• Nem Talált Eredményt

Der Umgang mit den Alten

In document 34 . Budapest 1999 (Pldal 29-33)

Vorspann (oder auch: Glückwunsch):

„Was kann man tun, wenn es November wird im Leben? Am besten nichts von alledem, was weise Sprüche uns seit 700Jah- ren raten“, meint Wolf Schneider1 „Vor allem; nicht aufhören, sondern anfangen. Ein Haus bauen, ein Buch schreiben, ein Hobby, reiten, Portugiesisch lernen, alte Freunde immer wieder überraschen.

Sodann: sich nicht abfinden, nicht leise werden, nicht weise werden — eher aufbegehren, und warum nicht stänkern, das hat man sich verdient. Jedenfalls Übermut zusammenkratzen, was noch zu finden ist.“

Was ist auffällig am vorstehenden Text? Mir fällt auf, daß Schneider den Mut hat, vom „November im Leben“ zu sprechen. Das ist ziemlich spät im Jahr und entspricht so gar nicht dem Bild, das in den Medien von älteren und alten Menschen vermittelt wird. Eine junge Gruppe Hamburger Jour­

nalisten hat vor dreijahren den Versuch einer Alten-Zeitschrift gemacht (es blieb ein Versuch) und sie „September“ genannt.

Und dieser bildhafte Name entspräche genau der Vorstellung, die Me­

dien und Wirtschaftsmanagment vermittelt: Der alte Mensch von heute ist 50!

Deshalb muß man sich über seine „Freizeit“ - er ist ein „freigesetzter“, kein wirklich „freier Mensch“ - Gedanken machen, muß Angebote für ihn organisieren.

Daß die Fünfzigjährigen schon zum alten Eisen geworfen werden, zeig­

te sich jüngst in einer Auseinandersetzung zwischen der Wirtschaft und dem Fernsehen: Die Wirtschaft stellte anhand der Medienanalyse fest, daß die Vorabendprogramme vor allem von 50-jährigen gesehen würden, die als Objekte der eingeblendeten W erbung,nicht relevant1 seien. Das Fernsehen kuschte kurzzeitig, konnte dann aber auf die Proteste der Altenorganisa­

tionen und vor allem auf die Statistiken der Finanzämter verweisen: Bei den Menschen zwischen 60 und 70Jahren kulminieren die Einkommen und die Vermögen. Und: Diese Menschen sind aktiv, sie erlegen sich keinen Konsumzwang (mehr) auf, sie sind die stärkere Altersgruppe unter den Fern­

sehenden. Inzwischen sind die geliebten soap-operas wieder im Programm und das umgekehrte Extrem ist zu beobachten: Die Jugendsendung „wdr eins“ wird der „Lindenstraße“ geopfert.

27

Und auch das Bild der Alten in der Werbung selbst hat sich verändert.

Für die meisten Verbrauchs-, Konsum- und Luxusgüter wurde mit jungen Menschen geworben: jung sein, aktiv sein, gesund sein - nicht: werden! - war und ist das Bild, das die Werbung vermittelt. Alte Menschen kommen nur bei der Werbung für Hilfsmittel, als da sind: Geh-Hilfen, Fahrstühle, Stützverbände, Altenwindeln, vor - und auch da wird oft eine strahlende Mitdreißigerin dazugestellt!2 Aber auch hier ist eine Veränderung zu be­

obachten: Wurde früher mit den chiquen, jungen Stewardessen - allenfalls mit einem beigestellten mitdreißigjährigen Flugkapitän - für jedwede Flug­

linie geworben, so sieht man heute die Begrüßung alter Menschen auf dem Flughafen eines anderen Kontinents. Und für See- und gar Welt-Reisen wer­

ben immer häufiger die Senioren.3

Und mit diesem Wort bin ich bei der sprachlichen Seite des Umgangs mit den Alten. Der „Senior“ ist ein Euphemismus, wird er auf den alten (wirklich „alten“? - s.o.!), aus dem Berufsleben ausgeschiedenen Menschen angewandt. Denn daneben kennt das Deutsche noch zwei aktive Bedeutun­

gen von „Senior“: Den Vater oder älteren Eigentümer in einer Firma, der gerade dabei ist, seinem Sohn oder neu eingetretenem Miteigentümer als ,Junior“ in die Geheimnisse des Geschäftslebens einzuweihen. Und dann den derjugendmannschaft (14-18Jahre) entwachsenen Aktiven einer M ann­

schaftssportart. - Interessanterweise gibt es dieses W ort nur für M änner - die Frauen in diesem Alter gehören einer „Damen“- Mannschaft (sic !) an.

Und wenn die Männer die 35 überschreiten, kommen sie in die „Alte Her- ren“-Mannschaft4 - für die Frauen gibt es diese Altersklasse nicht. — Und diese beiden Bedeutungen sollen bei den inflationären Gebrauch des W or­

tes „Senior“ für den alten Menschen anklingen, mitschwingen: Die Alten sind noch immer aktiv, sportlich - und vor allem entscheidungsfreudig und -fähig. Keine politische Partei läßt die W erbung bei den Alten aus, alte Poli­

tiker sind nach wie vor Idole: Adenauer, Wehner, Erhardt, Eppler, Heuß, Leber, Mende, Schmidt, Schumacher, Strauß.

Die 68er bleiben im Prinzip die ‘Schmuddelkinder’ der Nation, sie wer­

den auch mit 60 keine „Senioren“. Aber auch sie werden jetzt (1998 ff.) zu Werbeträgern, z.B. für „Kwai N. Knoblauch-Trockenpulver-Dragees.“ Aller­

dings heißen sie dann „Oldies“.5

Eine ironische W andlung zum Positiven gewinnt Hannelore Schlaffer in der FAZ dem Verhalten der „Alt-68er“ ab: 6

Die antiautoritäre Erziehung hat endlich ihr eigentliches O b­

jekt gefunden. Das Kleinkind war es ja nicht ..., auch der Ju ­ gendliche zeigte keinerlei Verständnis für die Anekdokten und sozialen Moralismen ... Nicht einmal beim Studenten verfing das Manöver der Collage aus Comic und Video, um ihm die 28

Wichtigkeit der Lektüre des „Nachsommer“ einzuprägen. Das eigentliche Objekt der antiautoritären Erziehung ist der Seni­

or. Er muß nicht erst spielend, und das heißt durch Verführung, zu Sitte, Wissen und Kunstverstand hingeführt werden, er spielt selbst schon damit. Die Beschäftigungen, mit denen heutzutage aus dem Berufsleben ausgeschiedene Personen unterhalten wer­

den, gehören in den Stundenplan des Gymnasiums: Geschich­

te, Literatur, K unst... Bildung war schon immer das Ideal des alten Menschen, das er dem jungen vorgehalten hat. Nun hat der Senior dieses Ideal für sich zurückerobert und weiß ihm besser als jeder Jugendliche einen tiefen Sinn zu geben ...

Daß dieser Trend nicht nur die „Alt-68er“ ergriffen hat, beweisen u.a. die Zahlen aus der Universität Hamburg: „Rund 2.000 der insgesamt 43.000 Studierenden an der Uni sind über 50Jahre a lt... 451 der Spätstudierenden absolvieren ein reguläres Studium, knapp 300 sind als Gasthörer und 1.400 beim ‘Kontaktstudium für ältere Erwachsene’ eingeschrieben.7 Die ‘Ren­

ner’ in der Gunst der älteren Studierenden sind Geschichtswissenschaft, Kulturgeschichte und Kulturkunde, gefolgt von Philosophie, Sozialwissen­

schaften, Sprachwissenschaften und Theologie. Und: Siebzigjährige Promo­

vierende sind in allen Fächern keine Seltenheit.

Eine andere Form altersspezifischer Sozialisation hat Margitta Lambert in Hamburger Altentagesstätten untersucht.8 Ihre Beobachtungen des verba­

len und nonverbalen Handelns älterer Frauen, die noch in ihrem gewohnten Lebensbereich wohnen, zeigen ein hohes Maß an Respekt, Wertschätzung, Verständnis und Beistand untereinander, das offensichtlich ein elementares Nähebedürfnis zu befriedigen hilft. Daß gleiche sprachliche Verhaltenswei­

sen (Duzen/Siezen, Spotten und Schimpfen) in der Heimsituation zu ganz gegenteiligen Sozialformen führen bzw. diese spiegeln, ist eine ganz we­

sentliche Beobachtung dieser Untersuchung, aus der Folgerungen für die sog. „Altenarbeit“ gezogen werden sollten.

Ich schließe mit einem Zitat aus dem bereits eingangs herangezogenen Bei­

trag von Wolf Schneider — auch ein Siebziger, lieber Herr Mädl! —„Und was bleibt, wenn die Einschläge näher kommen? Noch mehr Leichtsinn und möglichst viel Galgenhumor. Schließlich den Überlebenden nachrufen wie einst Theodor Herzl: ‘Machet keinen Unsinn, während ich tot bin!’

Anmerkungen

1 Spiegel Spezial 2/1999, S. 12

2 Vgl. Bachofer, Wolfgang: „Die Werbung für und mit den Alten“. - In: Stu- dia Germanistica (Erscheint demnächst).

29

3 Wie Anmerkung 2

4 Hier ist ein Terminus der Studentensprache übernommen worden. Diese Über­

tragung könnte über den Fechtsport erfolgt sein, der ja sowohl Einzel- wie Mannschafts-Sport ist.

5 Vgl. Spiegel Spezial 2/1999, S. 21

6 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 136 vom 16. Juni 1999, „Sitzplatz.Die Se­

niorenschulbank.“ S. 56

7 Schwabe, Harriet: „Dienstag, 10.15 Uhr, Hörsaal D“. In: Extra-Journal zum Hamburger Abendblatt vom 15. Mai 1999, S. 1

8 Lambert, Margitta: Die kommunikative Etablierung von Nähe. Frankfurt u.a.: Lang-Verlag 1997. - Zusammenfassung der Ergebnisse in Geriatrie- Forschung Vol. 8 (1998), No. 4, S. 165-170

Andräs F. Balogh

Zur Frage der Kontinuität in der

In document 34 . Budapest 1999 (Pldal 29-33)