur? Und stehen die Resultate zu den zwecks Hebung der allgemeinen Bildung gebrachten Opfern auch nur einigermaßen im jährigkeit reifen. \i. ^.

(24) Ungarische Rundschau.. 16. Befindet sich nicht ein großer Teil unserer staatHchen Anstalten tief unter dem mit Recht zu gewärtigenden Niveau?. Verhältnisse?. Verausgaben wir nicht Millionen behufs Unterstützung von konzum Teile unter aller Kritik sind, und zur Ergänzung der Gehälter von Lehrern, die nicht imstande sind, eine ersprießliche Tätigkeit zu entfalten? Und hat nicht den ersten tiefgreifenden Versuch einer gründlichen Reform der Volkserziehung, der das Lehrerdiplom von einem staatlichen Befähigungsexamen abhängig gemacht hätte, ein Regierungswechsel hinweggefegt? Denn das Bessere ist des Guten größter Feind. Und was vielleicht wichtiger ist, denn alles andere hat die ungarische Intelligenz auch nur einigermaßen jenem Erzieher- und Führerberuf entsprochen, den die gebildeteren Schichten einer jeden fessionellen Schulen, die. :. nationalen Gesellschaft. zu. erfüllen. haben,. wenn. sie. sich. der. Segnungen des freien Konstitutionalismus würdig erweisen wollen? Der liebe Gott hat das ungarische Volk mit hoher Intelligenz und kräftigem Urteilsvermögen ausgestattet, die das Werk der Aufklärung und der Führung, in allen Lebenslagen, zur leichten und dankbaren Aufgabe machen. Es erfordert so wenig Mühe und bringt so reiche Früchte. Und ich spreche aus unmittelbarer Erfahrung überall, wo die Verhältnisse noch keine zerfahrenen sind, nähert sich auch die Bevölkerung nichtungarischer Zunge mit empfänglicher Seele und treuem Herzen denjenigen, in denen sie unter allen Umständen gute Freunde und zuverlässige Ratgeber findet. Die ungarische Intelligenz hätte sie leiten können und könnte sie auch noch heute leiten und die lügnerischen Umtriebe der Demagogie mit ein bischen folgerichtiger Pflege paralysieren. Dies wäre der Weg des Fortschrittes, die in Taten geäußerte Demokratie. Damit würde der Boden für demokratische Einrichtungen urbar gemacht und eben hierin bleiben wir zurück und entziehen uns jämmerlicherweise den mit der konstitutionellen Freiheit einher-. —. —. —. gehenden. Pflichten.. Solange es sich um Phrasen handelt, sind wir alle Demokraten, zumindest insofern, daß wir uns vor den demokratischen Schlagwörtern der Anderen feige zurückziehen. Sobald jedoch die Reihe daran kommt, die Postulate der Demokratie im Leben durchzuführen, sobald wir im praktischen Leben mit dem Volke verkehren müssen, behandeln wir sozusagen alle, ohne Unterschied der Parteistellung, das Volk mit dem zynischesten Hochmut, mit Geringschätzung und Mißachtung. Die übliche Auffassung betrachtet das Volk als «Stimmvieh» in allen Lagern. Und wohl nirgends mehr als bei den Radikalen, wo man den «Genossen» mit den unedlen Waffen.

(25) Stefan Tissa :. Auf der. Schwelle der Wahlrechtsreform.. \. 7. der Täuschung, der Lüge und des Terrors unter das Joch der Aufwiegler beugt. Die Aufklärung und politische Erziehung des Volkes. wird allerseits vernachlässigt.. Wenn dann. die. Stunde der Wahl. schlägt, trachtet jede Partei es unter Aufbietung der unsittlichsten. Korteschmittel für ihre Zwecke auszunützen.. Schwerer denn. alles, lastet. diese große Unterlassung auf unseren. dem Tribunal der Geschichte nur schwer verantworten können. Und eben dies erschwert unsere Aufgabe jetzt so sehr, da wir die Reform des Wahlrechts ohne Gefährdung des Schicksals der Nation nicht länger verzögern können und einen großen Schritt nach vorwärts tun müssen, ohne rechtzeitig die Vorbedingungen der Ausdehnung der poUtischen Rechte verSchultern.. Wir werden. sie. vor. wirklicht zu haben.. Zwischen denjenigen, die die ungarischen Abgeordnetenwahlen dem Leben kennen, kann kein Unterschied der Meinungen bestehen darüber, daß in einem beträchtlichen Teile des Landes sogar ein großer Teil des jetzigen Wählerpublikums tief unter jenem intellektuellen Niveau steht, mangels dessen eine selbstbewußte, auf eigenen Füßen stehende Demokratie undenkbar ist. Ein großer Teil des Volkes ist unfähig, ernste politische Argumente reiflich zu erwägen, und läßt sich bei der Abgabe seiner Stimme durch die verschiedentlichsten, jedoch gleichermaßen unsittlichen und gefährAbfütterung, Belichen politischen Korteschkniffe bestimmen. zechung und Bestechung figurieren ohne Parteiunterschied bei den ungarischen Wahlen. Behördliche und geistliche Pression, terroristische Agitation und brutalste Lügen, Betörungen und Täuschungen sind die abstoßenden Symptome unserer Wahlen, inmitten deren die ungarische Intelligenz ihre Führerrolle auch im Kreise des gegenwärtigen Wahlpublikums nur mit den größten Anstrengungen zu behaupten vermag. Und wenn wir dann an die weitere Frage herantreten: wer sind es, die im Falle der Ausdehnung des Wahlrechts pohtische Rechte erlangen werden? so kann die Antwort nur folgendermaßen lauten: Die mehr als halbhundertjährige Entwicklung unserer Gesellschaft hat leider nur einen einzigen neuen Faktor ins Leben gerufen, der über die wirtschaftlichen und geistigen Vorbedingungen politischer Rechte verfügt, nämlich die industrielle Arbeiterklasse, deren Erwerbsverhältnisse eine menschenwürdige Existenz ermöglichen, deren Beschäftigung und Vereinsleben die Verstandeskräfte entwickelt und stärkt, und die heute zwar noch in mancher Hinsicht sich unter jenem intellektuellen und ethischen Niveau befindet, das der eigenmündige Bürger der echten, modernen Demokratie erreichen aus. Ungarische Rundschau.. IL Jahrg.,. 1.. Heft.. 2.

(26) Ungarische Rundschau.. 18. muß, und. noch mit kindlicher Leichtgläubigkeit auf die ihren Leidenschaften schmeichelnde Stimme der Betörung horcht, aber dennoch unzweifelhaft solche Werte und Kräfte repräsentiert, die zur Geltung kommen müssen und unter dem erziehenden Einflüsse der Freiheit und des politischen Lebens sich fortentwickeln und die an sie geknüpften Hoffnungen verwirklichen werden. Dieser eine Faktor wird wohl auch neuere Kämpfe, Reibungen und Schwierigkeiten ins öffentliche Leben hineintragen, jedoch immerhin einen positiven Kräftezuwachs bedeuten. Die große Masse Ausnahmen seien zugegeben der zukünftigen Wähler aber läßt sich bestenfalls dem politisch unreifsten Teile der gegenwärtigen Wähler vergleichen. Die aus der politischen Betätigung dieser die. —. —. Schichten bereits heute resultierenden Übelstände, Schwierigkeiten. und abstoßenden Erscheinungen wird daher die Ausdehnung des Wahlrechts nur vermehren. Falls wir die gesamte Masse der erwachsenen männlichen Bevölkerung mit einem Male auf das Staatsleben loslassen, werden sich unbedingt auch bei uns jene Zustände die in Österreich. einstellen,. grunde richten, würden.. Wenn. hierzulande. eben bloß den Parlamentarismus zuaber die Nation selbst vernichten. wir auf einmal große Massen mit politischen Rechten aus-. zustatten wünschen, können wir dies ohne Hinopferung der heiligsten. nationalen Interessen. nur auf Kosten der Gleichheit tun.. Der berechtigte Einfluß der gebildeteren Volksschichten kann nur vermittelst. der Pluralstimmen,. des Kuriensystems. oder. irgend. und indirekten Wahl gerettet werden. Anderenfalls werden für das politische Leben heute noch ab-. einer Kombination der direkten. solut unreife Massen, richtiger gesagt, die deren Leichtgläubigkeit. mißbrauchende konfessionelle, Rassen- und Klassenaufreizung die Macht an sich reißen und die ungarische Nation ins sichere Verderben stoßen. Unsere öffentliche Meinung hat jene garantiellen Einrichtungen leider mit Antipathie aufgenommen. Dennoch empfindet fast jeder Ungar unwillkürlich die Wahrheit des Gesagten und sucht zur Beschwichtigung seines patriotischen Gewissens gegenüber den Gefahren des vollkommen allgemeinen Wahlrechts anderweitige Garantien.. Obenan. und Schreiim allgemeinen eine ernste Garantie. Meines Erachtens taugt es gar wenig. Daß jemand ein wenig lesen und schreiben kann, bietet an sich überhaupt keine Garantie dafür, daß der Betreffende über jene minimale Bildung und Urteilskraft bens.. steht unter diesen das Erfordernis des Lesens. Man. erblickt. darin.

(27) Stefan Tissa:. Auf der. verfüge, die zur vernünftigen lich. notwendig. ist.. Wie. viele. Schwelle der Wahlrechtsreform.. Ausübung Leute gibt. 19. politischer Rechte unabweises,. besonders. in. den Natio-. nalitätengegenden, die zur Not schreiben und lesen erlernten, ohne daß sie im Besitze dieser Bildungsmittel ihre Verstandeskräfte auch. nur in allerbescheidenstem Maße fortgebildet hätten. Die Feststellung des Lesen- und Schreibenkönnens stößt ferner in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten. Entweder wird die Probe, die der Wähler zu bestehen haben wird, eine so leichte sein daß sie völlig wertlos z. B. die Ausfüllung des Stimmzettels wird, oder aber der Wähler wird ein gewisses Examen ablegen müssen, was den Konskriptions- oder Wahlleitungsorganen eine in größtem Maße bedenkliche diskretionäre Gewalt gewähren und das Wahlrecht vieler hunderttausend Staatsbürger sozusagen von ihrer. —. —. ,. Willkür abhängig machen würde.. —. dieser Umstand sei besonders der Beachtung Jener Schließlich empfohlen, die ihre Berechnungen auf die Zahl der Lesen- und diese Zahl ist schon in Ansehung Schreibenkönnenden stützen der nächsten Zukunft eine völlig illusorische. Denn nichts ist ja leichter, als auch einem großen Teil der noch nicht ins Greisenalter getretenen Männer das hier in Betracht kommende bescheidene Maß des Lesens und Schreibens beizubringen. Gerade die gefährlichsten Kreise, die Führer des organisierten konfessionellen, werden mit der größten Nationalitäten- und Klassenkampfes Energie an diese Arbeit schreiten. Gerade die Zahl der bedenklichsten Wähler wird sich massenhaft vermehren und wir werden, wenn nicht anläßlich der ersten, so der zweiten allgemeinen Wahlen mit Bestürzung inne werden, daß die in das Kriterium des Lesenund Schreibenkönnens gesetzte Hoffnung hinfällig war. Als zweites garantielles Erfordernis wird die Bedingung der ständigen eigenen Wohnung empfohlen. Auch die Anwendung dieses Kriteriums ist unter unseren Verhältnissen sehr erschwert. In der Provinz, inmitten einer Landwirtschaft treibenden Bevölkerung, hat wahrhaftig nur der Landstreicher keine ständige Wohnung. In unseren größeren Städten hingegen, hauptsächlich in Budapest, sind die Wohnungsverhältnisse der industriellen Population. —. dermaßen. trostlose,. daß sogar die Wohnungen eines bedeutenden. gutem Teil unter der Verhältnisse, selbst hinter den primitivsten Ansprüchen weit zurückbleiben. Vermöge des Kriteriums der eigenen Wohnung würden also auch die schwächeren Elemente der landwirtschaftlichen Arbeiterklasse Teiles unserer tüchtigen industriellen Arbeiter, zu. dem Zwange. in. den Besitz des Wahlrechts gelangen, während ebendieselbe Be-.

(28) Ungarische Rundschau.. 20. Stimmung sogar einen beträchtlichen Arbeiterschaft. dustriellen. von. den. Teil. der Elite unserer. politischen. Rechten. in-. aus-. schlösse.. Hieraus folgt um alle Welt nicht, daß dieses Kriterium gänzHch fallen gelassen werde. Im Gegenteil: an der Wahrheit dessen, daß der Besitz eines anständigen Heimes richtunggebenden Einfluß auf das ganze Schicksal, auf die ganze Gedanken- und Gefühlswelt der städtischen Bevölkerung ausübt, ändert auch die traurige Tatsache nichts, daß unsere großstädtische Arbeiterklasse heute noch nicht über diese unentbehrliche Voraussetzung einer zufriedenen Existenz verfügt. Daß diese Wahrheit bei der Feststellung des Wahlrechts in Betracht gezogen werde, ist nicht nur meritorisch gerechtfertigt, sondern empfiehlt sich auch aus dem Grunde, weil davon ein weiterer Impuls zur Verbesserung der Wohnungsverhältnisse unserer Arbeiterklasse erwartet werden kann. Wir dürfen aber nicht übersehen, daß die Wohnung als garantielies Erfordernis einerseits auf dem offenen Lande nicht genug wirksam ist, andererseits in den Städten eines Korrektivums bedarf, das dem ordentliche Beschäftigung besitzenden, gelernten industriellen Arbeiter auch in Ermangelung einer eigenen Wohnung das Wahlrecht verschafft. Wenn wir die Nation vor der sicheren Zerrüttung und dem Verfalle, die ihr von dem allgemeinen Wahlrecht drohen, bewahren wollen, müssen wir um vieles wesentlichere und wirksamere Kriterien suchen. ist die höhere Altersgrenze. Es ist merkwürdig, daß die in den letzten 120 Jahren gleich Pilzen aus der Erde geschossenen Konstitutionen hinsichtlich des passiven Wahlrechtes häufig eine Altersgrenze aufstellten, jedoch das aktive Wahlrecht meines Wissens nie an eine die Volljährigkeit übersteigende Altersgrenze knüpften. Der Begriff der höheren Altersgrenze war den Gesetzgebern nicht fremd, doch sie verwerteten ihn erstaunhcherweise beim passiven Wahlrecht, wo die Altersgrenze unwirksam bleibt, und nicht beim aktiven, wo sie damit Resultate. Ein solches. —. —. erzielt hätten.. Wie. Im großen Durchüberwiegende Mehrheit der Menschen genommen, ist es eine unzweifelhafte Wahrheit: die mit dem höheren Alter einhergehende größere Lebenserfahrung macht die Menschen bedächtiger und besonnener und befestigt deren Urteilsvermögen. Die große Mehrheit der Zwanzigjährigen ist heftiger, erregbarer, unbesonnener als die Mehrheit der Dreißigjährigen und dasselbe gilt von diesen im Verhältnisse zu den Vierzigjährigen. Ein bloß aus verhält es sich denn mit diesen Dingen?. schnitte, die. ;.

(29) '. fertigen. Stefan Tissa:. Auf der. Schwelle der Wahlrechtsreform.. 21. Menschen bestehendes WählerpubHkum wird unbedingt und mehr gesunden. eine größere durchschnittliche politische Reife als eine. aus Zwanzigjährigen bestehende. In jeder Altersklasse finden sich. jedoch einzelne Leute mit dem der verschiedensten. Menschenverstand besitzen Wahlgemeinde. verschiedensten. Temperament,. Charakter,. Denkungsart. Man trifft ebenso unter den Zwanzigjährigen besonnene, bedächtige, reife Leute, als unter den Greisen leidenschaftDarum knüpfen wir das liche, erregbare, leichtsinnige Politiker. passive Wahlrecht vergeblich an welche Altersgrenze immer. Wenn die Mehrheit der Wähler zu Extremen neigt und der Stimme der Leidenschaft gehorcht, wird sagenden Vertreter finden.. sie. in jeder Altersklasse. den. ihr zu-. Wenn wir also wollen, was wir füglich wollen dürfen daß in der Gesetzgebung der Nation die mit der reicheren Lebenserfahrung Hand in Hand gehende größere Besonnenheit und reifere Erwägung zur Geltung gelange, müssen wir das aktive Wahlrecht an eine :. höhere Altersgrenze knüpfen. Falls wir das dreißigste Jahr als Grenze aufstellen, wird man uns überhaupt nicht den Vorwurf machen können, meines Erachtens daß wir die kraftvolleren, energischeren, jüngeren Elemente von den politischen Rechten ausschließen. Dem Manne unter vierzig Jahren steht noch das Leben offen voll und kräftig pocht in seinen Adern die den Menschen vorwärts treibende Lebenskraft; unter normalen Verhältnissen melden sich erst lange nach dem vierzigsten Jahre beim gesunden Manne die ersten Anzeichen eines Nachlassens der Energie und des Tätigkeitstriebs. Andererseits aber ist nichts natürlicher als das Verlangen des Staates, seine Bürger mögen erst ein wenig in die Schule des Lebens gehen, in ihrem eigenem Privatleben einige Erfahrung erwerben, aus dem offenen Buche der ringsum sich abspielenden Ereignisse lernen, ehe sie ihre Stimme abgeben bei der Erledigung der nationalen Angelegenheiten. Denn sobald wir einmal von dem richtigen Prinzip ausgehen, das in Ungarn außer zwei bis drei ultraradikalen Schwärmern niemand in Zweifel zieht: daß das Wahlrecht kein uns angeborenes Recht, sondern ein Auftrag ist, den der Staat denjenigen erteilt, die er dessen würdig erachtet, so ist es nur natürlich, daß der Staat, indem er den Auftrag auf alle jene erstreckt, die das jedem Staatsbürger erreichbare Maß elementarer Bildung erworben haben, der Ergänzung halber von denjenigen, die sich keine höhere Bildung erwerben konnten, das mit einem etwas reiferen Alter einhergehende. —. —. ;. größere Urteilsvermögen fordert..

(30) ,. Ungarische Rundschau.. 22 Dieser Standpunkt. ist. auch von der prinzipiellen Grundlage des. radikalsten allgemeinen Wahlrechts unanfechtbar.. terium. kommt jedermann und. Denn. dies Kri-. jeder Gesellschaftsklasse gegenüber. Anwendung. Es berührt also nicht das relative Kräfteverhältnis der Gesellschaftsklassen, es bedeutet keinen Nachteil für das Prole-. zur. sondern es eliminiert aus allen Klassen gleichermaßen jene Elemente, die ihre politischen Rechte mit geringerer Reife nützen würden. Damit ist also nicht nur dem allgemeinen Interesse, sondern zugleich dem wohlverstandenen Klasseninteresse ein Dienst tariat,. erwiesen.. —. es mag überjedoch trotzdem unzweifelhaft bei Leibe keine so große Änderung gegenüber dem jetzigen Zustande, als man auf den ersten Blick annehmen möchte. Auf dem Papiere gewährt heute. Schließlich bedeutet die höhere Altersgrenze. raschen,. —. ist. allerdings schon das Alter von zwanzig Jahren das Stimmrecht. Bei. —. dem heutigen Wahlzensus jedoch gelangen abgesehen von jenen Höhergebildeten, denen man mit 24 Jahren auch in der Zukunft das Wahlrecht gewähren könnte bloß diejenigen mit jungen Jahren in die Wählerliste, die der Tod ihrer Eltern oder ein anderer Ausnahmefall frühe zu Vermögen kommen läßt. Wer die Wählerliste irgendeines Wahlbezirkes durchblättert, kann sich davon überzeugen, daß besonders auf dem offenen Lande die Zahl der Wähler unter dreißig Jahren nur eine geringe Quote der gesamten Wähler-. —. zahl beträgt.. Neben dem Alter von dreißig Jahren müssen wir als zweite Garantie eine entsprechende intellektuelle QuaHfikation, die Absolvierung der sechsklassigen Volksschule fordern. Der erfolgreiche Besuch einer entsprechend organisierten sechsklassigen Volksschule oder einer zumindest gleichwertigen andern Lehranstalt ist zweifellos geeignet, die Verstandeskräfte so sehr zu entwickeln und in solchem Maße zum Denken, zum Bilden einer eigenen Meinung und zum Weiterlernen zu befähigen, daß man hierin, nebst dem Alter von dreißig Jahren und dem ständigen ordentlichen Erwerbe, eine gewisse Garantie erbhcken und Beruhigung finden kann. Wir sollten daher unser Wahlrechtssystem in erster Reihe hierauf gründen, trotzdem bei dem bisherigen Zustande unserer Volkserziehungsanstalten bloß ein geringerer Teil der Bevölkerung diese Qualifikation zu erwerben vermochte. In einem beträchtlichen Teile unserer Volksschulen gibt es noch heute keinen regelmäßigen Unterricht in den Gegenständen der fünften und sechsten Klasse. Doch selbst, wo ein solcher Unterricht stattfand, hat ein großer Teil der Schulpflichtigen in diesen Klassen.

(31) Stefan TisBa :. dem. Unterricht. Auf der. nicht. Schwelle der Wahlrechtsreform.. der erforderHchen. mit. 23. Pünittiichkeit. bei-. gewohnt, und die erfolgreiche Absolvierung der sechsten Klasse wurde nicht durch ein die nötige Garantie bietendes ernstes Examen konstatiert, sodaß sie wohl nur seitens eines geringeren Teils der jetzigen erwachsenen Bevölkerung ordnungsgemäß nachgewiesen werden könnte. In Verbindung mit der Wahlrechtsreform haben wir also für die Entwicklung unseres Volkschulwesens Sorge zu tragen. Es muß eine ernste Kontrolle geschaffen werden, zwecks Konstatierung jener Volksschulen, in denen der Lehrstoff der beiden höheren Klassen in entsprechender Weise unterrichtet wird; und die Schlußprüfung der sechsten Klasse muß solcherart organisiert werden, daß das zur Grundlage der Wahlberechtigung dienende Endzeugnis einen wirklichen Wert besitze. All dies wird im Endergebnisse das allgemeine Wahlrecht verwirklichen und die große Masse der nationalen Gesellschaft in die Reihen der Wähler aufsteigen lassen, jedoch während eines längeren Zeitraumes und stufenweise, sodaß der ungarischen Intelligenz Zeit, Raum und Gelegenheit geboten sein wird, ihre Pflichten inbetreff der Hebung des materiellen, geistigen und sittlichen Niveaus der breiten Volksschichten redlich zu erfüllen.. Für die Zwischenzeit aber müssen wir allen jenen das Wahlrecht die, wenn sie auch nicht über die gewünschte geistige Qualifikation verfügen, so doch vermöge ihrer Beschäftigung, ihrer Vermögensverhältnisse, oder anderer, einen besonderen individuellen Wert bezeichnender Umstände (hierher gehören z. B. der im Militärdienst erworbene Unteroffiziersrang, die bei einem und demselben Arbeitgeber verbrachte längere Dienstzeit usw.) als des staatlichen Auftrages würdig erscheinen. Wir müssen also eine neuere, den gegenwärtigen Verhältnissen sich anpassende Form des Zensus ins Leben rufen eine Form, die der Gegenwart gegenüber einen Fortschritt bedeutet und außer den jetzigen Wählern die große Mehrheit der gelernten industriellen Arbeiter und die tüchtigeren Mitglieder der kein Wahlrecht besitzenden übrigen Volksschichten mit dem Stimmrecht ausstattet. Auf diese Weise werden wir schon heute mit einem Schlage die Zahl der Wähler in bedeutendem Maße erhöhen; und wenn diese Zahl auch hinter jener Kristöffyschen Zahl von 2600000 zurückbleiben wird, wie sie denn falls wir das Richtige wollen dahinter weit zurückbleiben muß, so dürfen wir die Tragweite des Schrittes dennoch nicht unterschätzen. Jedermann, der die einschlägigen Verhältnisse aus dem Leben kennt, weiß es nur zu gut, wie schwer es der ungarischen Intelligenz bereits heute gemacht ist, zugestehen,. :. —. —.

(32) !. Ungarische Rundschau.. 24. den Lebensinteressen der Nation allein förderliche konsequente wahre, besonnene ungarische nationale Politik zur Geltung zu bringen. In welchem Maße wird jede centrifugale Kraft zunehmen, sobald wir die Zahl der Wähler mit einem Male auch nur um 40 50 o/o der jetzigen Wähler erhöhen die. —. Bedenken wir doch um Gottes willen, was alles auf dem Spiele Welch unersetzlichen Schaden, welche in alle Ewigkeit fortwirkende Verwüstung kann ein übereilter Schritt, ein leichtsinniger Sprung ins Dunkle verursachen. Wir sind die Hüter eines durch tausend Jahre angesammelten nationalen Schatzes; wir müssen ihn getreulich bewahren. Was soviel Mühe und Ruhm, soviel Blut und steht!. Leid geschaffen haben, dürfen wir nicht einer leichtsinnigen Ideologie in einem selbstvergessenen Augenblicke feiger Popularitäts-. zuHebe. hascherei in. Trümmer. schlagen.. Es gibt keinen namhaften Menschen, der die organische Entwicklung eines Jahrtausends in der Sintflut des Radikalismus ertränken wollte. Jeder ernste Mensch in Ungarn wünscht und verkündet die organische Entwicklung auf den historischen Grundlagen. Ich frage nun: gehen wir nicht bis an die äußerste Grenze dessen, was man organische Entwicklung nennen kann, wenn wir die Zahl der Wähler sofort um die Hälfte erhöhen, der gelernten industriellen Arbeiterschaft die Bahn eröffnen und dabei den weiteren Fortschritt auf automatischem Wege institutionell sichern, sodaß mit der Ausbreitung der allgemeinen Bildung die Zahl der Wähler sich stetig vermehren und die der echten Freiheit fähige Demokratie sich auf dem Wege stufenweiser organischer Entwicklung vollkommen verwirklichen wird?. Paul von Szinyei-Merse. Festrede. vom. Wirk!. Geheimrat Albert von Berzeviczy. ^).. "[HRUNG und Freude. zugleich ist es für mich, dem Rufe meines Heimatkomitates folgen und jenen Empfindungen Ausdruck verleihen zu können, von ; ; welchen unser Komitat durch die seinem großen Sohne, dem Künstler Paul von Szinyei-Merse allerseits gezollte Anerkennung begeistert ist.. des Munizipiums. I. ,. '). Gehalten. in. am 26. August 1912 zu Ehren des Künstlers Generalversammlung des Komitates Säros.. der in Eperies. anstalteten außerordentlichen. ver-.

(33) Albert von Bersevicsy : Paul von Ssinyei-Merse. Festrede.. 25. Es ist dies eine Empfindung, wie die der Mutter, welche ihren als triumphierenden Helden heimkehrenden Sohn an den Busen drückt. Eine Feier kann geräuschvoller, die Bewunderung der Menge kann lockender, die Anerkennung der Mächtigen und Reichen kann glänzender und lohnender sein, die Umarmung der Mutter aber ist dennoch wärmer als alles Erst kürzlich hat uns eine dreifache Tatsache die Höhe erkennen lassen, welche unser Meister aus dem Komitate Säros auf seiner Künstlerlaufbahn erreicht hat. Vor allem die Anerkennung, deren er in der vorjährigen Ausstellung zu Rom teilhaft wurde, als die im künstlerischen Wettbewerb sämtlicher Nationen urteilende Jury ihn auf einen der allerersten Plätze stellte; dann der St. -StefansOrden, mit welchem ihn unser Herr und König bekleidete; endlich das von der italienischen Regierung an ihn gerichtete Ersuchen, sein Porträt für die Künstlergalerie in den Uffizien zu Florenz einzusenden, also in die Gesellszhaft der Allergrößten unter den Großen. eine seltene Das erste ist ein blendender Erfolg, das zweite Auszeichnung und Zierde, doch das dritte das ist bereits das Vorgefühl der Unsterblichkeit. Kann uns wohl jemand das gute Recht bestreiten, auf die Nachricht von diesen Tatsachen ein Freudenfest zu veranstalten, den gefeierten Meister den unsern zu nennen und auf seine Schöpfungen stolz zu sein? Ist es doch die heimatUche Erde von Säros, deren Blumen, deren blauen Himmel, deren wogende Ähren, deren bewaldete Berge mit ihrer herbstlichen Farbenpracht er auf seinen Gemälden verewigte, von deren betautem Grase nach dem Ausspruche eines unsrer Dichter .. .. .. —. —. —. Betrachtung dieser Bilder versenkt, seine Füße Die Erde von Säros ist es, auf welcher die Wiege unseres Künstlers und Landsmannes schaukelte, die Erde, deren liebliche, sanfte, farbige, abwechslungsreiche Erscheinungen seine kindliche Phantasie nährten, wohin er sich aus der Ferne zurücksehnte, welche er sich mit seinem Pinsel vorgezaubert hat, welcher er die Grüße seiner anhänglichen Zärtlichkeit zusandte. Die Erde von Säros ist es, in deren Schöße die heimgegangenen Lieben seines jeder, der sich in die. genetzt fühlt.. kindlichen, brüderlichen, väterlichen. Scholle der. Herd. Herzens ruhen,. wo. auf ererbter. Heimes steht; die Erde im Gemeinbewußtsein der. seines selbstgeschaffenen. von Säros ist es, welcher sein Pinsel kunsthebenden Welt Bürgerrecht erwarb. Und auch noch andere Bande und Erinnerungen knüpfen unser Komitat und dieses alte Munizipalgebäude an Meister Szinyeis Person..

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